Geld spielt keine Rolle: Der Support muss besser werden Online-Anwender bleiben mit ihren Problemen oft allein

21.07.1995

Fast alle grossen Soft- und Hardwarehersteller bieten ihren Kunden neben der Telefon-Hotline auch online Hilfe an. Ueber das World Wide Web (WWW) oder Anbieter wie Compuserve erhaelt der Anwender neben Rat und Tat neue Versionen seiner Software, Erweiterungen und den Zugriff auf relativ umfangreiche Archive, die Probleme und ihre Loesungen beschreiben. Das Stoebern in diesen Archiven ist heute mit wenigen Ausnahmen kostenlos - es fallen nur die Verbindungsgebuehren an. Ausserdem fragen nur wenige Hersteller nach der Seriennummer oder einem anderen Kaufnachweis. Zufrieden scheinen die Anwender mit der angebotenen Online-Hilfe dennoch nicht zu sein: Sie klagen ueber die zu langen Antwortzeiten der Online-Helfer und die oft wenig hilfreichen Auskuenfte.

Auf meine Anfragen bekam ich entweder keine oder lapidare Antworten, die nicht weiterhalfen. In allen Faellen konnte ich das Problem erst nach laengerem Suchen in den online verfuegbaren Dokumenten loesen", berichtet Christian Christof, der Geschaeftsfuehrer der deutschen Lotus-Notes-User-Group.

Ein Fall von vielen. Wer die Diskussionsbeitraege in den virtuellen Gespraechsrunden einmal ueberfliegt, stoesst immer wieder auf Ueberschriften wie "Wann bekomme ich endlich Antwort ????" oder "Problem xyz - zum dritten Mal". Einfach, preisguenstig und direkt soll der Online-Kontakt zu den Herstellern sein und ausserdem rund um die Uhr herzustellen, doch fuer eine schnelle und kompetente Hilfe garantiert niemand. "Den besten Support fuer echte Probleme liefern in der Regel Entwickler oder andere Leidensgenossen und nicht das Support-Personal, das meist nur aus den Handbuechern abschreibt", schildert Heinrich Steininger von der Wiener Softwarefirma "Kirchner-Soft" seine Erfahrungen. "ATI Technologies, zum Beispiel (Compuserve: GO GRVENA) antwortet freundlich, aber nur mit Standardantworten. Fragt man nach und liefert weitere Details zum Problem, dann reagiert der Support meist gar nicht mehr."

Mit der Qualifikation der Online-Helfer steht es tatsaechlich nicht zum besten. Microsoft beispielsweise sucht dieser Tage per grossformatige Anzeigen Mitarbeiter fuer den Support von Windows 95. Gefragt sind allerdings keine Betriebssystem-Spezialisten, sondern Aushilfen mit PC-Kenntnissen. Seit einer Umfrage der CW aus dem Jahr 1994 hat sich offensichtlich wenig veraendert: Von allen DV- Angestellten werden die Mitarbeiter in der Anwenderbetreuung am schlechtesten bezahlt.

Die loeblichen Ausnahmen im Support-Trauerspiel bilden hingegen die Bereiche fuer Software-Entwickler und kleinere Firmen, die nur mit Hilfe des Internets oder ueber Compuserve weltweit Hilfe anbieten koennen. "Das Diskussionsforum der amerikanischen Softwarefirma Linkright (Compuserve: GO OS2AVEN, Bibliothek 1) wird vom Chef selbst und gut betreut. Auch im OS/2-Developer Forum ist der Support in Ordnung, besonders gute Unterstuetzung gibt es auf Fragen zu Compilern oder zum System Object Model (SOM)", lobt Steininger. Das World Wide Web sei im Vergleich zu Compuserve etwas verspielt und mit Bildern ueberladen. Doch die, so Steininger, liessen sich ja relativ einfach ausblenden.

