Außer Sun liebäugeln alle mit dem Microsoft-System

HP setzt bei kommerzieller DV verstärkt auf NT

30.08.1996

Auf der Hausmesse "HP World" im kalifornischen Anaheim enthüllten hochrangige HP-Manager, wie in Zukunft NT-Systeme mit den hauseigenen Unix-basierten Unternehmens-Servern kooperieren sollen. Danach sind gemeinsame Netzwerkprotokolle, integrierte Messaging-Systeme, einheitliche Entwicklungsumgebungen für Anwendungssoftware sowie integrierbare Programme für die Systemverwaltung vorgesehen.

Die neuerliche Verbeugung HPs vor Microsoft ist bereits die dritte innerhalb weniger Monate. Zuvor legte die Company Fahrpläne und Strategien für die Bereiche Prozessoren und Betriebssysteme offen, die nach Einschätzung von Analysten nur eines zum Ziel haben: eine einheitliche Hardware- und Software-Umgebung, in der Unix und Windows NT zukünftig nebeneinander unternehmensweit agieren.

Das bestätigt Carl d'Costa, bei HP in Böblingen zuständig für das Produkt-Marketing von Unix - und seit neuestem auch von NT. "Welche Bedeutung wir NT auch im Server-Bereich einräumen, zeigt sich unter anderem darin, daß unsere Vertriebsmannschaft ab sofort auch NT-Maschinen verkaufen darf, die früher nur über indirekte Kanäle angeboten wurden." Das Verkaufsteam überprüft nun, welche Anforderungen an Sicherheit und Zuverlässigkeit bei den Kunden bestehen, und schlägt dann den Kauf von entweder Unix- oder NT- Systemen vor. Gerade in diesen beiden Bereichen (Fehler- toleranz und Sicherheit) sei NT dem Konkurrenten noch unterlegen. Deshalb werde HP auch weiterhin Unix treu bleiben.

Zusätzlich wolle man aber im NT-Markt Flagge zeigen und irgendwann die bestehende Unix-Applikationssoftware auch für das Microsoft- Betriebssystem anbieten. HPs CEO Lewis Platt kündigte in einem Gespräch mit der CW-Schwesterpublikation "Computerworld" bereits die Entwicklung von "großen NT-Servern" an.

Nach Angaben von Carl d'Costa werden aber die RISC-basierten Enterprise-Server der HP-9000-Serie weiter ausschließlich mit Unix angeboten werden, da man NT als eng mit der Intel-Plattform verknüpft ansieht.

Erst wenn der "Merced"-Prozessor aus der Gemeinschaftsentwicklung mit Intel auf den Markt kommt, soll es auch große NT-Server von HP geben.

Die weitere Annäherung an Microsoft begründet HP damit, daß NT- Server mit Pentium- oder Pentium-Pro-Prozessoren den Unix-Rechnern im unteren Leistungsbereich aufgrund des besseren Preis-Leistungs- Verhältnisses bereits den Rang ablaufen.

Dabei ist Hewlett-Packard nicht der einzige Anbieter von Business- Servern, der auf den NT-Zug aufspringt. Unisys beispielsweise bietet für seine SMP-Server Unix oder NT als Betriebssystem an, wobei man sich von einem einheitlichen Unix ê la SCOs Unixware allerdings am meisten verspricht, wie Pressesprecher Jochen Rössner erklärte. NT kommt in den Doppelrechnern "Clearpath HMP" (Mainframe aus der A-Serie kombiniert mit einem SMP-Pentium- Rechner) auf dem Intel-System zum Zug.

Cluster lösen NT-Beschränkungen auf

Amdahl, bekannt geworden als Mainframe-Anbieter und mittlerweile weltweit größter Vertreiber von Sun-Systemen, bezeichnet das Geschäft mit Intel-Rechnern unter NT als drittes Standbein. Der "Central"-Server aus der "Envista"-Familie mit zwei oder vier Pentium-Pro-CPUs kommt mit vorinstalliertem Windows NT 3.51 zum Kunden. Unix ist dafür nicht zu haben.

