Ballmer muss sich vor Anwendern rechtfertigen

Hohe Softwarepreise verhelfen Microsoft zu solider Quartalsbilanz

27.10.2000
MÜNCHEN (CW) - Nach Gewinnwarnungen von Dell und Intel hatten Analysten ihre Erwartungen an Microsofts Quartalsergebnis bereits zurückgeschraubt. Zu früh, wie sich zeigte: Die Gates-Company legte ein solides Resultat vor. Was den Aktionären gefällt, ist den Kunden ein Dorn im Auge. Sie fühlen sich ausgebeutet.

Im ersten Quartal des Geschäftsjahres 2001 steigerte Microsoft den Nettogewinn um 18 Prozent von 2,19 Milliarden Dollar im Vorjahr auf 2,58 Milliarden Dollar. Allerdings war das Unternehmen im abgelaufenen Berichtszeitraum zu neuen Bilanzierungsverfahren gezwungen, in denen die Absicherung von Fremdwährungspositionen berücksichtigt werden musste. Damit reduziert sich der Nettogewinn um 375 Millionen Dollar auf 2,21 Milliarden Dollar und liegt etwa auf Vorjahreshöhe.

In der Finanzwelt kam diese Zahl dennoch gut an. "Der Profit ist höher als erwartet ausgefallen, und auch die Umsatzentwicklung ist positiv", erklärte Investment-Banker Scott McAdams von McAdams Wright Regan in Seattle. Microsoft hatte die Einnahmen des Vorjahres um knapp acht Prozent auf 5,8 Milliarden Dollar gesteigert.

In der Wirtschaftspresse mischten sich derweil freundliche und skeptische Töne. Zwar lag der Ertrag mit 46 Cent je Aktie um fünf Cent über den Erwartungen der meisten Wallstreet-Analysten, doch hatte Microsoft sich im Berichtszeitraum von Firmenanteilen und Investments getrennt und damit den Nettoertrag um zirka drei Cent je Aktie künstlich erhöht. Positiv wirkte sich jedoch die Ankündigung von Microsofts Finanzchef John Connors aus, der ein starkes zweites Fiskalquartal prognostizierte und den Analysten empfahl, ihre Gewinnerwartungen für das Gesamtjahr ruhig um ein paar Cent zu erhöhen.

Was Microsofts Aktionären gefällt, kommt den Kunden weniger entgegen, sind sie doch mit ständig steigenden Produktpreisen konfrontiert. Auf einer Konferenz der Gartner Group in Orlando, Florida, musste sich Microsofts Chief Executive Officer (CEO) Steve Ballmer dazu unangenehme Fragen gefallen lassen. Analyst Tom Austin rechnete dem Gates-Nachfolger vor, in den vergangenen fünf Jahren habe der durchschnittliche Kunde einen Preisanstieg von schätzungsweise 300 Prozent verkraften müssen.

Ballmer: Gute Produkte haben ihren PreisBallmer begründete die Preispolitik einem Bericht des Nachrichtendienstes "Computerwire" zufolge mit der Erklärung, gerade im Enterprise-Umfeld rechtfertigten die zusätzlichen Funktionen den Preisanstieg. Zu den hohen Kosten im Office-Bereich sagte er: "Wir spüren die Konkurrenz durch Produkte wie Star Office von Sun sowie durch unsere eigene installierte Basis. Keiner von diesen Anwendern würde auf unsere neue Desktop-Konfiguration migrieren, wenn sie es nicht wert wäre." Generell sei es aber richtig, dass Microsoft die Mittel benötige, um den Einstieg in die Unternehmens-DV zu finanzieren. Das sei auch im Interesse der Kunden.

Ob die Erschließung des Highend-Marktes gelingt, ist die zentrale Frage, mit der sich zahllose Analysten auch nach der Präsentation der Quartalszahlen beschäftigten. Microsofts Finanzchef Connors sagte dazu: "Wir erwarten, dass Unternehmensplattformen und Services schneller wachsen werden als das Desktop-Geschäft, aber etwas langsamer als der Bereich Consumer-Services." Chef-Controller Scott Boggs ergänzte, das Microsoft-Management wäre enttäuscht, wenn im Unternehmenssegment nicht irgendwann in nächster Zeit eine 20-prozentige Wachstumsquote zustande käme.

Mit Windows 2000 Professional, dem im Februar erschienenen Nachfolger von Windows NT Workstation, will Microsoft zuletzt bereits starkes Umsatzwachstum erzielt haben. Nach Angaben von Boggs entfallen schon 30 Prozent der Betriebssystem-Einnahmen auf dieses Produkt. Gut angelaufen sei auch das Geschäft mit dem neuen SQL Server 2000, der im August herausgebracht worden war.