Geschaeftsfuehrer weist Vorwuerfe wegen unlauteren Wettbewerbs zurueck Microsoft: "Wir wehren uns nur gegen Softwarepiraterie"

18.06.1993

Die Geschaeftspraktiken von Microsoft wecken die Befuerchtung, das Unternehmen missbrauche seine marktbeherrschende Position. Sowohl in den USA als auch in England laufen Nachforschungen wegen unlauteren Wettbewerbs. Zu diesen Vorwuerfen nahm Microsoft- Geschaeftsfuehrer Jochen Haink im Gespraech mit den CW-Redakteuren Jan-Bernd Meyer und Hermann Gfaller Stellung.

CW: Microsoft werden immer wieder unfaire Praktiken vorgeworfen. Wie ist der Stand der Dinge bei der Untersuchung der US- Kartellbehoerde Federal Trade Commission, die derzeit prueft, ob die Geschaeftspraktiken ihres Unternehmens eine Anklage wegen unfairen Wettbewerbs rechtfertigen?

Haink: Die Untersuchung ist nicht soweit gediehen, dass das FTC eine Empfehlung fuer oder gegen die gerichtliche Verfolgung der Vorwuerfe geben koennte. Das ist der Status.

CW: Es gibt auch noch die Untersuchung des britischen Unterhauses, in deren Rahmen geklaert wird, ob Microsoft seine Marktmacht benutzt, um die OEMs unter Druck zu setzen. Der Hauptvorwurf lautet, dass Ihr Unternehmen Preise vereinbart, die niedriger sind als der regulaere Wiederverkaufspreis, wenn sich der Haendler bereit erklaert, ausschliesslich ihre Systemsoftware vorzuinstallieren.

Haink: In Verruf geraten ist diese Praxis durch den massiven Preisdruck auf die PC-Hersteller. Da bedeuten 30 Dollar fuer eine Softwarelizenz viel Geld. Dadurch ist ein grosser Druck auf die Preise fuer die Grundausstattung von Rechnern mit Software entstanden. Wir haben uns entschieden, besonders guenstige Konditionen einzuraeumen, wenn unsere Systemsoftware auf saemtlichen Rechnern vorinstalliert wird. Bei Anwendungen gehen wir anders vor. Zwar werden auch sie gegen Aufpreis mit der Hardware ausgeliefert. Der Kunde behaelt aber immer die Option, darauf zu verzichten. Bei der vorinstallierten Systemsoftware liegt der Vorteil fuer den Wiederverkaeufer im guenstigen Einkaufspreis, die Anwender umgehen moegliche Installationsprobleme, und wir koennen mit konkreten Absatzzahlen kalkulieren. Der Nachteil ist, dass hier ein fester Kostenbestandteil an den Endkunden weitergegeben werden muss.

Dieses Verfahren wurde problematisch, weil der Konkurrenzdruck dazu fuehrte, dass die Differenzierung der Anbieter ueber die Softwarepreise erfolgte. In der Folge stellte ein Software- Anbieter zum Beispiel 30, ein anderer nur sieben Dollar pro Lizenz in Rechnung. Hinzu kam, dass es unmoeglich wurde, realistische Preise etwa fuer MS-DOS zu verlangen, da die Endkunden bei hohen Preisen zu einer Raubkopie des Betriebssystems gegriffen haetten.

Diese Situation hat dazu gefuehrt, dass Anbieter ihre Software gebuendelt haben, so dass Wiederverkaeufer heute fuer 200 Mark zusaetzlich zum Rechner ein ganzes Paket an Anwendungssoftware mitliefern koennen.

Aber zurueck zur Systemsoftware. Gegen die Verluste durch Raubkopien koennen wir uns nur wehren, wenn der Wiederverkaeufer auf allen seinen Rechnern nur unsere Produkte ausliefert. Damit tun wir nichts, was nicht auch die Mitbewerber tun, nur werden wir sofort bezichtigt, die Konkurrenz aus dem Markt druecken zu wollen.

CW: Aber Sie geben zu, dass die Wirkungen dieser Praktik bei Microsoft weit dramatischer sind als bei anderen Anbietern. Wird ein Wiederverkaeufer zu einer Entscheidung zwischen DR-DOS und MS- DOS gezwungen, dann bleibt ihm keine Wahl, denn auf das Microsoft- Betriebssystem kann er nicht verzichten. Fuer den Mitbewerber bedeutet diese Situation das Aus.

Haink: Natuerlich hat so eine Exklusivitaetsklausel bei einem kleinen Anbieter eine andere Wirkung als bei einem grossen. Aber das kann doch nicht bedeuten, dass wir tatenlos den Aktivitaeten der kleineren Mitbewerber zusehen muessen. Ich kenne drei Beispiele, wo PC-Herstellern Software umsonst angeboten wurde, damit sie fertig installiert ausgeliefert an den Endkunden kommt.

CW: Was die Konkurrenz Ihnen vorwirft, ist, dass Sie die Preise massiv anheben, wenn ein Wiederverkaeufer sich nicht bereit erklaert, alle Systeme mit ihren Betriebssystem-Produkten auszuliefern. Damit verteuern Sie indirekt den Preis der Konkurrenzprodukte. Schliesslich muss er ja nicht nur den vielleicht vergleichbaren Preis des Mitbewerbers zahlen, sondern auch noch Ihre Preissteigerung drauflegen. Da wird es fuer ihn schnell unrentabel. Ist das nicht ein bewusstes Mittel, um Wettbewerb auszuschalten?