Digital Equipment spielt im Business-Bereich schon lange die Microsoft-Karte. Der Hersteller bietet für alle "Alphaserver" mit Ausnahme der Modellreihen "8200" und "8400" Windows NT als drittes Betriebssystem neben Digital Unix und Open VMS an. Die enge Zusammenarbeit zwischen DEC und Microsoft ermöglichte es der Gates-Company, mit "Wolfpack" eine Lösung für das Clustern von Systemen vorzustellen. DEC selbst bietet seine Lösung, die "Trucluster"-Software, unter der Bezeichnung "Digital Clusters for Windows NT Server" nun auch für das Microsoft-Betriebssystem an.

Verabschiedet von Unix hat sich der Hersteller von fehlertoleranten Rechnern, Stratus Computer GmbH, bei seinen "Radio"-Systemen. Ursprünglich wollte die Firma neben NT auch Unixware für die Cluster-Lösung nutzen, jedoch wurde diese Entscheidung revidiert.

Tandem, der andere Hersteller von fehlertoleranten Systemen, setzt bei NT-Systemen ebenfalls auf das Cluster, weil das, wie es Marketing-Leiter Hartmut Hoffmann ausdrückte, "unserer Forderung nach Skalierbarkeit am besten genügt". Die Firma entwickelt eine Middleware mit dem Namen "Serverware", die sowohl für den Non- stop-Kernel als auch für NT und Wolfpack verfügbar sein wird.

Diese Schicht enthält die Programme für die Transaktionsmonitore, Datenbanken, Messaging-Systeme sowie Anwendungen aus dem objektorientierten Bereich. Im Oktober will Tandem außerdem die passende Hardware mit Intel-Prozessoren vorstellen. Die Unix-Reihe der "Integrity"-Rechner will Tandem zwar weiter ausbauen, jedoch sind diese Systeme für den Spezialbereich Kommunikation konzipiert.

Die Siemens-Nixdorf AG liebäugelt ebenfalls mit NT, wenn es um kleinere Server geht. Die "Primergy"-Rechner mit Intel-CPU laufen ebenso unter dem Gates-Betriebssystem wie die Mehrplatzsysteme "RM200", "RM300" und "RM400", die allerdings mit den RISC-Chips von Mips/SGI arbeiten. Anfang des Jahres gab SNI-Vorstand Peter Pagé die grobe Marschrichtung bei den Server-Betriebssystemen bekannt: "NT für die Intel-Plattform, Unix für die Mips- Maschinen."

Mit dem kürzlich vorgestellten "Octascale"-Konzept, einer Implementierung der Non-Unified-Memory-Access-(Numa-)Architektur, versucht NCR, die NT-Beschränkung auf vier (Intel-) Prozessoren zu umgehen, und kann deshalb die SMP-Server aus der "Worldmark"-Serie mit bis zu 32 CPUs anbieten. Nach Aussagen von Wolfgang Schäfer, bei NCR für das Marketing der Server zuständig, schenkt man NT im Business-Bereich mindestens ebensoviel Aufmerksamkeit wie Unix- Systemen.

Auch Bull verweigert sich nicht

Weitere Anbieter von großen NT-Servern sind Sequent mit den "Symmetry"-Rechnern, IBM mit den "RS/6000"-Maschinen und Data General mit der "Aviion"-Reihe. Bull hat sich bislang neben den Mainframes den Unix-Rechnern verschrieben, bietet aber über die Tochter Zenith Data Systems NT-Systeme an. Nach neuesten Informationen aus dem Power-PC-Lager (IBM, Motorola und Bull) arbeiten die drei Firmen zusammen mit Oracle daran, deren Datenbankprodukte "Universal Server" (Enterprise und Workgroup Edition) auf den Power-PC unter Windows NT zu portieren. Bull will in Zukunft Windows NT und AIX auf den Escala-Maschinen anbieten.

Wie verbreitet NT mittlerweile in der Industrie ist, zeigt eine Liste von Herstellern, die ihre NT-Systeme für SAPs R/3 zertifizieren ließen: SNI, HP, IBM, Compaq, NCR, Bull, DEC, Data General, Sequent und Zenith. Maschinen von Dell, Fujitsu und Hitachi durchlaufen derzeit die entsprechenden Tests.

Einzig Sun Microsystems weigert sich bislang beharrlich, Produkte mit NT anzubieten, wenngleich man sich darüber im klaren ist, in Zukunft mit NT kooperieren zu müssen.