Brocade-CEO Lloyd Carney im CW-Interview

"Es ist Zeit für mehr Innovation im Datacenter"

20.06.2013
Von 


Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.

"Wir sind SDN-ready"

CW: Wie lange glauben Sie, dauert es noch bis Kunden SDN einsetzen können – es also voll verfügbare Lösungen dafür gibt?

Carney: Ich würde sagen, wir sind vermutlich noch zwölf oder 18 Monate davon entfernt. Es gibt schon Early Adopters, die im Labor damit experimentieren und es gibt heute schon etwas Funktionalität in dieser Hinsicht. Was SDNs antreiben wird, ist der Trend zu virtuellen Appliances. Der erste virtuelle Switch, der ausgerollt wurde, kam vermutlich von VMware, im Prinzip ein Hypervisor mit Switching-Funktionalität. Sie haben eine VM auf Server A und Sie können einen virtuellen Switch-Pfad zu einem VM auf dem gleichen Server kreieren, so dass Apps auf dem gleichen Server geswitcht werden können oder zwischen verschiedenen Servern. Das war die erste Virtual-Switch–Capability.

Wir haben schon virtuelle Firewalls, virtuelle Load-Balancers, virtuelle Router, wir haben alle diese drei Dinge in unserem Portfolio, alle diese Dinge können auf einem Server deployed werden oder über den Control Plane einer SDN-Lösung. Daher sind wir SND-ready, die Control Plane kommt über die Open Daylight Foundation, der wir angehören. Auch Big Switch gehört dazu, HP, IBM, VMware, Cisco ist auch dabei und es ist eine großartige Idee einer offenen Control Plane-Lösung für SDN. On Top bauen Sie dann die Apps, die Sie wollen, Virtual Firewall, Load-Balancer und ich denke, das wird die führende Control Plane für SDN.

Parallel arbeiten HP, Cisco oder Alcatel Lucent alle an ihrer eigenen Umgebung – aber wir denken, die einzige richtige Antwort ist eine offene Lösung, die mehrere Umgebungen unterstützt. Nur so können Sie an die Network-Control-Plane einen HP-Server, einen Dell- Server oder einen IBM-Server anschließen und es funktioniert.

Sie wissen ja: Die erste Reaktion der Großen ist es immer, eine proprietäre Lösung anzustreben, während wir eine offene bevorzugen – und sie gehen auf Nummer sicher, weil sie alle Mitglieder von Open Daylight sind. Sie arbeiten an ihrer eigenen hausgemachten Lösung und dann kommt eine offene Lösung heraus. Aber der dominante Player hat hier das größte Risiko, denn seine Switches und Infrastruktur werden in großem Stil durch SDN ersetzt, wenn das Thema aggressiv Fahrt aufnimmt. Es ist nur noch zwei Monate entfernt, dass wir SDN-ready sind – mit einer ganzen Reihe von Produkten, die wir heute schon verkaufen – Switches, die mit Open Flow laufen, SDN-ready Fabric und wir haben eine Reihe von dazu passenden Apps, unsere virtuellen Anwendungen. Wir sind ziemlich zuversichtlich, dass SDN Marktreife erlangt, denn wir helfen derzeit, es zu entwickeln.

CW: SDN ist ein großes Thema, Cloud Computing ein weiteres. Wie ist Brocade hier aufgestellt?

Carney: Unser IP-Portfolio unterstützt Cloud Computing. Die Cloud benötigt Flexibilität und Skalierbarkeit. Wenn Sie ein Cloud-Provider sind, wissen Sie nicht, welchen Bedarf Ihr Kunde in der nächsten Stunde anmeldet. Sie glauben es oder sie sagen es Ihnen, aber es gibt unvorhergesehene Ereignisse, ein weltweiter Event, wo plötzlich Massen an Tweets oder Video-Clips versendet werden. Es gibt Millionen Dinge, die Sie nicht vorhersehen können. Unsere Fabric ermöglicht es der Umgebung, einfach zu skalieren, Reparaturzeiten zu planen oder Wartungen im Hintergrund vorzunehmen.

Es ist Plug & Play. Wenn Sie ein Hosting- oder Cloud-Provider sind, brauchen Sie genau die Einfachheit, die wir anbieten. Denken Sie an unseren Virtual Router: Er wurde von Ihrer Schwesterpublikation Network World getestet und er war zehnmal so schnell wie der Cisco Virtual Router bei gleichem Preis. Wie bekommen Sie einen Virtual Router? Sie nehmen Ihre Kreditkarte, rufen Amazon.com auf und sagen, Sie wollen eine Instanz oder einen Virtual Router mieten und Sie bekommen ihn. Sie können ihn als Download auf einen oder mehrere Server laden oder Amazon bitten, Ihnen zwei virtuelle Maschinen mit einem virtuellen Router als Verbindung und verschiedene Apps zur Verfügung zu stellen und das war‘s. Es entsteht ein ganz neues Paradigma, wie man nun Produkte nutzen kann – in der Cloud, auf Per-Instance-Basis, oder aber per Kauf auf dem eigenen Server. Wir haben eine ganze Reihe an Features in unseren Produkten, die Cloud-Provider unterstützen – bis hin zu einem Pay-as-you-Go-Modell.

