Escrow-Verträge: Sourcecode im Safe

20.08.2002
Von 
Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.

Für die Sourcecode-Übergabe gibt es verschiedene Kriterien, wobei als Extremfall immer der Bankrott des Softwarehauses gilt. Entscheidend ist stets die vertragliche Einzelregelung, ob der Quellcode beispielsweise schon beim Insolvenzantrag oder erst bei Eröffnung des Verfahrens an den Anwender versendet wird.

Gläubiger- oder Anwenderschutz?

Die Hoffnung, dass der Insolvenzverwalter den Code von sich aus und damit ohne Escrow-Abkommen herausrückt, ist gering: Sein Ziel ist der Gläubigerschutz und nicht der reibungslose Betrieb auf Seiten der Kunden. Die Software wird deshalb der Konkursmasse zugeschlagen, denn sie ist häufig der größte und letzte Wert, über den ein Softwareanbieter nach der Pleite noch verfügt. Darüber hinaus sind Escrow-Abkommen sinnvoll, falls der Lizenzgeber seine Wartungsverpflichtungen nicht mehr erfüllen will, die Produktreihe eingestellt oder der Lieferant übernommen wird.

Mit der Unterschrift unter einem Standardvertrag ist es demnach nicht getan: Wie immer ist das Escrow-Abkommen, das in der Regel zwischen den drei Parteien (Lizenzgeber, Lizenznehmer und Agentur) geschlossen wird, Verhandlungssache. Natürlich gebe es bei der Vertragsgestaltung Interessenkonflikte zwischen den Beteiligten, erzählt Carlo Velten, Berater beim Kasseler Unternehmen Techconsult. Während die Lizenzgeber versuchen, die „Barriere“ für die Freigabe ihres intellektuellen Kapitals möglichst hoch zu errichten, sind Anwender daran interessiert, einen starken Anspruch auf den Code festzulegen. Dazwischen steht der Escrow-Agent, für den laut Velten die Vermittlung zwischen den Parteien das „Erfolgskriterium“ ist.

Escrow

Unter Sourcecode-Escrow versteht man die treuhänderische Hinterlegung von Quellcode (in der Regel mitsamt den passenden Compilern sowie der Dokumentation) bei einer unabhängigen Organisation beziehungsweise einem Rechtsanwalt oder Notar. Dafür sind unterschiedliche Gebühren zu zahlen, die sich am Umfang der Dienstleistung orientieren: In der niedrigsten Stufe verwahrt der Escrow-Agent lediglich die Software und wickelt gegebenenfalls die Übergabe ab. Darüber hinaus können je nach Vertragsgestaltung der Code kompiliert und dekompiliert, Bugfixes regelmäßig gepflegt sowie Updates eingespielt werden. Einen festen Preis für die Dienstleistungen gibt es nicht, der Rahmen spannt sich von 500 bis einigen tausend Euro pro Jahr.