Ueber das World Wide Web ist zum Beispiel der amerikanische Kundendienst von Compaq, Dell oder IBM zu erreichen (siehe Internet-Adressliste). Bei Compaq koennen E-Mail-Anfragen direkt an den amerikanischen Kundendienst geschickt werden. Tauchen dort Anfragen zu deutschen Produkten oder Probleme mit einem hierzulande installierten PC auf, wird das Compaq Care Center in Muenchen verstaendigt und der Kunde dort an den telefonischen Kundendienst verwiesen. Laut Christoph Krzikalla, dem Leiter des Kundenbetreuungszentrums, trafen in diesem Jahr allerdings erst ganze fuenf Anfragen aus den Staaten ein. Zum Vergleich: Pro Tag erreichen den Compaq-Kundendienst in Deutschland rund 800 Telefonanfragen und 80 Faxe. Hinzu kommen rund zehn Anfragen ueber Compaq-Link, den Support-Zugang fuer Grosskunden, der ueber Lotus Notes abgewickelt wird. Weitere Informationen stehen den Kunden in einem Fax-Abrufsystem oder ueber "Quick Line" zur Verfuegung, eine Mailbox, aus der Updates und Hilfsprogramme per Modem abgerufen werden koennen.

Ob auch die hiesige Compaq-Niederlassung kuenftig online zu erreichen sein wird, sei noch nicht entschieden, erklaerte Krzikalla. Zur Zeit stehen ein eigener Bereich in "Btx Plus", dem kostenpflichtigen Zusatzdienst in Datex-J von der Firma 1&1, oder ein Internet-Zugang zur Diskussion.

Auch bei Dell gehen Anfragen ueber Internet oder Compuserve zuerst an die amerikanische Zentrale. Kann das Problem dort nicht geloest werden oder muss ihm gar ein Techniker vor Ort zu Leibe ruecken, reichen die amerikanischen Support-Mitarbeiter die Kundeninformation an die Niederlassung in Langen bei Frankfurt weiter. Wie Compaq erhebt Dell keine zusaetzlichen Gebuehren fuer die Online-Hilfe - weder ueber Internet noch via Compuserve. Anders als bei Compaq muss bei Dell aber die Seriennummer des Geraetes angegeben werden. Andernfalls laeuft die Anfrage ins Leere.

Einen anderen Weg geht man bei Apple mit dem firmeneigenen Online- Dienst "E-World" und der Support-Zeitung "Information Alley". Fuer den Service E-World entstehen wie bei Compuserve monatliche Gebuehren. Dafuer ist allerdings der Kundendienst kostenlos zu erreichen. Groesstes Manko: Hierzulande fehlen noch die Verbindungsrechner, wer heute in E-World stoebern will, muss ein Ferngespraech in die USA fuehren.

Die Kundenzeitung "Information Alley" ist dagegen an mehreren Stellen im Internet (zum Beispiel: http://www.info.apple. com/info.alley) oder ueber Compuserve (GO APLSUP) erhaeltlich. Seit anderthalb Jahren erscheint "Information Alley" 14taegig und erlaeutert Macintosh-Probleme. Direkter Online-Kontakt zu Apples Support-Mitarbeitern laesst sich allerdings weder via Internet noch ueber Compuserve herstellen. Besserung ist aber in Sicht: Auf dem deutschen WWW-Server von Apple findet sich der Hinweis, dass demnaechst eine Verbindung zum Support-Zentrum in Ismaning zur Verfuegung steht.

Der Telefon-Support von Microsoft hatte bei einer Untersuchung der Stiftung Warentest Anfang dieses Jahres gut abgeschnitten. Im Vergleich zu den Hotlines der Konkurrenz von Borland, IBM, Lotus, Novell und Star waren die Mitarbeiter von Microsoft "gut zu erreichen und beantworteten die Fragen richtig und fast immer auf Anhieb". Ein Urteil, das so auf die Compuserve-Dienste nicht zu uebertragen ist. Weder Christof von der deutschen Notes-User-Group noch Detlef Borchers, der die Leseranfragen in der CW bearbeitet, zeigten sich zufrieden mit der Arbeit des deutschen und des amerikanischen Microsoft-Kundendienstes. "Die Compuserve-Foren von Microsoft sind oft ueberlaufen. Der Kundendienst ist voellig ueberlastet", urteilt Borchers.

In einem sind sich die Anwender einig: Unisono fordern Christof, Steininger und Borchers fuer den Support besser qualifizierte und motivierte Betreuer. "Die Hersteller sollten sich entscheiden, ob sie diesen Online-Support weiter kostenlos anbieten wollen. Heute wird einem nur vorgegaukelt, dass man sich um die Anfragen kuemmert, doch in Wirklichkeit bleibt man mit seinem Anliegen oft allein", beschwert sich Christof.