Web-Applikationen/Middleware soll als Dolmetscher fungieren

Fünf Application Server auf einen Streich

11.05.2001
Unter dem Stichwort "Enterprise Application Integration" versprechen die Hersteller, mehrere Systeme des Backends über neue Middleware den Frontends zugänglich zu machen. Hier einige SW-Pakete auf dem Prüfstand. Von Johannes Kelch*

Um die schnellste, komfortabelste und tauglichste Lösung zur Integration von Backend und Frontend ist ein regelrechter Wettstreit entbrannt. Hersteller von Web-to-Host-Software strengen sich an, ihre Web Application Server zum Dreh- und Angelpunkt der Unternehmens-IT auszubauen. Die Server sollen quasi als Dolmetscher den Austausch zwischen einer Reihe von zentralen Anwendungssystemen einerseits und Browsern sowie PCs andererseits moderieren.

Die Software für eine umfassende Enterprise Application Integration muss jedoch nicht nur die Datenströme aus den heterogenen Systemen des Backends übersetzen, sondern auch einer Reihe zusätzlicher Kriterien gerecht werden (siehe Kasten auf Seite 75). Doch wie weit entsprechen die offerierten Produkte bereits den Anforderungen?

IBM: Web Sphere Application ServerIBM nennt seine neue Kommunikationsdrehscheibe "Web Sphere Application Server", erhältlich in zahlreichen Editionen. Eine seiner neuesten Varianten, der Application Server V.4.0 for z/OS and OS/390, unterstützt den Zugang zu CICS, IMS, DB2 und weiteren Systemen. In besonderem Maße interessant ist für Anwender mit einer stark zerklüfteten Systemlandschaft die Verknüpfung des Web Sphere Application Server mit der IBM-Software MQ-Series, da sich damit nicht weniger als 35 verschiedene Rechnerplattformen verbinden lassen.

War das ältere "Host on Demand" von IBM eine Java-Applet-Lösung, die das oft langwierige Laden von Applikationen in den Web-Browser erforderte, propagiert Volkhard Wolf vom IBM-Software-Marketing jetzt "ein neues Programmiermodell, das auf Server-seitiges Java setzt". Servlets, kleine Anwendungen, die auf dem Server laufen, vermindern die Menge der Daten, die über das Netz zum Browser verschickt werden muss.

Big Blue bewirbt das eigene Produkt als Komplettlösung: Neben dem Server beinhaltet die Web Sphere die Toolsuite "Studio" mit Workbench, Wizards, dem Website-Generator Net Objects Fusion sowie einen Script Builder zum textbasierenden Editieren von HTML und Scripten. Kernstück des Studios wiederum ist "Visual Age for Java", ein Werkzeug zum Erstellen von Code, Servlets, Java Server Pages und Enterprise Java Beans.

Softwareergonomie ist bei der IBM-Lösung nur mit Programmierleistungen zu erzielen. So lassen sich grafische Masken etwa mit dem gleichen Programmieraufwand erstellen, wie er für Internet-Seiten benötigt wird.

M-Commerce ist insbesondere bei dem Portal Server (AIX, NT, Solaris) durch die Everyplace Suite möglich, die eine große Zahl mobiler Geräte unterstützt.

Um den Anwendern rasche Antwortzeiten zu verschaffen, bietet IBM ein Performance Pack. Damit lassen sich Skalierbarkeit und Load Balancing optimieren.

Eine andere Lösung zur "Enterprise Application Integration" nutzt ebenfalls das IBM-Produkt MQ-Series als Brücke zwischen diversen Backend-Systemen, setzt jedoch ein anderes Produkt als Web-Applikations-Server ein: Net Phantom, eine Software der schwedischen Entra Data AB (vertrieben im deutschsprachigen Raum von Fogelberg & Partner). Die Münchner Firma Ecosoft hat die neue Verknüpfung zwischen den Middleware-Produkten MQ-Series und Net Phantom kürzlich fertiggestellt.

Entra Data AB: Net PhantomNet Phantom wurde für Host-Applikationen entwickelt, die einen 3270- oder 5250-Datenstrom liefern. Das Produkt ist aber nicht in der Lage, Systeme mit dem Internet zu verbinden, die einen anderen Output generieren. Diese Lücke wird nun mit den zahlreichen Konnectoren von MQ-Series geschlossen. Bei der Ecosoft-Lösung kommuniziert der Net-Phantom-Server als Client mit MQ Series.

