FH Furtwangen: Wir sind zum Erfolg verdammt

16.03.2001
Von Judith Rauch
Werner Ruoss
Werner Ruoss

Gesiebt wird auch bei den Professoren, wie Prorektor Ruoss erläutert. Die Anforderungen sind hoch: Universitätsabschluss und Promotion werden in aller Regel verlangt, fünf Jahre Berufserfahrung sind ein Muss. Der Kandidat muss Interesse am wissenschaftlichen Arbeiten haben, zeitaufwendige Lehrverpflichtungen übernehmen, und das bei einem gegenüber den Gehältern in der Wirtschaft schmalen Salär. Ein Beraterjob nebenher ist erlaubt, aber, so schränkt Ruoss ein, ”nur einen Tag in der Woche”. Dass ihre Hochschule es sich leistet, bei den Lehrkräften wählerisch zu sein, auch wenn sie manchmal ein wenig länger suchen muss, wissen die Studenten zu schätzen. Einmütig schwärmen Unger und Reitz von der ”hohen Qualifikation” ihrer Professoren und dem ”immensen Erfahrungspotenzial, das man abschöpfen kann”.

Das lässt sich auch in der Praxis beobachten. Im Videostudio des Fachbereichs ”Digitale Medien” hat sich ein Grüppchen Studentinnen versammelt, um alte Fotos und Dokumente abzufilmen. ”Abfilmen ist besser als einscannen”, erklärt ihnen der Studioleiter, der einst als Kameraassistent beim Rundfunk gearbeitet hat. ”Die Fotos wirken dann weniger starr, und man kann durch die Beleuchtung besondere Effekte erzielen.” Der Dokumentarfilm über die Geschichte der Hochschule, den die angehenden Medieninformatikerinnen drehen, ist eines der Praxisprojekte, die als Pflichtbestandteil zu ihrem Studienplan gehören. ”Eine Gruppe von vier bis sechs Studenten arbeitet dabei selbständig an einem Thema”, erläutert Michael Waldowski, der Dekan des Fachbereichs, ”ähnlich wie in einer kleinen Firma.”

Der Vergleich ist bewusst gewählt. Denn dass Studenten nach dem Diplom ihr eigenes Internet-Unternehmen gründen, ist bei den Medieninformatikern eher die Regel als die Ausnahme. ”Nach dem Studium?”, stöhnt Wilhelm Walter, der vom Wintersemester 2001 an den neu eingerichteten Studiengang Online-Medien im Fachbereich betreuen wird. ”Manche haben schon im zweiten Semester ihre eigene Firma.” Das Studium wird dann leicht zur Nebensache. Dekan Waldowski sieht es positiv: ”Dieses Problem ist mir lieber als das Gegenteil: dass die Leute nicht unterkommen.” Diese Gefahr besteht indes nicht. Aus ”fünf bis zehn Angeboten” könne jeder seiner Absolventen wählen, schätzt Prorektor Ruoss, und das nicht nur in den Informatikstudiengängen. Mindestens drei verschiedene Betriebe lernt ein typischer FH-Student schon während seines in der Regel vierjährigen Studiums von innen kennen. Dafür sorgen allein schon die beiden vorgeschriebenen Praxissemester, von denen eines gleich im Grundstudium, eines im Hauptstudium zu absolvieren ist.

Alexander Göttel beispielsweise, Student der allgemeinen Informatik im vierten Semester, hat in seinem ersten Praktikum die aufregende ”Atmosphäre im Großraumbüro” von Hewlett- Packard in Sindelfingen genossen und kann sich vorstellen, dort einmal als Softwareentwickler einzusteigen. Seine Kommilitonin Claudia Gärtner war nicht so begeistert von ihrem Praktikum in einem Kleinbetrieb der Region. ”Das zweite Praxissemester will ich unbedingt im Ausland machen, am liebsten in England”, sagt sie. Das akademische Ausland samt der FH wird ihr helfen, die nötigen Kontakte zu knüpfen. Auch die Themen für die Projekte stammen meist aus der Industrie. Da wünscht sich der ”Schwarzwälder Bote” ein virtuelles Museum, eine Münchener Medienagentur bestellt ein Content-Management-System für Lernprogramme, ein frisch gegründetes Startup-Unternehmen braucht eine Patentrecherche – und die Studenten machen es. Als Revanche fließt meist eine Spende in Höhe von mehreren Tausend Mark an die Hochschule zurück.

So sehr reißen sich die Unternehmen um Furtwangener Absolventen, dass bei der letzten Hochschulkontaktbörse im November 2000 der Platz knapp wurde: 60 Firmenstände drängten sich auf der begrenzten Ausstellungsfläche in den Räumen der FH. Große Namen wie Bosch, Commerzbank, Siemens und Lufthansa waren darunter. ”Da können wir nicht mithalten”, dachten sich die Chefs einer kleinen Internet-Agentur aus dem Schwarzwald. Sie bauten stattdessen im Sommer einen Stand auf der kleinen Brücke auf, die gleich bei der Fachhochschule über das Flüsschen Breg führt. Und verschenkten Eiscreme an die dankbaren Studenten.