Microsoft & Co. unter Innovationsdruck

Gehören File-Server zum alten Eisen?

25.07.2003
MÜNCHEN (ws) - Nach längerer Stagnation kommt Bewegung in den Markt für File-Services. Die traditionellen PC-Dienste wurden ursprünglich nicht für global vernetzte und mobile Anwender ausgelegt. Neue Anwendungsszenarien und die Konkurrenz durch Open-Source-Systeme setzen kommerzielle Hersteller nun unter Druck.

Datei- und Druckdienste gehören zu den ältesten und meistgenutzten Services im PC-Umfeld. Sie kommen dem Bedürfnis entgegen, Ressourcen wie Drucker oder Speicherplatz für viele Anwender gemeinsam nutzbar zu machen. Damit lässt sich bestehende Hardware effektiver nutzen und zudem die Administration vereinfachen. Als wichtigstes Motiv für die Einrichtung von File-Servern gilt aber, dass dort gespeicherte Daten für ganze Abteilungen oder Arbeitsgruppen zugänglich werden. Dieser propagierten Aufgabe als Informationsdrehscheibe wurden die oft als Datengrab verspotteten File-Server indes nie richtig gerecht.

Aufgrund der steigenden Nutzung mobiler Endgeräte sowie der Verbreitung von Internet-Techniken geraten diese für lokale Netzwerke entwickelten Techniken noch weiter ins Hintertreffen. Das liegt vor allem daran, dass die führenden Hersteller lange zögerten, diese Dienste weiterzuentwickeln und den neuen Anforderungen anzupassen. Darüber hinaus unterliegt ein Service spezifischen Einschränkungen, wenn er auf Dateisysteme aufsetzt. So wirken sich gerade in der Zusammenarbeit von Teams die primitiven Mittel für die Regelung von Zugriffskonflikten nachteilig aus. Allzu häufig gilt das Gesetz, dass sich derjenige Benutzer durchsetzt, der ein Dokument zuletzt speichert und damit bestehende Daten überschreibt. Ähnlich begrenzt erweisen sich oft die Möglichkeiten, Informationen auf Netzlaufwerken zu finden oder Daten mit Clients und anderen Servern zu replizieren.

Aufgrund der genannten Defizite weichen Anwender zum Gewinnen und Verteilen von Informationen auf andere Techniken aus (siehe Kasten "E-Mail statt File-Server?") und beschränken Datei-Server auf die Funktion einer gemeinsam genutzten Dateiablage. Weil Anwender die Bedeutung von Datendiensten als gering einschätzen, behalten sie für diese Funktionen häufig alte Systeme bei. So gehen etwa Analysten von Gartner davon aus, dass mehr als die Hälfte der Windows-Server noch unter NT laufen. Ähnliches dürfte auch für Novell gelten, wo sogar noch die über zehn Jahre alte Netware-Version 3.x in vielen Unternehmen ihren Dienst tut. Beim Update von File-Servern steigen viele Anwender auf freie Software um, weil die Kombination aus Linux und Samba derartige Basisfunktionen genauso erbringt.

Hersteller wie Microsoft und Novell versuchen, der schwindenden Bedeutung von Datei-Servern zu begegnen, indem sie nun verstärkt mit Neuerungen aufwarten. Dazu zählt etwa, dass beide neben traditionellen File-Server-Protokollen (SMB, NCP, NFS oder Apples AFP), die sich nur schlecht für das Internet eignen, dem auf HTTP basierenden WebDAV eine gleichwertige Position einräumen. Die in Windows-Clients als "Web Folder" ansprechbaren Server-Verzeichnisse beruhen auf dieser Technik. Daneben schenken beide Anbieter dem Bedürfnis nach Dateiabgleich zwischen Client und Server seit einiger Zeit Beachtung. Das kommt besonders Notebook-Besitzern entgegen, die ihre Daten auch offline bearbeiten wollen. Microsoft brachte derartige Funktionen bereits mit Windows 2000 unter dem Sammelbegriff "Intellimirror" auf den Markt, Novell nennt seinen mit Netware 6 eingeführten Synchronisierungsmechanismus "iFolder".

