64-Bit-Architektur/IT-Entscheider müssen umdenken

IA-64 eröffnet Intel-basierten Servern neue Einsatzgebiete

22.09.2000
Für unternehmensweite IT-Aufgaben setzten die Verantwortlichen in den Unternehmen mehr und mehr Standard-Anwendungspakete ein. Das umfangreichste Sortiment an Applikationen dieses Typs bieten aber die Intel-basierten Server. Daher wachsen die Installationen auf Basis dieser Server-Architektur in atemberaubender Geschwindigkeit. Bei kleinen Unternehmen sind sie bereits heute der De-facto-Standard. Frank Reichard* erläutert, warum die Intel-basierten Server mit der 64-Bit-Architektur ihre Marktposition ausbauen dürften.

Wachsender Wettbewerbsdruck und Deregulierungen fordern von den DV-Verantwortlichen in den Unternehmen ein immer schnelleres Tempo bei der Einführung von IT-Lösungen, um die organisatorischen Abläufe effizienter zu gestalten. Für Software-Eigenentwicklungen, die viel Aufwand und lange Einführungszeiten erfordern, bleibt da kaum noch Zeit. Folglich müssen die Manager vermehrt auf vorgefertigte Standardlösungen setzen.

Große Unternehmen und Organisationen haben im harten Wettbewerb neue geschäftliche Herausforderungen zu lösen, die ihre IT-Infrastruktur in hohem Maße beeinflussen. Hinzu kommt, dass sinkende Margen den Druck auf die DV-Abteilungen erhöhen, Kosten in der IT zu reduzieren. Während die Hardware heute nur noch einen kleinen Teil der Gesamtkosten ausmacht, lassen sich die laufenden Betriebskosten oft in bedeutendem Umfang optimieren. Auch durch Server-Konsolidierung und Rezentralisierung von Client-Server-Architekturen können die Manager sparen.

Das in den letzten Monaten viel zitierte E-Business hat inzwischen die erste Hype-Phase hinter sich gelassen und gehört zunehmend zur Realität. Dies gilt nicht nur für Startup-Firmen der "New Economy", deren Geschäftsmodell komplett auf dem Internet basiert. Auch traditionelle Unternehmen der "Old Economy" bringen ihre installierte Geschäftslogik vermehrt ins Internet.

Was bedeuten die beschriebenen Geschäftstrends für die DV-Abteilungen? Heruntergebrochen auf die Server-Architektur, steht neben der Hochverfügbarkeit die Skalierbarkeit der Systeme im Mittelpunkt des Interesses. Wie kann jedoch eine bestimmte Server-Architektur die steigenden User-Zahlen pro Server in den Bereichen Transaktionsverarbeitung (ERP-Systeme, Datenbanken), Internet-Zugriffe und E-Mail-Verkehr bewältigen? Während in diesen Bereichen eine Ressourcenplanung durch Erfahrungswerte einigermaßen zuverlässig zu realisieren ist, kann sich im E-Business die Server-Last innerhalb kurzer Zeit um ein Vielfaches erhöhen, was ganz neue Anforderungen an die Skalierbarkeit stellt.

Bei den Intel-basierten Servern besteht der bisherige Ansatz vieler Anwender darin, Leistungsgrenzen zu überwinden, indem zusätzliche Server hinzugeschaltet werden ("Scale-out"). Unterstützt wird dies durch Funktionen im Betriebssystem wie zum Beispiel "Network Load Balancing Services" in Windows 2000, durch den "Terminal Server" und Aufsatzprodukte wie Citrix "Metaframe" und SCO "Tarantella". Voraussetzung ist jedoch, dass diese Technologien von den Applikationen unterstützt werden.