Sie wissen ja, ein großes Hindernis für Cloud-Provider ist der hohe CAPEX-Anteil, das heißt, Sie brauchen eine kritische Masse an Equipment. Wir bieten diese auf der Switching-Seite äußerst kostengünstig, denn Sie zahlen nicht für den ganzen Switch, sondern nur für die Nutzung. Somit sind nicht nur unsere Produkte, sondern auch unser Geschäftsmodell Cloud-optimiert.

CW: Sie sagten, Brocade ist mit SAN-Fabric groß geworden. Gibt es in diesem Bereich auch heute noch Innovation?

Carney: Das stimmt, SAN-Fabric wurde vor 17 Jahren entwickelt, aber es gibt immer noch Innovation. Im letzten Jahr wechselten wir von 8 auf 16 Gb/s, das heißt, wir haben die Bandbreite verdoppelt und jetzt planen wir eine 32 Gb/s-Architektur. Dabei haben wir bei 16 Gb/s bereits 64 Gb/s Konnektivität zwischen den einzelnen Boxen. Schon damit ist die Fabric schneller als jede Ethernet-Lösung und wenn die 32 Gb/s-Lösung herauskommt, werden es 128 Gb/s sein. Das bedeutet, wir treiben die Leistungsgrenzen in Sachen Konnektivität zwischen Servern in Rechenzentren voran. Aber wir nennen die Lösung nicht 16 Gb/s sondern Gen 5, da es so viel mehr Software-Features neben der Bandbreite gibt. Kunden kaufen unsere Fabric nicht wegen den 16 Gb/s, sondern wegen den Funktionen, etwa um die Beschaffenheit der Kabel zu kontrollieren. Sie müssen dazu wissen, dass die Hardware selbst sehr robust ist, die Chips sind sehr zuverlässig und fallen nicht aus. Das schwache Glied im Datacenter ist zum größten Teil die Verkabelung, etwa wenn Kabel an der falschen Stelle eingesteckt sind oder nicht richtig sitzen, wenn die Biegungen der optischen Leitungen zu stark sind. Zu all diesen Themen bieten wir Diagnose, Fehlererkennung – all diese Sachen gehören zu den leistungsfähigen Software-Tools, die mit der Fabric mitgeliefert werden. Loop-Back-Fähigkeit ausgerollt, das heißt, Sie können den Zustand der gesamten Infrastruktur überprüfen, ohne dass Daten verloren gehen. Um das Ganze ohne unsere Tools abzubilden, benötigen Sie sonst ganz spezielle Werkzeuge. Zusammengefasst, treiben wir die Wartbarkeit und Bedienbarkeit stark voran.

CW: Nicht zuletzt wegen der vergangenen Zukäufe, etwa Foundry Networks, weist Brocade ein breites Produkt-Portfolio auf, das von SAN-Fabric, Routern, WLAN-Access-Points bis hin zu Equipment für Service-Provider reicht. Planen Sie, das Angebot einzuschränken?

Carney: Das stimmt, wir haben ein zu breites Portfolio. Von der Portfolio-Perspektive betrachtet, konkurrieren wir mit Unternehmen, die deutlich größer sind als wir. Eine meine ersten Maßnahmen, als ich bei Brocade ankam, war es, mir das Portfolio vorzunehmen und zu schauen, wo man es verschmälern kann.
Wir sind zunächst einmal Datacenter-Networking-Experten, alles andere ist sekundär. Wir sind Speicherexperten, da haben wir Expertise rund um FibreChannel. Wir haben SSD-Storage, unsere Leute wissen das und es fällt uns deutlich leichter, dies zu bewerben. Wir kennen uns mit großen SAN-Speichern aus. Im Prinzip haben wir Expertise rund um jede Art von Storage, nicht nur Fibre Channel.

Aber Sie haben Recht, wir haben Produkte, die man auch in dem Elektronikladen vor Ort kaufen kann, Produkte, wo wir vom Preis her nicht mit der Konkurrenz wie Huawei mithalten können. Niedrige Preise, niedrige Wertschöpfung – wir sollten nicht in diesen Geschäftsfeldern sein und wir werden nicht mehr in diesen sein. Sie werden daher in den nächsten sechs Monaten sehen, wie wir unser Portfolio verkleinern, wie wir weniger Produkte haben und weniger Märkte, die wir adressieren.