Frischer Wind dank Open Source

Nicht zuletzt unter dem Druck freier Software zeigt sich besonders Microsoft entschlossen, File-Services der Sphäre von Commodity-Software zu entziehen und durch weitere Innovation die Messlatte zu heben. Die Company hat großes Interesse daran, die Open-Source-Konkurrenz abzuschütteln, weil der weitaus überwiegende Teil aller Windows-Server für Datei- und Druckdienste eingesetzt wird. Der kürzlich erschienene Windows Server 2003 umfasst als wesentliche Neuerung "Shadow Copy", das bei jedem Speichervorgang unsichtbar für Endbenutzer eine neue Dokumentversion anlegt. Wird eine Datei versehentlich überschrieben, dann lässt sich die vorherige Version wiederherstellen.

Bei Audio- und Videodateien reicht es meist nicht aus, diese auf einer zentralen Festplatte zu speichern und wieder von dort zu öffnen. Derartige Informationen erfordern häufig die Übertragung als Datenstrom, der von Abspielprogrammen konsumiert wird. Entsprechend diesem erweiterten Verständnis von Dateidiensten packt Microsoft seit Windows 2000 die hauseigenen "Media Services" ins Betriebssystem. Als weitere logische Ergänzung zu derartigen Funktionen gehört die in den Server 2003 integrierte digitale Rechteverwaltung "Microsoft Windows Rights Management Services" (RMS).

Integration mit E-Mail

Die genannten Features eröffnen dem FileServer zwar ein weiteres Anwendungsspektrum, lassen ein wesentliches Problem aber unberührt: Dokumente sind in den meisten Unternehmen nicht nur über Verzeichnisbäume verteilt, sondern befinden sich zusätzlich etwa in E-Mail-Systemen oder Datenbanken für Web-Content. Ihre Konsolidierung in einem zentralen Datenspeicher würde Benutzern die Suche nach Informationen vereinfachen. Bill Gates soll in einem Gespräch mit der "New York Times" bemängelt haben (http://www.hal-pc.org/journal/03may/Column/baby/baby.html), dass er unter Windows Office-Dokumente an anderer Stelle speichern und suchen müsse als E-Mails, Adressen anderswo als die Buddy-List für Instant Messaging, und dass sich diese Informationen nicht mit einer einzigen Abfrage auffinden lassen.

Microsoft möchte dieses Problem zuerst auf dem Client angehen. Das nächste Windows-Release unter dem Codenamen "Longhorn", das für 2005 erwartet wird, soll ein Dateisystem erhalten, das auf Technik des kommenden "SQL Server" (Codename "Yukon") beruht. Diese Ankündigung nährte Spekulationen, wonach die SQL-Datenbank Bestandteil von Windows-Clients werden könnte. Offenbar soll es aber darum gehen, das Dateisystem um effiziente Speicher-, Recherche- und Programmierfähigkeiten zu erweitern, die bislang relationalen Datenbanken vorbehalten waren (http://www.microsoft-watch.com/article2/0,4248,1164446,00.asp). Aufgrund der noch langen Zeit bis zur Freigabe von Longhorn lässt sich indes noch nicht absehen, wie die von Gates geforderte Datenkonsolidierung aussehen wird.

Die Zukunft gehört Datenbanken

Hingegen zeichnet sich für die Dateidienste auf dem Windows-Server relativ klar das Ende der File-System-basierenden Lösung ab. Die zum Windows Server 2003 gehörenden "Windows Sharepoint Services" (WSS) bezeichnet Bill Veghte, Vice President von Microsofts Windows Server Group, in einem Interview mit der CW-Schwesterpublikation "Computerworld" (http://www.computerworld.com/softwaretopics/os/windows/story/0,10801,80710,00.html) explizit als "File-Server der nächsten Generation". Die bisher "Sharepoint Team Services" genannten Dienste kommunizieren mit Clients über HTTP sowie WebDAV und speichern ihre Daten in Microsofts "SQL Server". Auf dieser Grundlage beherrschen sie die Versionierung sowie das Check-in und Check-out von Dokumenten.

Die besonders für Anwender von MS Office gedachte Software hinterlegt Dokumente nicht nur in einer Datenbank, sondern platziert sie zudem im Kontext einer Groupware. Sie übernimmt daher nicht nur die Aufgabe eines File-Servers, sondern verwaltet zudem Kalender, Aufgaben und Adressen. Darüber hinaus stehen Dateien nicht wie bei einem traditionellen File-Server bloß zum gemeinsamen Zugriff bereit, sondern lassen sich in die Teamarbeit integrieren. Dazu zählt etwa, dass über die "Presence Awareness" der Windows-eigenen Instant-Messaging-Funktionen herausgefunden werden kann, ob der Autor eines Dokuments gerade online ist. Ein weiterer Vorteil dieses Ansatzes besteht darin, dass die Sphären von File- und Web-Server nicht mehr wie bei bisher üblichen Windows-Installationen getrennt sind. Die in der Datenbank abgelegten Dateien lassen sich über Volltextrecherche sowie Metadaten auffinden und im Web-Browser darstellen.

