Grabgesang für OS/2?

04.10.1996

Taktisches Meisterstück oder Ritt auf der Rasierklinge - IBMs Abschied von der Windows-Welt ist "noch mehr", als Deutschland- Geschäftsführer Richard Seibt zu erkennen gibt: ein Paradigmenwechsel. Es ist das letzte Aufbäumen in einem jahrelangen Kampf gegen einen Rivalen, der sich zwar im Marketing hoch überlegen zeigte, Big Blue in technologischer Hinsicht aber nie das Wasser reichen konnte. Trotz - im Vergleich zu Windows - exzellenter Technologie hat es die IBM nie geschafft, dem Erzfeind Microsoft nennenswerte Marktanteile abzunehmen. Auch die Anfang des Jahres von Louis Gerstner verordnete Marketing-Strategie, um jeden Preis OS/2-Entwickler zu gewinnen, scheiterte. Big Blues Plan, Windows den Scheidebrief zu geben und mit Java zu neuen Ufern aufzubrechen, klingt abenteuerlich und logisch zugleich: Der Aufwand, OS/2 permanent für den Support von Windows-Applikationen zu modifizieren, war für das von einst 400000 Angestellten auf mittlerweile knapp 210000 Köpfe geschrumpfte Unternehmen kaum mehr tragbar. Ein gerüttelt Maß dazu beigetragen hat natürlich Microsoft, das mit konstanten Richtungswechseln und technologischen Stolpersteinen in seiner API-Strategie immer wieder eine sinnvolle Zusammenarbeit verhinderte. Während manche Anwender nun bereits den Grabgesang auf OS/2 anstimmen, hofft die IBM auf eine Reinkarnation.ade