Ein Vorteil gegenüber der originären IBM-Lösung ist mit der Kombination aus Net Phantom und MQ Series vor allem dann zu erzielen, wenn eine große Zahl von grafisch gestalteten Masken die Arbeit der Endanwender mit den Backend-Systemen sowohl im Web-Browser als auch an einem PC-Arbeitsplatz komfortabel und ergonomisch gestalten soll. Denn in diesem Fall macht sich der "Phantom-Editor" positiv bemerkbar. Mit diesem Werkzeug lassen sich grafische Masken ohne jegliche Programmierkenntnisse und daher sehr schnell erzeugen.

Für Sicherheit sorgen bei dieser Lösung die SSL-Verschlüsselung, die User-ID und das Passwort der Net Phantom-Middleware.

M-Commerce ist nicht der zentrale Anspruch der Entwickler, es ist aber grundsätzlich möglich, mit einem WAP-Handy über Net Phantom mit einem 5250-Host-Rechner zu kommunizieren.

Für kurze Ladezeiten sorgt indessen die spezielle Technik. Sie ist darauf getrimmt, nur ein Minimum an Daten übers Netz zu jagen. Der Server versendet lediglich ein "Kommunikations-Applet" mit Maskenbeschreibungen und -inhalten. Nach Darstellung von Christian Synwoldt vom Beratungsunternehmen Fogelberg & Partner wird die Performance zusätzlich durch MQ Series gesteigert, da das IBM-Produkt nicht einzelne Maskeninhalte, sondern "Daten in Form fortlaufender Zeichenketten" übertrage. "Erste Tests", betont Synwoldt, "haben den hohen Performancegewinn deutlich sichtbar gemacht."

Fujitsu-Siemens: Biz und Web TransactionsMit einer völlig anderen technischen Orientierung, die von Java wegführt, überbrückt Fujitsu Siemens die Kluft zwischen der zentralen IT und den Frontends: "Biz Transactions" verbindet Windows-Clients mit verschiedenen Backend-Systemen, "Web Transactions" Host-Systeme mit dem Internet. Ursprünglich nur für BS2000 konzipiert, übersetzt Web Transactions inzwischen auch Signale aus der IBM-Welt. Sowohl Biz als auch Web Transactions lassen sich laut Czepan miteinander verknüpfen.

Web Transactions setzt ganz auf Servlets. Anwendungen laufen auf dem Server, die Kommunikation mit dem Browser läuft ausschließlich über HTML und das HTTP-Protokoll. Walter Czepan von Fujitsu-Siemens spricht sich vehement gegen Java-Applets als technisches Mittel zur Host-Web-Verknüpfung aus. Er begründet seien Position mit "zu langen Ladezeiten und der Uneinheitlichkeit der Darstellung in verschiedenen Browsern". Sicherheit bietet Web Transactions durch Verwendung von HTTPS, ein standardisiertes Protokoll mit 128-Bit-Verschlüsselung (gebräuchliche Browser verstehen dieses Protokoll erst ab einer neueren Produktversion).

Ergonomische grafische Benutzeroberflächen lassen sich mit einer Tätigkeit erzielen, die dem "Gestalten von Web-Seiten und Integrieren von Komponenten" nahe kommt, so Siemens-Mann Czepan. Gute Kenntnisse in HTML und Java Script, wie sie ein fähiger Web-Designer beherrschen muss, seien Voraussetzung für befriedigende Resultate. Je nach Aufgabe könne schon einmal "high sophisticated code" gefragt sein. Als Werkzeug zum Bauen grafischer Benutzeroberflächen liefert Fujitsu-Siemens Komponenten für die Programmierung von Templates sowie den Macromedia Dreamweaver mit.

Mit Web Transactions ist M-Commerce möglich; in einem Projekt für einen Druckmaschinenhersteller wurden Abfrage und Bestellung von Ersatzteilen im zentralen Warenwirtschaftssystem per Mobiltelefon realisiert. "Assistenten" erleichtern die Erstellung von WML-Templates.

Attachemate: XML-Integration BrokerAttachemate, ein Anbieter von PC-to-Host- und Web-to-Host-Connectivity-Produkten, richtet sich derzeit auf die neue Herausforderung der Enterprise Application Integration ein. Das neue Produkt der Firma befindet sich nach Aussagen von Marketing-Manager Philipp Grieb in der Beta-Test-Phase, soll noch in diesem Jahr fertiggestellt sein und wird voraussichtlich "XML-Integration Broker" heißen. Die neue Drehscheibe soll nicht nur Host-Systeme, sondern auch andere Quellen (IMS, SAP, CICS) mit verschiedenen Frontends (Web-Browser/Windows-PC) verbinden. Standard-Konnektoren soll es für die verbreiteten Rechnerwelten geben. Das neue Produkt wird die Ausgangsformate grundsätzlich in das Transportformat XML umwandeln. Ein "Presentation Builder" soll dann die Ausgabeformate (HTML, WML, FAX, Printer und andere) erzeugen.

