EU-Prozess gegen Microsoft wird fortgesetzt

29.11.2004
Der Rückzug von Novell und CCIA ist für das Gericht irrelevant.

Obwohl Novell und der Branchenverband Computer and Communications Industry Association (CCIA) ihre Antitrust-Klagen gegen Microsoft vor der Europäischen Kommission zurückgezogen haben, sind deren Vorwürfe juristisch verwertbar: In einer Beratungsrunde vor der ersten Instanz des Europäischen Gerichtshofes kamen alle Beteiligten überein, dass die von Novell und CCIA vorgelegten Dokumente im Prozess verwendet werden. Daraufhin erklärte der dänische Präsident der Gerichtsinstanz, Bo Vesterdorf, er werde eine erste Entscheidung zwischen dem 18. und 20. Dezember fällen.

Microsoft war aufgrund von Klagen durch AOL, Sun, Novell, CCIA und Realnetworks von der Europäischen Kommission wegen Behinderung des Wettbewerbs verurteilt worden. Die Strafe von 496 Millionen Euro war mit der Auflage verbunden, den "Media Player" aus Windows zu entbündeln und Betriebssystem-Schnittstellen offen zu legen. Dagegen hatte Microsoft vor dem Europäischen Gerichtshof Widerspruch eingelegt.

Parallel hatte Microsoft mit Überweisungen von insgesamt rund 2,5 Milliarden Dollar an AOL, Sun, Novell und CCIA erreicht, dass diese ihre Klagen vor der EU zurückzogen. Große Fragezeichen umgeben insbesondere die Zahlung an den Branchenverband CCIA, der auch beim Antitrust-Verfahren in den USA die Microsoft-Gegner koordiniert hat. Der "Financial Times" liegen Dokumente vor, die belegen, dass dem Verband von Microsoft 19,75 Millionen Dollar zuflossen. Fast die Hälfte, 9,75 Millionen Dollar, bekam der CCIA-Chef Edward Black. Außerdem erhielt er einen Dreijahresvertrag beim Verband, der ihm jährlich eine halbe Million Dollar Gehalt einbringt.

Die Umstände dieses Vorgangs sind unklar. Microsoft dementiert, mit der Zahlung an Black zu tun zu haben. Laut CCIA hat der Vorstand des Verbands die Zahlung als "einmaligen Bonus" sowie den Arbeitsvertrag genehmigt.

Die Geschehnisse haben die CCIA in eine Krise geführt. Nokia hat seine Mitgliedschaft aufgekündigt. "Der Inhalt des Übereinkommens mit Microsoft und seine Entstehung waren unangebracht", erklärte Firmensprecherin Arja Suominen. "Deshalb sind wir ausgetreten." (ls)