Gut vorbereitet - ERP-Wechsel geglückt

18.04.2008
Von 
Vice President Software & SaaS Markets PAC Germany
Friwo Power Solutions hat veraltete AS/400-Applikationen abgelöst. Da im Vorfeld viel in die Datenmigration investiert wurde, blieben beim Systemumstieg böse Überraschungen aus.

Zu den Kunden von Friwo Power Solutions aus Ostbevern zählen Firmen aus der Medizintechnik, der ITK-Branche sowie Hersteller von Haushaltsgeräten und mobilen Werkzeugen. Diese Firmen ordern speziell gefertigte Netz- und Ladegeräte, und zwar weltweit. Der mittelständische Industriebetrieb gehört zur Friwo Gruppe, die wiederum Teil der Holding Ceag AG mit Sitz in Bad Homburg ist. Vor der ERP-Migration betrieb Friwo an den Standorten in Deutschland, den USA und China verschiedene Softwarelösungen. Hauptsächlich stützten sich die Geschäftsprozesse auf eine Software des mittlerweile zu Infor gehörenden Anbieters Brain am deutschen Hauptsitz. Das Produktionsplanungs- und -steuerungssystem (PPS) auf Basis der Midrange-Rechnerplattform "System i" (AS/400) von IBM war in die Jahre gekommen und nicht geeignet, internationale Abläufe abzubilden. Zwar lief auch die Finanzbuchhaltung "MAS 90" wie die PPS-Lösung auf der AS/400, war jedoch nur rudimentär damit gekoppelt. "Unser Brain-System war jahrelang massiv modifiziert worden, und wir waren praktisch nicht mehr Release-fähig. Da gab es goldene Wasserhähne für jeden Schreibtisch", erläutert Frank Smolka, interner Projektleiter für die ERP-Einführung.

Aus diesen Gründen begab sich Friwo auf die Suche nach einer neuen Software, die Fertigungssteuerung und Rechnungswesen vereinen sollte. Das Unternehmen suchte eine Software, die es zunächst in Deutschland implementieren und danach in andere Niederlassungen ausrollen konnte. Außerdem standen auf der Wunschliste Mehrsprachigkeit sowie die Möglichkeit, den Datenbestand für die weltweiten Nutzer zentral zu verwalten.

China: Der Staat und sein Steuersystem

Wenn die Niederlassung von Friwo in China Waren an ein chinesisches Unternehmen in der Landeswährung verkaufen will, ist sie verpflichtet, eine vom Staat vergebene Nummer für die Rechnung zu nutzen. Die ERP-Software muss diese Nummernkreise abbilden und mit dem externen Rechner, auf dem das regierungseigene "Golden-Tax"-System läuft, integrierbar sein.

Dies gilt jedoch nicht, wenn die Firmentochter einen anderen ausländischen Konzern wie etwa den Haushaltsgerätehersteller Braun beliefert. Da dann in Dollar abgerechnet wird, entfällt der chinesische Sonderweg.

Insgesamt evaluierte das Projektteam über 15 Monate hinweg mehrere ERP-Lösungen. In die engere Wahl kamen die Hersteller SAP, Microsoft mit Dynamics AX und IFS. "Damit wir den drei Herstellern auf den Zahn fühlen konnten und um die Arbeitsweise ihrer Systeme besser kennen zu lernen, mussten sie unsere Datenmodelle abbilden." Bei Dynamics AX beeindruckte Smolka zwar die technische Plattform, doch der Funktionsumfang war zumindest zu dem Zeitpunkt noch nicht so ausgereift. Beispielsweise fehlte das Angebotsmodul. SAP kam unter anderem wegen der hohen Einführungskosten nicht zum Zuge. IFS erhielt wegen des Funktionsumfangs und der Modularität der Software den Zuschlag. Friwo betreibt das neue ERP-System mittlerweile produktiv zentral in Ostbevern. Die weltweiten Standorte sind als Mandanten angelegt, dazu zählt seit Ende 2007 auch der chinesische Firmensitz.

Datenmigration schon während der ERP-Auswahl

Der Wechsel auf eine andere ERP-, Betriebssystem- und Datenbankplattform erfordert eine ausgeklügelte Datenmigration. Zudem betrat das Unternehmen auch bei der Systemverwaltung Neuland. "Einem Datenbankadministrator tut der Wechsel von der AS/400 mit integrierter Datenbank auf Windows und Oracle zunächst weh", sagt Smolka. In Sachen einfache Handhabung sei der IBM-Rechner unschlagbar.

Um böse Überraschungen zu vermeiden, bereitete Smolka schon während der ERP-Auswahl die Datenübernahme auf das neue System vor. Dies hatte zum Ziel, die Stammdaten noch im Altsystem zu bereinigen, um sie dann geordnet in die neue Business-Software überführen zu können. "Wir hatten in der computerwoche gelesen, dass 60 Prozent der ERP-Projekte an der Datenmigration scheitern, darum waren wir bei diesem Thema sensibel."