Die von Gates monierte Trennung von E-Mail und Office-Dokumenten existiert in dieser Konstellation indes weiter. Da Microsoft aber schon vor zwei Jahren Pläne bekannt gab, in zukünftigen Versionen von Exchange die proprietäre "Jet"-Datenbank ("Webstore") durch den SQL Server zu ersetzen, zeichnen sich auf Basis des Dateispeichers entsprechende Integrationsmöglichkeiten ab.

Oracle als Vorreiter

Der von Microsoft eingeschlagene Weg könnte zu einem integrierten Modell von E-Mail, File-Services und Media-Streaming führen, wie es Oracle schon heute praktiziert. Ausgangspunkt waren für den Datenbankprimus aus nahe liegenden Gründen nicht File-Services, die wie bei Microsoft oder Novell nachträglich um neue Speicher-Features erweitert werden. Vielmehr begann die Company von Larry Ellison in der Version 8 der Datenbank, diese als universelles Repository für alle Arten von Content zu positionieren. Ein wesentlicher Baustein war dabei das "Internet Filesystem", das über eine Vielzahl von Protokollen den Zugriff auf die Datenbank als virtuelles Dateisystem erlaubt. Dazu zählen die bekannten LAN-Veteranen wie SMB, NFS und AFP, aber auch Internet-typische Vertreter wie HTTP, WebDAV und FTP. Mit dem Einstieg von Oracle in den Messaging-Markt dient die Datenbank nun auch als E-Mail-Speicher.

Zentralismus versus Peer-to-Peer

Die unlängst von Oracle auf den Markt gebrachte "Collaboration Suite" baut auf die hauseigenen Messaging- und Dateidienste auf und stellt Letztere ebenfalls in den Kontext von Teamarbeit und Workflow. Dort lassen sich Dokumente etwa durch vordefinierte Abläufe schleusen, an Kalendereinträge anhängen oder dank der integrierten Web-Konferenz-Funktionen gemeinsam bearbeiten. Die Unterstützung für Unified Messaging gilt nicht nur für Informationen, die per E-Mail eintreffen, sondern für alle in der gemeinsamen Datenbank abgelegten Dateien. So können sich Anwender etwa über das eingebaute Sprachnavigationssystem auch durch die virtuellen Verzeichnisse bewegen und das Versenden von Dokumenten per Fax veranlassen.

Oracles Ansatz konsolidiert File-Services und E-Mail auf Basis einer Datenbank und kann daher die Vorzüge eines modernen objektrelationalen DBMS durchgängig nutzen. Dazu zählen ausgeklügelte Sperrmechanismen für geöffnete Dateien, Versionierung, Synchronisierung, Skalierbarkeit, eingebaute Suchfunktionen oder Programmierung per SQL und Java. Ganz im Sinne der eigenen Firmenphilosophie folgt Oracle damit einem zentralistischen Modell, dessen Vorzüge durch eine Referenzinstallation im eigenen Haus untermauert werden soll. Ziel ist es dabei, E-Mail und Dateidienste für möglichst alle Niederlassungen weltweit auf einem großen Oracle-Cluster zu konsolidieren.

Für Firmen, auf die dieses zentralistische Konzept nicht passt oder für die eine derartige Lösung zu aufwändig ist, bietet sich mit Peer-to-Peer-Systemen eine Alternative für konventionelle Dateidienste an. Tools wie "Groove" (http://www.groove.net) verstehen sich ebenfalls primär als Collaboration-Software und bieten eigentlich keine Dateidienste, sondern die Rede ist dort von File Sharing. Dieses erfolgt primär über Synchronisierung zwischen gleichberechtigten Instanzen der Software. E-Mails und "normale" Dateien werden dort nicht zusammengeführt, aber die kürzlich erschienene Version 2.5 ist enger mit Microsoft Outlook integriert. Benutzer können daher E-Mails an virtuelle Arbeitsräume von Teams ("Shared Spaces") schicken oder Adressen sowie Kalender beider Systeme abgleichen.