Ein gutes Anwendungsbeispiel sind Web-Server. Über Load Balancing können die Administratoren zahlreiche Web-Server zu Server-Farmen zusammenfassen. Steigt die Last, werden die Client-Anforderungen einfach auf mehrere Server verteilt. Schwieriger zu handeln ist dies meist bei Anwendungs-Servern, auf denen die Geschäftslogik von Unternehmen abläuft. Hier bereitet das Zuordnen eines beliebigen Clients an einen beliebigen Server Probleme. Ebenfalls aufwändig ist das Scale-out bei Datenbank-Servern. Zwar bieten einige Hersteller verteilte Datenbanksysteme an, zum Beispiel Oracle Parallel Server. Viele Administratoren schrecken jedoch vor der Komplexität dieses Themas zurück, sodass heute überwiegend eine Skalierung mit Hilfe weniger, großer Server erfolgt. Da in diesem Bereich aktuelle IA-32-Systeme nur eine begrenzte Skalierbarkeit bieten, werden insbesondere bei umfangreichen Datenbank-Installationen bevorzugt Risc-, Sparc- und 390-CMOS-Architekturen eingesetzt.

IA-64 verbessert die SkalierbarkeitDer Itanium-Prozessor soll als Vertreter der ersten Intel-64-Bit Prozessor-Architektur die Skalierbarkeit in beträchtlichem Umfang erweitern. Dies werde laut Hersteller im Wesentlichen durch eine erhöhte Parallelisierung der Befehlsabarbeitung und die direkte Adressierung von mehr Hauptspeicher erreicht.

Intels IA-64-Architektur basiert auf der Explicitly-Parallel-Instruction-Set-Computing-Technologie, kurz Epic, wodurch der Prozessor mehrere Befehle gleichzeitig verarbeiten kann. Welche Befehle jedoch parallel ausgeführt werden können, entscheidet nicht der Prozessor zur Ausführungszeit, sondern es liegt in der Verantwortung des Compilers. Somit wird bereits zum Zeitpunkt der Kompilierung dafür gesorgt, dass der Prozessor zur Ausführungszeit mit optimierten Codesequenzen versorgt wird. Dadurch entwickelt sich auch die Qualität der Compiler zu einem bedeutenden Performancefaktor in der IA-64- Prozessorarchitektur.

Weitere Merkmale, die laut Intel erheblich zur Erhöhung der Prozessorleistung beitragen, sind das Zusammenwirken einer Vielzahl von Registern, die erhöhte Fließkommaleistung, der sehr große Adressraum und spekula-tiv im Voraus durchgeführten Programmschritte. Während bei IA-32 das Limit für die direkte Adressierung bei 4 GB Hauptspeicher liegt, ist der Itanium-Chip in der Lage, weitaus mehr Daten im Hauptspeicher zu halten und so auch bei einer sehr hohen Anzahl von gleichzeitigen Datenbankabfragen kurze Antwortzeiten zu gewährleisten.

Unternehmensweite Anwendungen wie Auftragsabwicklung und Buchungssysteme basieren auf Transaktionsmonitoren wie zum Beispiel Universal Transaction Monitor (UTM) von Siemens, CICS aus dem Hause IBM oder Microsofts Transaction Server. Diese sind in der Lage, mehrere tausend Anwender zu bedienen. Jeder Nutzer wird dabei mit einem auf jeden einzelnen bezogenen Kontext im System repräsentiert. Dieser Kontext ist abhängig von der Anwendung und kann bis zu mehrere Megabytes pro Nutzer ausmachen. Task-Umschaltungen sind dabei solange nicht Performance-relevant, solange alle Kontexte im realen Hauptspeicher gehalten werden können. Erst wenn Daten auf Festplatten ausgelagert oder wieder eingelesen werden müssen, kommt es zu längeren Antwortzeiten. 64-Bit-Systeme besitzen hier durch ihre Fähigkeit, wesentlich mehr realen Hauptspeicher zu adressieren, einen deutlichen Vorteil gegenüber 32-Bit Systemen.

In Geschäftsanwendungen wie SAP R/3 und Oracle Finance wird die Antwortzeit für den Endanwender durch das schwächste Glied in der Kette definiert, in aller Regel durch das Datenbank-System. Der Grund ist dabei meistens nicht die unzulängliche Verarbeitungsleistung, sondern die Ein-/Ausgabe-Leistung des Datenbank-Systems, die sich durch einen großen realen Hauptspeicher wesentlich steigern lässt. Datenbank-Systeme werden in der Regel auf 64-Bit-Systemen entwickelt, und große Installationen laufen meist unter 64-Bit-fähigen Unix-Systemen. Dort nutzt das Datenbank-System den adressierbaren Hauptspeicher als Cache, wodurch der Gesamtdurchsatz erhöht und damit die Antwortzeiten wesentlich verkürzt werden können.

