Hardware aus Deutschland – ohne Zukunft?

13.11.2003
Von 
Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.

Was die Konkurrenzsituation noch verschärft, ist die Tatsache, dass es keine sicheren Rückzugsräume und -märkte mehr gibt, auf die sich die Hersteller verlassen und aus denen sie Kraft schöpfen können. Die Branchenkrise erfordert von allen Beteiligten große Flexibilität und die Fähigkeit, in kurzer Zeit alte Tugenden über Bord werfen und neue Geschäftsfelder besetzen zu können. Das Massengeschäft ist harten internationalen Regeln unterworfen, und auch die Nischen erodieren zusehends. Fehltritte werden in der Regel sofort bestraft: "Wenn Sie die richtigen Preispunkte verpassen", warnt FSCs Deutschland-Geschäftsführer Ulrich Kemp, "sind Sie für eine gewisse Zeit aus dem Geschäft raus."

"Raus", und sei es auch nur für einen Monat, kann sich ein Unternehmen im Massenmarkt nicht leisten. Wer aus den ersten fünf Plätzen der Quartalsstatistiken von IDC und Gartner fällt, hat ein ernstes Problem - zumindest in der Öffentlichkeit. Meist sind Lieferanten im Endkundengeschäft von der Gunst weniger Handelsketten abhängig. Dies kann kurzfristig zu heftig steigenden Absatzzahlen führen, birgt gleichzeitig aber auch die Gefahr eines überraschenden Einbruchs. Der österreichische Notebook-Hersteller Gericom etwa - Massenanbieter in einer Nische - profitierte im vergangenen Jahr davon, "dass sie im richtigen Moment am richtigen Platz waren", kommentiert Gartner-Analystin Meike Escherich. Als die anderen Lieferanten ebenfalls Desktop-Prozessoren in mobile Rechner einbauten, wurde Gericom wegen des geringeren Einkaufsvolumens schlicht die Luft abgedrückt. "Besser geht es Firmen, die nicht alles auf eine Karte gesetzt haben", sagt Escherich.

Im dritten Quartal schrumpften die Umsätze der Linzer nach vorläufigen Zahlen auf etwa 90 Millionen Euro. Ein Jahr zuvor hatten sich die Einnahmen noch auf 134 Millionen Euro belaufen. Das Unternehmen begründete dies mit einer anhaltenden Kaufzurückhaltung der Konsumenten - im gleichen Zeitraum konnte aber FSC seinen Notebook-Absatz in Deutschland laut Gartner um 148 Prozent steigern, Acer sogar um 212 Prozent. Wer Markenware oder No-name-Produkte für den gleichen Preis bekommen kann, greift eher wieder zu den bekannten Anbietern.

Zwischen Mehrwert und Volumen

In einer Nische haben Hersteller den Vorteil, dass sie für einen gewissen Zeitraum monopolistisch auftreten können - bis die Konkurrenten auf den gleichen Zug aufgesprungen sind. Müssen sie sich dann die Nische teilen, leiden Umsatz und Ertrag; es fehlen zumeist die Reserven, um die Dürreperiode zu überstehen. Chancen haben die kleinen Anbieter nur, wenn sie einen wie auch immer gearteten Mehrwert anbieten können, den sie sich bezahlen lassen, oder sie müssen die ominöse "kritische Masse" erreichen. Dazwischen ist kaum noch Platz: "Der Teil der ,übrigen Anbieter' in den Tortengrafiken zum PC-Markt wird immer kleiner", sagt Gartner-Analystin Escherich, die eine große Konsolidierungswelle ab dem ersten Quartal 2004 erwartet.

Vor allem die kontinuierlich sinkenden Preise für Desktops, Notebooks und Standardserver bereiten den Herstellern schlaflose Nächte. "Wie will ein Anbieter kompensieren, wenn der Durchschnittspreis eines Notebooks innerhalb eines Jahres von 2000 Euro auf 1600 Euro fällt?", fragt sich nicht nur Maxdata-Chef Holger Lampatz. Im Geschäftskundenbereich sei der Preisverfall sogar noch größer, da man die Rechner nicht beliebig mit modernen Grafikkarten und DVD-Brennern ausstatten könne. Dass sich in diesem Spannungsfeld der Markt konsolidiere, ist für Lampatz nur "natürlich".