Fazit

File-Services als eigenständige Funktion, die Dateien für den gemeinsamen Zugriff auf einem Netzlaufwerk anbieten, verlieren an Bedeutung. Die altbewährten Protokolle für diesen Zweck, SMB, NCF oder NFS, sind zwar noch überall in Gebrauch, bedürfen aber zunehmend der Ergänzung durch Internet-Standards wie HTTP, WebDAV oder FTP. Hersteller wie Microsoft, Novell oder Oracle haben in dieser Hinsicht ihre Hausaufgaben gemacht. In der Multiprotokoll-Unterstützung liegt indes nur der geringste Fortschritt, der File-Services bevorsteht. Sie verwandeln sich mehr und mehr zu einer Funktion innerhalb von Werkzeugen für Collaboration und Content-Management. Entsprechend sollen sich Daten einfach in Teams bearbeiten und verteilen lassen. Moderne objektrelationale Systeme bieten dafür eine solide Grundlage, weil dort die Datenintegrität dank Versionierung und intelligenter Sperrmechanismen am besten gewährleistet werden kann. Oracle bietet auf dieser Basis bereits eine umfassende Lösung, Microsoft bewegt sich im Lauf der nächsten Jahre ebenfalls in diese Richtung. Unklar ist in dieser Hinsicht noch die Position von Novell, dort dürfte die Antwort vermutlich in einer engeren Integration von "Groupwise" und Netware liegen.

Insgesamt reagiert die Innovation bei File-Services auf die Änderung in den Arbeitsgewohnheiten: Die an den Schreibtisch gebundene persönliche Produktivität tritt zugunsten einer mobilen und interpersonellen Arbeitsweise zurück. Entsprechend sind bei den neuen Diensten nicht mehr Verzeichnisse oder Laufwerke die typischen Behälter von Daten, sondern virtuelle Team-Rooms.

E-Mail statt File-Server?

Als Medium zum Transport, Speichern und Verwalten von Informationen haben E-Mail-Systeme den File-Servern in vielen Unternehmen den Rang längst abgelaufen. Die Suche nach Dokumenten oder Kontaktdaten führt die meisten Benutzer zuerst zum Mail-Client. Die Speicher der populären Systeme "Outlook" und "Lotus Notes" fungieren schon längst als Dateisystem im Dateisystem. Viele Anwender legen dort in einer tiefen Ordnerhierarchie weit mehr Dateien ab als auf Netzlaufwerken von Datei-Servern. Innerhalb der Messaging-Systeme stehen ihnen nämlich bessere Tools für die Recherche und das Informations-Management zur Verfügung. Volltextabfragen, die auch Dateianhänge in allen möglichen Formaten berücksichtigen, gehören etwa zur Grundausstattung. Verschiedene Sichten auf die Daten helfen zusätzlich beim Auffinden von Informationen.

Nicht zuletzt bieten die genannten E-Mail-Systeme ausgereifte Replikationsmechanismen. Aus diesem Grund schicken Benutzer nicht selten Mails an sich selbst, nur um von auswärts oder zu Hause aus auf die angehängten Dokumente zugreifen zu können. Notes brillierte in puncto Replikation von Anfang an, Microsoft erlaubt nun in der Kombination von Exchange 2003 mit Outlook 2003 ebenfalls einen intelligenten Datenabgleich zwischen Client und Server. Zu den unterstützten Endgeräten zählen dabei nicht nur Desktop-Rechner, sondern über die entsprechende Synchronisierungssoftware auch PDAs oder Handys. Die neueste Exchange-Version beinhaltet zu diesem Zweck den bisher separat vertriebenen "Mobile Information Server", IBM bietet mit "Lotus Domino Everyplace" ebenfalls eine entsprechende Lösung.

Auch beim Zugriff auf Server-Datenbanken zeigen sich beide Produkte herkömmlichen Datei-Servern überlegen. So lassen sich in Lotus Domino oder Exchange Dokumente nicht bloß über die gängigen Mail-Protokolle abholen und speichern. Vielmehr können auch Dateianhänge über HTTP im Web-Browser abgerufen oder mittels WebDAV in Autorenwerkzeuge geladen werden. Nicht zuletzt bieten beide die Möglichkeit, auf Datenbanken über das Microsoft-eigene Protokoll "Server Message Block" (SMB) zuzugreifen. Deshalb können Windows-PCs derartige Datenbanken wie einen File-Server ansprechen. Interessant ist dieses Feature weniger für die persönliche Mail-Datei als für öffentliche Ordner und Groupware-Datenbanken, die dann für ausgewählte Benutzergruppen Dateidienste übernehmen können.