"Es gibt keine New Economy"

IBM-Chef Gerstner verteidigt die Unternehmensstrategie

17.11.2000
MÜNCHEN (CW) - Nicht auf Angriff, sondern auf Verteidigung war IBM-Chef Louis Gerstner gepolt, als er namhafte Finanzanalysten zur Präsentation der Unternehmensstrategie empfing. Die Wallstreet wollte aufgemuntert werden, denn nach den jüngsten Quartalsergebnissen von Big Blue hatten sich Zweifel breit gemacht.

"Das Hauptziel der IBM ist nicht die Umsatzsteigerung", überraschte Gerstner seine Zuhörer. "Unser Ziel ist altmodischer. Uns geht es um Bargeld und Gewinn." In den vergangenen sieben Jahren habe IBM den jährlichen Vorsteuerprofit um durchschnittlich 14 Prozent, den Gewinn je Anteil um 23 Prozent und den Cashflow um insgesamt 105 Milliarden Dollar gesteigert. Wohl um seine Glaubwürdigkeit nicht zu verlieren, gab Gerstner aber doch zu, mit der Wachstumsquote des vergangenen dritten Quartals (minus ein Prozent) alles andere als zufrieden gewesen zu sein.

IBM leide insbesondere im Geschäftsbereich Global Services unter dem Personalmangel, bekannte der IBM-Chef. Allerdings sei man dabei, Abhilfe zu schaffen. Ende des Jahres werde Big Blue 9000 zusätzliche Mitarbeiter für die auf E-Business konzentrierte Serviceeinheit rekrutiert haben. Weitere 10000 Beschäftigte aus der bestehenden Geschäftseinheit Global Services seien dann ebenfalls auf die Herausforderungen des E-Business geschult. IBM sei also bereit, den Geschäftsschwerpunkt im Servicesektor - aber auch in den Segmenten Hardware und Software - auf Business-to-Business-(B-to-B-)E-Commerce zu legen.

Das Internet ist nur eine TechnologieGerstner betonte, er habe frühzeitig darauf hingewiesen, dass die Dotcom-Ära schnell vorübergehen würde. "Ungeachtet des ganzen Hypes, der von der Presse geschürt wird, wissen wir nun, dass es keine New Economy gibt. Im Internet geht es nicht darum, neue Industrien und Institutionen zu schaffen. Es geht nur um eine sehr mächtige Technologie, um ein Tool." Wer diese Technologie frühzeitig nutze, habe gute Chancen, seine Wettbewerber zu bezwingen. "Die Fronten haben sich nicht verschoben", so Gerstner, "nur hat jemand das Schießpulver erfunden. Wer auch immer es zuerst benutzt, wird den nächsten Krieg gewinnen."

Schwerer fiel es dem IBM-Chef, zu erklären, warum sein Unternehmen im Vergleich zu Sun Microsystems im vergangenen Jahr weniger erfolgreich im Unix-Server-Markt war. Ebenfalls hart getroffen wurde das AS/400-Geschäft, das im dritten Quartal sogar um sechs Prozent nachgegeben hatte. Gerstner sagte, IBM habe unter anderem unter Engpässen bei Keramikbauteilen für die Chipfertigung zu leiden gehabt.

Dennoch gab er zu, dass Sun dem Unternehmen im Unix-Markt im gesamten Jahr arg zugesetzt hat. "Zu Beginn des Jahres 2000 waren wir im Unix-Geschäft praktisch nicht vertreten", so Gerstner. "Aber wir haben uns schon vor zwei Jahren ernsthaft mit dem Thema beschäftigt, und wir werden zum Jahresende die beste Unix-Produktlinie der Welt haben." Dennoch bleibe viel Arbeit, wenn man in diesem Markt dauerhaft den Ton angeben wolle. Das betreffe unter anderem die Zusammenarbeit mit unabhängigen Softwarehäusern und dem Handel. Gerstner feixte aber, man bleibe bei IBM gelassen, solange es dem Konkurrenten nicht gelinge, seine Produkte wie angekündigt auf den Markt zu bringen. Weil Sun die Wachstumsmärkte Linux und Windows nicht adressiere, sei das Unternehmen auf Dauer schlecht positioniert.