Zur Sicherheit bietet Attachemate traditionell 128-Bit-SSL-Verschlüsselung, sowohl für die Kommunikation zwischen Broswer-Client und Webserver als auch - sofern gewünscht - für die Strecke zwischen Webserver und Mainframe. Darüber hinaus ist es möglich, User zu authentifizieren.

Für die Ausstattung von Host-Masken mit grafischen Benutzer-Schnittstellen und Web-Fähigkeit hat Attachemate das Produkt Web Publish im Angebot, das ein Konfigurieren von Elementen ermöglicht. In zwei Tagen Einführungszeit, so Philipp Grieb, sei es möglich zu erlernen, wie man eine kleine Applikation mit ein paar Masken in einige HTML-Seiten verwandelt, allerdings "ohne letzte Ausschmückungen".

Für M-Commerce hat Attachemate vor einem Jahr mit Beispiel-Applikationen geworben. Grieb lässt durchblicken, dass daraus kein so großes Geschäft geworden ist, wie man es sich erwartet hatte.

HOB: Link Enterprise J-PortalDie Zirndorfer Firma HOB will ebenfalls noch in diesem Jahr ein neues Produkt auf den Markt bringen, das als "Portal" mehrere Backend-Rechnersysteme einer großen Zahl von Anwendern zugänglich machen soll. Das HOB Link Enterprise J-Portal beinhaltet das seit längerem vertriebene Web-to-Host-Programm HOB Link J-Term, darüber hinaus soll es jedoch auch den Zugang zu anderen Rechnerwelten eröffnen (namentlich Unix/DEC, Windows Terminal Server (native oder Citrix Metaframe), Siemens RM Hosts und HP 3000/9000. Als "kriegsentscheidend" sieht Oliver Graf, Leiter Marketing und Produkt-Management bei HOB, die Vielfalt der Schnittstellen. Das neue Portal soll über Standard-Schnittstellen wie OLE, DCOM, DDE, OHIO und EHLLAPI eine "problemlose Integration in eine bestehende Systemarchitektur" sichern.

Konzentriert auf SystemadministrationDas Portal von HOB konzentriert sich stark auf die Systemadministration. Eine Zentralisierung in diesem Bereich wird durch entsprechende Funktionalitäten und Schnittstellen (zum Beispiel LDAP) ermöglicht.

Sicherheit soll den HOB-Kunden mit einer Verschlüsselungssoftware verschafft werden, die auch zur Client-Authentifizierung taugt. Zu den Visionen zählt mittelfristig eine "erhöhte Sicherheit" mittels Smartcard-Technologie.

HOB verspricht, dass das neue Portal im Web-Browser und im Windows-PC exakt die gleichen Benutzeroberflächen mit der gleichen Funktionalität verfügbar macht. Zur Herstellung grafischer Oberflächen hat der Hersteller das Produkt Facelifter im Angebot, das mit Programmierkenntnissen zum Ziel führt.

Technische Basis für den Zugriff auf die Firmen-IT via Internet sind Java-Applets. Oliver Graf betont, diese Applets seien als Technik zu Unrecht verschrieen. Es komme nur darauf an, sie klein zu halten und immer nur jene Daten zu laden, die gerade benötigt würden, um eine rasche Kommunikation zu realisieren.

*Johannes Kelch ist freier Journalist in München.

Kriterien

Der Zugriff auf die zentrale IT eines Unternehmens per Internet macht nur Sinn, wenn eine Reihe von Bedingungen erfüllt sind:

Sicherheit:

Schutz vor ungebetenen Besuchern und unautorisierten Manipulationen.

Software-Ergonomie:

Anstelle der schwarz-grünen Host-Masken, die im Browser kaum richtig angezeigt werden, sind heute in zunehmendem Maße grafisch gestaltete Benutzeroberflächen gefragt. Gleiche grafische Oberflächen für den Einsatz in einer PC-Landschaft und im Browser sind für die Anwender von Vorteil.

M-Commerce:

Vor allem im E-Business können sich mobile Lösungen bewähren (Datenbankabfragen zur Verfügbarkeit von Ersatzteilen/Bestellungen).

Geschwindigkeit:

Lange Ladezeiten, wie sie bei inzwischen veralteten Web-to-Host-Produkten durchaus an der Tagesordnung waren, müssen der Vergangenheit angehören, soll sich der Browser als Arbeitsinstrument in der Geschäftswelt durchsetzen.

Abb: Die Spinne als Modell

Die Software für eine umfassende Enterprise Application Integration muss die Datenströme aus den heterogenen Systemen des Backends übersetzen. Quelle: Johannes Kelch