Bereinigung von Kundeninformationen

Zunächst untersuchten die Teammitglieder, ob der Datenbestand noch aktuell war. "Wir haben beispielsweise die Kunden angeschrieben, um Anschriften, E-Mail- und Web-Adressen zu überprüfen. Des Weiteren wurden Angaben zu Zahlungs- und Lieferbedingungen sowie Versandarten kontrolliert und im Altsystem aktualisiert." Die ins zukünftige System zu übernehmenden Informationen markierten die Experten entsprechend. Smolka entwickelte Programmroutinen, die auf der AS/400 Geschäftsinformationen in CSV-Dateien speicherten. Die ERP-Lösung "IFS Applications" verfügt über ein Migrationswerkzeug auf Grundlage der Oracle-Programmiersprache PL/SQL, mit der sich Altdaten satzweise in das neue ERP-Programm einlesen ließen. Smolka konnte sich mit dem IFS-Tool die Arbeit deutlich erleichtern, da es beispielsweise prüft, ob Daten schon einmal eingetragen worden sind. Zudem stellt das System logische Verbindungen zwischen den Datenbeständen her, so dass sie bereits nach der Übergabe zur Geschäftslogik der neuen Business-Lösung passten.

Bei der Einführung von IFS Applications wurden die Mitarbeiter mit den Standardfunktionen der ERP-Lösung vertraut gemacht. Erst nach dieser Einweisung fragten die IFS-Experten, ob noch Abläufe vorhanden waren, die nicht von den Standardmerkmalen des ERP-Systems abgedeckt wurden. "Bis auf Maskenanpassungen waren keine Eingriffe notwendig, vordefinierte Abläufe im System mussten wir nicht verbiegen", so Smolka.

Derzeit nutzt das Unternehmen IFS Applications 2004 mit Service Pack 3. Friwo will auf die Version 7.5 migrieren, jedoch steht die vor einigen Monaten vom ERP-Anbieter angekündigte neue Benutzeroberfläche Aurora wohl nicht mehr in diesem Jahr zur Verfügung. Das künftige IFS-Frontend bietet eine komplett Browser-basierende Bedienung mit integrierter Suchfunktion. Die Anwender nutzen das ERP-System heute über einen Windows-Client. Benutzer in anderen Niederlassungen starten das Desktop-Programm über Citrix-gestützte Terminal-Server. Ein Industriebetrieb in Polen arbeitet für Friwo als "verlängerte Werkbank". Hier wurden die polnischen Kollegen ebenfalls mit ERP-Clients ausgestattet.

Fertigungsprojekte und Aufträge steuern

Mit der IFS-Lösung führte Friwo auch neue Abläufe ein. Dazu zählt ein ERP-basierendes Projekt-Management. Über das Modul lässt sich nun Material auf eine Kostenstelle für ein Projekt buchen und gleichzeitig in der Finanzbuchhaltung (Fibu) entsprechend kontieren. Zudem sind das PPS und die Fibu nun gut integriert, da beides Teil des ERP-Systems ist. Zuvor gab es zwischen dem AS/400-gestützten Brain-System und der Buchhaltung MAS 90 nur eine File-Schnittstelle. Materialbewegungen wurden des Nachts zwischen beiden Systemen abgeglichen. "Wenn wir früher im Mahnungslauf eine offene Kundenrechnung hatten, mussten wir von der Fibu in die Brain-Software wechseln, um den entsprechenden Kundenauftrag zu finden." Heute geht das, wie bei vielen anderen integrierten ERP-Suiten auch, innerhalb einer Anwendung. "An manchen Stellen ist zwar der Aufwand gestiegen, da wir die ERP-Software mit zusätzlichen Daten füttern müssen, dafür erhalten wir aber wertvolle Informationen für unsere tägliche Arbeit." Zugute kommt den Nutzern aller Standorte auch das zentrale Instrument für die Auftragssteuerung. "Anwender können sich nun anderen Aufgaben widmen, entlassen wurde keiner."

Key User für das ERP-Unterfangen freigestellt

Wie so oft gelang das Projekt nicht zuletzt deshalb, weil der Anwender für die Projektbeteiligten die nötigen Freiräume schuf. Für die Gestaltung der ERP-gestützten Prozesse der Auftrags- und Fertigungsplanung wurde ein Mitarbeiter sogar komplett freigestellt. "Das war ein guter Schachzug des Unternehmens, denn mittlerweile ist der Kollege in unserer IT-Abteilung", so Smolka. Die Vorgesetzten haben sich dazu verpflichtet, die Key User "nach besten Kräften freizustellen". Eine entsprechende Vereinbarung hatte die Personalabteilung aufgesetzt.

Der Produktivstart verlief reibungslos. Smolka führt dies auf die gute Projektvorbereitung zurück. Eine Mitarbeiterin aus der Öffentlichkeitsarbeit hatte alle Kollegen regelmäßig über den Status des Projekts auf dem Laufenden gehalten. Zur Inbetriebnahme wurde allen Mitarbeitern das neue System in einer groß angelegten Präsentation vorgeführt. "Widerstände kamen trotzdem von Leuten, die sich an die alte Softwareumgebung und deren Bedienung gewöhnt hatten. Solche Diskussionen kann man nicht verhindern", so der IT-Experte. Ihm zufolge gab es aber zumindest niemanden, der sich komplett gegen das System sträubte.