Internet-Anwendungen profitieren von IA-64Das kommt auch Internet-Anwendungen entgegen. Die Nutzung des World Wide Web führt nicht nur zum vermehrten Einsatz von Multimedia-Daten, sondern gleichzeitig zu einer rasant wachsenden Anzahl von Datenabfragen, sowohl bei Auswertungen aus Informationsbeständen als auch bei transaktionsorientierten Abfragen. Auswertungen von Daten können von der integrierten Chip-Logik des Itanium-Prozessors zur Vorausbestimmung von Programmverzweigungen profitieren. So lassen sich etwa bei der Abarbeitung von Java Object Code durch die im Voraus durchgeführten Programmschritte Leistungssteigerungen erzielen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt im Internet ist die Sicherheit der Datenübertragung durch Verschlüsselungstechniken. Erste Simulationen haben gezeigt, dass sich mit der Parallelverarbeitung der Itanium-Prozessoren bei der Verwendung öffentlich zugänglicher Verschlüsselungsalgorithmen eine bessere Leistung für die Ver- und Entschlüsselung erreichen lässt. Dadurch können Systemumgebungen geschaffen werden, in denen die Anwender geschützt sind und dennoch ihre Erwartungen hinsichtlich einer schnellen Verarbeitung von Transaktionen erfüllt sehen.

Datenbanken als erste IA-64-ApplikationenSowohl Intel selbst als auch Hardwarepartner wie Fujitsu Siemens Computers (FSC) arbeiten mit Komponenten- und Softwareherstellern zusammen, um die Entwicklung von IA-64-Lösungen zu erleichtern. So werden beispielsweise bereits heute, ein halbes Jahr vor der serienmäßigen Verfügbarkeit des Itanium-Prozessors Anfang des zweiten Quartals 2001, Vorabsysteme bereitgestellt, um eine frühe Verfügbarkeit von Lösungen zu gewährleisten. Auch erste Endanwender haben die Gelegenheit, Server mit Itanium-Prozessoren für ihre Applikationen zu evaluieren. FSC wird nach heutiger Planung im vierten Quartal dieses Jahres ersten Kunden Systeme liefern.

Nach Aussagen der Softwarehersteller sollen alle relevanten Betriebssysteme mit der Verfügbarkeit des Itanium-Prozessors in einer 64-Bit-Version vorliegen, darunter Windows 2000 und Linux, von denen es schon heute erste Vorabversionen gibt.

Einer der ersten Anwendungsbereiche für IA-64 werden die Datenbank-Systeme im Server-Umfeld sein. In diesem Anwendungsbereich kommen die Vorteile einer 64-Bit Architektur am deutlichsten zum Tragen. Hier gibt es auch die größte Anzahl heterogener Installationen mit 32-Bit-Intel-basierten Systemen als Web- oder Applikations-Server, kombiniert mit 64-Bit-Risc- oder Mainframe-Systemen als Datenbank-Server.

Von Anwenderseite besteht daher ein hohes Interesse an einer Vereinheitlichung der Architektur. Da Datenbank-Systeme bereits auf 64-Bit-Systemen entwickelt und optimiert werden, dürften sie auch zu den ersten verfügbaren Produkten für IA-64 gehören. Ein typisches Szenario könnte ein 64-Bit-Datenbank-System in Verbindung mit 32-Bit-Web- und Applikations-Servern sein. IT-Entscheider sollten aus diesem Grund das Thema IA-64 so früh wie möglich aktiv aufgreifen und für Projekte als Option evaluieren.

*Frank Reichard ist bei Fujitsu Siemens Computers verantwortlich für das internationale Produktmarketing der Intel-basierten Primergy-Server.