CAs Marketing-Erfolg mit positiven Nebenwirkungen für Anwender

HP-Server enthalten künftig Openview und Unicenter

01.08.1997

Vielleicht wurde den HP-Managern von höchster Stelle ein Maulkorb angelegt, so daß sie auf der CA-World nicht über "Openview" sprechen durften. In jedem Fall erwähnten sie nicht, daß allen Servern neben dem angekündigten "CA-Unicenter"-Framework auch eine Version der eigenen System-Management-Plattform Openview beiliegt. Käufer von HP-UX- und vermutlich auch Windows-NT-Maschinen haben demnach die Wahl zwischen zwei vorinstallierten Management-Lösungen.

"Ich würde mir sicher beide Produkte anschauen," reagierte Michael Klie, Systemadministrator beim Bundessortenamt in Hannover, auf die Ankündigung von CA und HP. Die Behörde, die etwa 250 PC- und Terminal-Arbeitsplätze mit sechs HP-UX-Servern versorgt, plant derzeit, die Openview-Umgebung unter Unix auf Windows NT zu bringen.

Auch Joachim Beyer, als Leiter des Referats DV- und Netzwerkbetrieb bei der Hannover Rückversicherungs AG zuständig für die Unix-Server und die Netzwerke, würde das Schnupperangebot wahrnehmen. "Unicenter ist eines der wenigen großen integrierten Produkte, die verfügbar sind", erläutert der Openview-Anwender. "So etwas wird man immer unter die Lupe nehmen müssen." Regelmäßig beobachtet der Fachmann auf der CeBIT Alternativprodukte, hat der HP-Plattform bisher aber die Treue gehalten. Mit der Auslieferung zweier konkurrierender Produkte mit jedem neuen HP-Server könnte sich Beyer künftig den Weg zur Messe sparen und vor Ort eine Vorauswahl treffen.

"Es ist doch durchaus positiv, wenn der Kunde die Möglichkeit hat, aus der Box heraus sein System zu überwachen", lobt Gerhard Haberstroh, zuständig für das Vertriebs-Marketing des IT-Managements bei HP in Böblingen, den dualen Ansatz. "Das kann er mit Openview oder mit Unicenter TNG machen." Einer Integration beider Produkte erteilt er aber eine klare Absage: "Das ist eine Entweder-oder-Entscheidung, denn wir adressieren auch den System-Management-Bereich."

Somit zielen die Partner CA und HP vornehmlich auf Neukunden, denn ein komplettes System-Management zu installieren ist immer ein umfangreiches Projektgeschäft. "Ein Wechsel dürfte nicht so einfach zu bewerkstelligen sein, dafür wirken zu viele Komponenten zusammen", bestätigt der IT-Manager der hannoverschen Versicherung. "Wir haben einmal eine strategische Entscheidung gefällt und damals eine Komplettausschreibung des gesamten RZ-Betriebs gemacht." HP habe seinerzeit den Zuschlag bekommen, nicht nur weil die Hardware gut sei, sondern auch weil eine brauchbare System-Management-Plattform angeboten wurde, schildert Beyer die Hintergründe der Wahl.

Weil derartige Installationen sehr aufwendig und meistens mit Beratung, Support und Projektbegleitungen verbunden sind, sieht Andreas Zilch, Research Director bei der Meta Group in München, einen Marktvorteil für die HP-Lösung Openview. "Die HP-Verkäufer haben seit Jahren Openview vertrieben. Damit kennen sie sich aus. Sie werden ihren Kunden nicht CA-Unicenter empfehlen", lautet seine Einschätzung. Erst wenn es CA gelingen sollte, die mächtige Dienstleistungsorganisation innerhalb des HP-Konzerns für Unicenter zu gewinnen, könnte der Deal erfolgreich verlaufen.

CA muß also neben der ausgelösten Marketing-Kampagne auch Überzeugungsarbeit im HP-Vertrieb leisten, damit HP-Kunden Unicenter installieren. Das dürfte schwerfallen, denn die Software-Division von HP hat ihrerseits Maßnahmen in die Wege geleitet, Openview attraktiver zu gestalten.

"HP legt den Schwerpunkt der Entwicklung derzeit auf das Service-Management", weiß Petra Borowka, Gesellschafterin der Comconsult Kommunikationstechnik GmbH in Aachen. Aus eigener Erfahrung kann sie berichten, daß Formulierung, Definition und Nachweisbarkeit von Service-Level-Agreements ein aktuelles Problem der zunehmend als Profit-Center organisierten IT-Abteilungen sind. "Die HP-Strategie, mit der sich der Hersteller gegenüber Mitbewerbern abzugrenzen versucht, macht also Sinn", lautet das Urteil der Spezialistin.

Des weiteren hat HP das Programm "Openview Ready" aufgesetzt, bei dem alle Server, die mit Openview-Kernfunktionen vorinstalliert sind, entsprechend gekennzeichnet werden. Diese Marketing-Aktion ist jedoch kein Alleinstellungsmerkmal, denn CA verfolgt mit dem Programm "Unicentered" ähnliche Ziele. Zudem kann der Konkurrent Verträge mit mehr als einem Dutzend Server-Herstellern vorweisen, die künftig ihre Geräte mit dem vorinstallierten Framework ausliefern. CA-CEO Charles Wang hofft, aufgrund dieser Kooperationen innerhalb der nächsten zwölf Monate 1,5 Millionen Frameworks ausliefern zu können. HP konnte bisher lediglich Dell als Partner gewinnen.

Diese Diskrepanz muß keine Rückschlüsse auf die installierten Vollversionen zulassen, doch Unicenter ist in vielen Fällen näher am Kunden. Der kann sich ohne Mehrkosten zumindest einen Eindruck von der Plattform verschaffen. Ob es schließlich zu einem Projekt mit dem Ziel kommt, eine komplette integrierte System-Management-Plattform zu installieren, ist offen, denn bei Vorhaben in dieser Größenordnung entscheidet schließlich die Eignung für die vorhandene IT-Umgebung.

Entscheidend ist die zu verwaltende IT

"Die Kunden rennen doch nicht blind in ein solches Projekt", hofft Haberstroh auf Zuspruch der Anwender für Openview. HP sieht sich selbst als Marktführer im Client-Server-Umfeld. "Traditionell hat HP seine Stärken im Netzwerk-Management, erst später wurden System-Management-Elemente hinzugefügt", beschreibt Borowka den Werdegang von Openview. Unicenter von CA, einem in der Mainframe-Welt verwurzelten Unternehmen, komme aus dem Bereich System- und Host-Management und habe Teile des Netz-Managements integriert. Die enge Bindung zwischen HP und CA ziele auf die Konkurrenz aus dem IBM-Lager, vermutet Borowka. Schließlich habe "TME/10" von der IBM-Tochter, die dritte wichtige Plattform für integriertes System-Management, noch Defizite bei der Zusammenführung der IBM-Host-Lösungen "Netview" mit dem Framework von Tivoli.

Derartige Charakteristika entscheiden mehr über die Eignung der Plattformen für die eigene IT-Installation. Ein auf den Servern vorinstalliertes Framework, also eine rudimentäre System-Management-Lösung, dürfte bei großen Projekten deshalb kein ausschlaggebendes Kriterium für die Wahl einer integrierten Lösung sein.