Gates-Company nennt erstmals Namen Microsoft zitiert jetzt illegale Geschaeftemacher vor den Kadi

23.09.1994

MUENCHEN (ade) - Engere Maerkte und sinkende Margen verleiten immer mehr Haendler zu illegalen Softwaregeschaeften. Die Hersteller wollen die Umsatzverluste in Milliardenhoehe nicht laenger dulden. Nachdem Novell vor einigen Wochen schwarze Schafe an den Pranger gestellt hat, packt jetzt auch Microsoft aus.

Hatte Novell mit gerichtlichen Schritten gegen die SW-Suender Aufsehen erregt (siehe CW Nr. 32 vom 12. August 1994, Seite 3: "Novell macht nun mobil gegen die illegalen Softwarekopierer"), haelt jetzt auch Microsoft nicht mehr hinter dem Berg. Auf der Anklagebank sitzt beispielsweise die Computervertriebsfirma Enterprise Data aus Muensingen. Anfang Januar hatte die deutsche Microsoft-Dependance dort eigenen Angaben zufolge einen vollbeladenen Lastwagen mit rund 2500 Raubkopien von "Windows 3.1" durch die Kriminalpolizei beschlagnahmen lassen. Ferner wurde die Firma Goldt Computerhaus, Oldenburg, mit rechtlichen Schritten wegen des Verstosses gegen die Vertriebsvereinbarungen mit Schulversionen konfrontiert. Microsoft wirft Goldt vor, manipulierte Schulversionen von "Excel" und "Word" als Vollpakete verkauft zu haben.

Ebenso macht Microsoft der Maxdata Computer GmbH, Marl, das Leben schwer. Auch diese Firma hatte, so die Gates-Company, Schulversionen als Vollprodukte angeboten. Zusaetzlich lag diesen Paketen ein gefaelschtes Schreiben des Windows-Anbieters bei, das den Verkauf als Vollversion rechtfertigen sollte. Die Geschaeftsfuehrung der Solinger Firma K & O geriet hingegen wegen des Verkaufs von Updates mit sogenannten "Crack"-Disketten ins Zwielicht. Dabei handelt es sich um Disketten zur Umgehung des Compliance Checking Programs (CCP). Mit einer Schadenersatzklage wegen des Verkaufs von OEM-Versionen ohne Hardware wurde die Firma Sitra aus dem Koelner Raum konfrontiert - die Polizei beschlagnahmte hier im Juli 1994 rund 4 Tonnen "ungebuendelte" Versionen von Windows 3.1.

Grosser Aerger steht auch der Raptor Vertriebsgesellschaft fuer Soft- und Hardware mbH aus Muenchen sowie der Ismaninger Pegasys Softwarevertriebs GmbH ins Haus. Nachdem die Unternehmen kuerzlich vom Netware-Anbieter Novell in die Zange genommen worden waren, muessen sie sich nun auch Vorwuerfen von Microsoft stellen. Laut Rudolf Gallist, Geschaeftsfuehrer der Microsoft GmbH, Unterschleissheim, hat sein Unternehmen straf- und zivilrechtliche Schritte wegen des Verkaufs von Office-Paketen als sogenannte Brown boxes gegen Pegasys eingeleitet. Dabei handele es sich um Produkte, die um ihre Umverpackungen erleichtert und zur Verschleierung der damit verbundenen Verkaufsbeschraenkungen teilweise als "umweltfreundliche Pakete" angeboten wurden.

Des weiteren stellt Microsoft Pegasys wegen des Vertriebs von Raubkopien des Betriebssystems "MS-DOS 6.2" an den Pranger.

Die auf Multimedia spezialisierte Raptor GmbH wird beschuldigt, gefaelschte Pakete des Betriebssystems MS-DOS 6.2 vertrieben zu haben. Doris Stoertzer, Geschaeftsfuehrerin von Raptor, weist die Anschuldigungen allerdings vehement zurueck. Zwar handele es sich bei den Paketen um illegale Produkte; der Lieferant habe aber eine Bestaetigung ueber die Echtheit der Versionen beigelegt, verteidigt Stoertzer den Verkauf. "Man kann nicht feststellen, dass es ein Plagiat ist". "Das Problem in diesem Markt ist, dass die Produkte durch so viele Haende gehen." Raptor habe mittlerweile die gesamte Palette von Microsoft aus dem Programm genommen. "Meistens werden diejenigen beschuldigt, die gar nichts dafuer koennen", bemueht sich die Raptor-Chefin um Glaubwuerdigkeit.

Gallist hat von diesen Machenschaften und den damit verbundenen Umsatzverlusten offensichtlich die Nase voll: "Wir werden gerichtliche Schritte konsequent durchfuehren", droht er unlauteren Geschaeftemachern des deutschen PC-Softwarehandels.

Die illegalen Aktivitaeten braechten eine ganze Branche in Verruf. "Die Methoden dieser Haendler werden immer dreister", so der Microsoft-Geschaefts- fuehrer. Man werde die illegalen Geschaefte nicht mehr einfach hinnehmen. Die Uebeltaeter seien jedoch nur schwer aufzuspueren; oft betrieben Firmen neben der Softwarepiraterie ganz legale Geschaefte.

Die anruechigen Geschaeftspraktiken lassen sich laut Microsoft in vier Bereiche einteilen: Verkauf von Faelschungen, Verkauf von Updates als Vollprodukte, Missbrauch mit OEM-Software und Veraeusserung von Schulsoftware als Vollpakete. Zu letzterem gehoere die Manipulation von Produktpaketen sowie der Missbrauch mit Berechtigungsnachweisen. "Es hat uns vier Monate gekostet, um gefaelschte Barcode-Labels zu identifizieren", klagt Gallist.

Um den Softwarepiraten nun den Garaus zu machen, wolle die Gates- Company bereits praktizierte Testkaeufe ausweiten und die Kundschaft verstaerkt aufklaeren. Zudem sind, so der Microsoft-Chef weiter, rechtliche Schritte gegen jede Form von unserioesen und unlauteren Geschaeften unumgaenglich. In Anlehnung an diese Strategie habe der Windows-Anbieter in den letzten Monaten mehr als 300 Testkaeufe getaetigt, ueber 70 zivilrechtliche Aktionen und rund 20 Strafanzeigen wegen des Vertriebs von gefaelschten Sofwarepakten eingeleitet.