Haink: Dieser Vorwurf trifft nur dann, wenn wir sagen wuerden, dass der Wiederverkaeufer nur noch unsere Produkte verkaufen darf. Aber das tun wir nicht. Die Vertraege gelten immer nur fuer bestimmte Rechnermodelle, wie etwa die Laptop-Palette eines Haendlers.

Ausserdem richtete sich unsere Vertragsgestaltung eigentlich gegen Softwarepiraterie. Durch die preisguenstige Draufgabe von zum Beispiel Windows sollte die Endanwender davon abgehalten werden, sich die Software durch Raubkopieren zu beschaffen. Wenn die Kunden das Betriebssystem und andere Software beim Rechnerkauf bekommen, so unsere Erfahrung, sind sie viel eher bereit, dafuer zu bezahlen.

CW: Dennoch wirkt sich diese Praktik der billigeren Exklusivvertraege so aus, dass ein Wiederverkaeufer es sich nicht leisten kann, fuer einen Rechner nicht das Betriebssystem des Marktfuehrers preisguenstig anzubieten.

Haink: Das ist aber erst seit wenigen Jahren so. Vobis hat ja gezeigt, dass man sowohl DR-DOS als auch MS-DOS erfolgreich im Angebot fuehren konnte. Das waren die Zeiten, in denen die heute noch gueltige Lizenzpolitik eingefuehrt wurde. Es war nicht unsere Absicht, jemanden aus dem Markt zu draengen.

CW: Aber genauso wirkt diese Verfahrensweise heute.

Haink: Wir haben sie aber nicht deshalb eingefuehrt. Unser Problem ist nach wie vor, dass ausserhalb des Corporate-Marktes zum Beispiel auf ein gekauftes Word fuer Windows sieben raubkopierte Versionen kommen.

CW: Es ist also nicht richtig, dass Microsoft zu einem Hersteller X gesagt hat: "Ihr duerft nur noch MS-DOS auf eure Rechner installieren, wenn Ihr den guenstigeren Preis haben wollt?"

Haink: Der Preis gilt fuer alle Rechner einer bestimmten Klasse. Wir wollten verhindern, dass die Endkunden beim Rechnerkauf durch Softwareverzicht Geld sparen, weil sie genau wissen, dass sie sich die Produkte auf andere Weise kostenlos besorgen koennen. Der Hersteller

konnte aber immer frei entscheiden, ob er zum Beispiel die DX- Systeme mit MS-DOS und die SX-PCs mit DR-DOS ausruesten wollte.

Es stimmt natuerlich, dass sich ein Hersteller heute fragen muss, ob es sich rechnet, ein zweites Betriebssystem im Angebot zu haben.

CW: Ein weiterer Vorwurf lautet, dass die Microsoft- Anwendungsentwickler einen ziemlich direkten Zugriff auf das Wissen der Betriebssystem-Spezialisten haben. Dadurch und durch das Verschweigen von APIs verschaffe sich Microsoft Vorteile gegenueber der Konkurrenz.

Haink: Bei den nicht offengelegten APIs handelt es sich um nichts besonderes. Das waren olle Kamellen, wie Aufrufe fuer alte DOS- Versionen, die ausser uns niemanden mehr interessieren. Manche waren auch nie dokumentiert, weil sie niemand benutzt hat. Wir haben doch jedes Interesse, die Windows-APIs offenzulegen, damit soviel Software wie moeglich fuer unsere Windows-Umgebung geschrieben wird.

CW: Anbieter von E-Mail-basierten Produkten befuerchten, dass Microsoft sie durch eigene Produkte vom Markt draengen wolle.

Haink: Es ist schon lange bekannt, dass wir dabei sind, E-Mail- Funktionen, genauer Messaging-Funktionen, in das Betriebssystem zu integrieren. Ueberhaupt werden langfristig alle Groupware-Produkte Betriebssystem-Bestandteile werden. Da gibt es Konsultationen mit anderen Unternehmen, und solange es bezahlbar ist, werden wir auch einige Techniken von Mitbewerbern uebernehmen.

CW: Besteht nicht die Gefahr, dass sich Microsoft bei solchen Konsultationen Techniken abschaut, anstatt sie zu kaufen? Entsprechende Vorwuerfe gibt es immer wieder. Stack Electronics und Micrografx sind hier nur zwei Beispiele.

Haink: Es waere kein Kunststueck, sich den Binaercode anderer Anbieter zu reassemblieren und zu kopieren. Wir ziehen es jedoch vor, solche Dinge finanziell zu regeln. Dabei werden wir jedoch immer wieder mit voellig ueberzogenen Forderungen konfrontiert, weil wir als besonders solventes Unternehmen gelten. Wenn es dann nicht zu einer Einigung kommt, dann entwickeln wir eben selber.

CW: Nun bietet Sun unter der Bezeichnung Wabi eine Windows-Binaer- Schnittstelle an, unter der Windows-Anwendungen ohne Windows- Umgebung laufen. Wird Microsoft das Unternehmen verklagen?

Haink: Wabi ist eine ganz andere Sache. Natuerlich sind wir dagegen, dass Sun hier etwas anbietet, was unser Windows obsolet macht. Hier endet unsere Bereitschaft zur Offenheit.

CW: Wir bedanken uns fuer das Gespraech.