Fuer Gates kein Grund zum Jubeln

22.07.1994

Hat Bill Gates klein beigegeben, oder muessen sich das amerikanische Justizministerium und die EU-Kommission den Vorwurf gefallen lassen, zu blauaeugig in bezug auf Microsoft zu sein? In einem Vergleich mit den Kartellbehoerden erklaert sich der PC- Softwareriese bereit, beanstandete Lizenz- und Nondisclosure- Praktiken gegenueber Hardwareherstellern beziehungsweise Software- Entwicklern zu unterlassen (Seite 1). Fuer das "Wall Street Journal" besteht kein Zweifel: Der "Consent Decree" engt Microsoft nur dort ein, wo es nicht wehtut. Ein Gerichtsverfahren gegen die Gates-Company haette fuer diese, unabhaengig vom Ausgang, unangenehmere Folgen gehabt -

"a big win for Microsoft".

Nun ist der Kernpunkt der urspruenglichen Beweisfuehrung in der Tat nicht Bestandteil des Schlichtungsabkommens: Microsofts DOS/Windows-Betriebssystem-Monopol, das es dem Unternehmen ermoegliche, auch den Markt der PC-Anwendungen aggressiv anzugehen und unliebsame Konkurrenten auszuschalten. Zwar behalten sich die beiden Kartellbehoerden ausdruecklich weitere Schritte vor - insofern ist der Consent Decree nicht als Freibrief fuer Microsoft zu werten -, das Zustandekommen des Vergleichs laesst jedoch auch die Vermutung zu, dass sich die Wettbewerbshueter ihrer Sache nicht sicher waren. Aber ein eindeutiger Sieg fuer Microsoft?

Gates wird wissen, dass kein Grund zum Jubeln besteht - sonst haette er dem Papier, das einem Teilschuldanerkenntnis gleichkommt, nicht zugestimmt. Auf die Spitze wollte er die Unschuldstheatralik nicht treiben - zu eindeutig sind im PC-Softwaremarkt die Fakten. Doch es geht ja um mehr. Haette der Sonnyboy der amerikanischen Softwareszene zugeben sollen, dass ihn die Sorge umtreibt, fuer das grosse Ausscheidungsrennen auf dem Enterprise-Areal und dem Information-Highway noch nicht ausreichend geruestet zu sein? Da ist er doch lieber ein Opfer von Ueberschaetzung durch andere, was die Bedeutung des Desktops fuer die zukuenftige Microsoft-Strategie betrifft.

Gates' Noete hatten die Kartellbeamten nicht zu interessieren. Mit ihrer Kritik an der Lizenzpolitik des PC-Betriebssystem- Monopolisten haben sie den Finger in die Wunde gelegt - man sollte das Ergebnis der Intervention nicht gering einschaetzen. Vorbei die Zeiten, in denen eine IBM mit den Antitrust-Behoerden Versteck spielen konnte, weil das Verstaendnis fuer die Zusammenhaenge im Computermarkt bei den staatlichen Ermittlern noch nicht sehr weit ausgepraegt war.

Ein solches Know-how-Defizit besteht offensichtlich nicht mehr. Wenn nur dies die Quintessenz der Schlichtung im Falle Microsoft waere, man muesste es bereits als Erfolg bezeichnen. Fuer die Anwender ist es beruhigend zu wissen, dass von neutraler Seite auf die Einhaltung von Geschaeftsregeln geachtet wird. Wirtschafts- Darwinismus, wie ihn DEC-Chef Robert Palmer ausgemacht haben will (Seite 10), hat in einem Kaeufermarkt keine Chance. Nur Neider wollen einem fairen Bill Gates etwas am Zeuge flicken - ein ueberheblicher Softwarekoenig wird stolpern.