Heftige Kritik von Apple-Chef Michael Spindler Tuningprobleme zwischen Win 95 und Intel-Technik

28.07.1995

MUENCHEN (wm) - Windows 95 wird auf Intels P6-Prozessor vorerst nur um etwa zehn Prozent schneller laufen als auf dem Vorgaenger, dem Pentium-Chip. Bremsend wirken alle Teile des Betriebssystems, die mit einem 16-Bit-Datenmodell arbeiten oder die, wie die Funktionsbibliothek Graphical Device Interface (GDI), gar im 8- Bit-Modus auf die Register des Prozessors zugreifen.

Um kompatibel mit aelteren Programmen und Prozessoren zu sein, musste Windows 95 zum Teil in einer 16-Bit-Programmiersprache geschrieben werden, teilt der amerikanische Windows-Guru Andrew Schulman in seinem Buch "Unauthorized Windows 95" mit. Genau diese Elemente aber machen dem Pentium-Nachfolger P6 zu schaffen: Die Datenbanksoftware Paradox, Version 5.0, und die Tabellenkalkulation Lotus 1-2-3, Version 5.0, laufen auf dem P6 mit einer Taktrate von 150 Megahertz gerade mal zehn Prozent schneller ab als auf einer Pentium-CPU mit einer Taktrate von 100 Megahertz. Bei Microsofts Textverarbeitung Word 6.0 bringen beide Prozessoren gar die gleiche Leistung.

"Die Parallelverarbeitung innerhalb des P6-Prozessors wird von zwei Befehlen lahmgelegt: der 8-Bit-Register-Operation und einer Neuberechnung der Segmentadressen", erklaerte Lew Paceley, Marketing-Direktor fuer Intels P6-Prozessor. 16-Bit-Code finde sich an mehreren Stellen in Windows 95, groesster Hemmschuh seien aber die 8-Bit-Befehle im GDI-Modul. Viele Bueroprogramme wie Excel machten intensiven Gebrauch von den GDI-Funktionen, sagte Paceley weiter, und der P6 als 32-Bit-Prozessor koenne dann keine Spitzenleistung bringen.

Das werde sich erst bessern, wenn die heute erhaeltliche Software auf ein 32-Bit-Datenmodell umgestellt werde.

"Die Zeit arbeitet fuer uns. Schon Anfang naechsten Jahres wird fuer Windows 95 voraussichtlich mehr 32-Bit- als 8- oder 16-Bit- Software angeboten. Und bis Ende naechsten Jahres werden 80 Prozent aller neu verkauften Programme mit einem 32-Bit-Datenmodell arbeiten", prophezeite Paceley mit Bezug auf Zahlen des Marktforschungsinstituts IDC. Ausserdem werde der P6 wahrscheinlich zuerst in Server-PCs unter einem 32-Bit-Betriebssystem wie Windows NT oder OS/2 eingesetzt, fuer die es heute schon eine Reihe von 32- Bit-Programmen gebe.

Heftige Kritik an den Neuentwicklungen von Intel und Microsoft hatte eine Woche zuvor Apple-Boss Michael Spindler geaeussert. "Windows 95 bietet nichts Neues in der Computertechnik." Diese Version des Betriebssystems sei zwar an einigen Stellen besser als die vorherige, doch eben diese Teile seien mit besonderer Vorsicht zu geniessen.

Intel baue mittlerweile seine Position am Markt immer weiter aus und umgebe sich mit Firmen, die wirtschaftlich abhaengig seien. "Intel beliefert heute Dell, Gateway 2000 und Packard Bell mit kompletten Hauptplatinen. Diese verschaffen den Anbietern einen Vorteil gegenueber Herstellern wie Compaq oder AST, die ihre Platinen selbst konstruieren und dazu die Forschung und Entwicklung vorfinanzieren muessen", erlaeuterte Spindler. Da Intel die Preise fuer die Prozessoren staendig reduziere und die PC- Hersteller zwinge, diesen Preisvorteil auch an die Endkunden weiterzugeben, koennten viele PC-Hersteller eine eigene Forschungsabteilung nicht mehr finanzieren.