Ein Berufsbild verändert sich

Entwickler ist nicht gleich Entwickler

05.07.2011
Von Dr. Astrid Schau
Das Berufsbild des Programmierers verändert sich ständig: Ein Anwendungs- und ein Framework-Entwickler aus dem Maschinenbau berichten über ihre unterschiedlichen Aufgaben.
Foto: IT Engineering GmbH

Vorbei sind die Zeiten, als auf Industriemessen Farbmonitore mit 3D-Grafiken eher selten gezeigt wurden. Selbst Multi-Touch-Monitore mit Zwei-Finger-Zoom erhaschen heute kaum mehr gesteigerte Aufmerksamkeit. Software zu entwickeln und anzubieten ist für den Maschinenbau zum Standardgeschäft geworden.

Nicht selten reagieren Branchenvertreter ratlos, wenn sie mit der Frage konfrontiert werden, wie sich die Bediensoftware eigentlich am gescheitesten entwickeln lässt. Effizient soll das geschehen und das Ergebnis sich lange sehen lassen können. Auf der Wunschliste stehen zudem eine hohe Qualität, ein breites Einsatzspektrum, komfortable Bedienung und vieles mehr.

Bewährt hat sich, die individuelle Anwendung von der Softwarebasis zu trennen. Das wirkt sich auch auf das beteiligte Personal aus. Unterschiedliche Berufsbilder werden greifbar. Zum einen gibt es den klassischen Informatiker, den Generalisten. Er schafft den Rahmen, in den sich die einzelnen Anwendungen einpassen lassen. Seine Spezialität sind langfristige Konzepte, die dem Applikationsentwickler erst ermöglichen, tätig zu werden. Er garantiert, dass die Maschine auch in 15 oder 20 Jahren noch läuft. Während sich die Anwendungsspezialisten schon längst anderen Aufgaben widmen, hat er immer noch ein Auge auf die Software und passt sie zur Not an, wenn beispielsweise die PCs erneuert werden müssen.

Die reine Lehre interessiert nicht

Die Anwendungsentwickler auf der anderen Seite interessieren sich weniger für die "reine Lehre" der Informatiker. Sie kommen in der Regel aus dem Bereich Mechatronik oder Ingenieurinformatik. Ihnen geht es darum, technische Details umzusetzen. Statt zu programmieren, ziehen sie es vor, zu konfigurieren. Häufig verfügen sie über spezielles, an die Maschine oder das Unternehmen gebundenes Know-how beispielsweise zu individuellen Bewegungsabläufen. Es ist ratsam für Maschinen- und Anlagenbauer, eigene Anwendungsentwickler im Haus zu haben.

Die Framework-Entwicklung hingegen lässt sich gut als Dienstleistung einkaufen. Weshalb sollte ein Unternehmen die teuren und knappen Experten im eigenen Haus vorhalten? Neben der Kostenersparnis bietet diese Zweiteilung einen weiteren erheblichen Nutzen: Da die Maschinenhersteller das Wissen um die eigenen Anwendungen nicht nach außen tragen, schützen sie sich vor der Gefahr des Know-how-Transfers.

Mike Goutrié - Framework-Entwickler

Mike Goutrie: "Wer es sich im Studium zu leicht macht, hat es später schwerer."
Mike Goutrie: "Wer es sich im Studium zu leicht macht, hat es später schwerer."
Foto: IT -Engineering GmbH

Auch Softwareentwickler können sich verrechnen: Als er anfing, Informatik zu studieren, strebte Mike Goutrié einen Beruf an, in dem es mehr um Codes als um Menschen geht. Nun hat er beides: eine Arbeit, die auf der Hochsprache C++ basiert, und Kontakt zu vielen Menschen. "Die Kommunikation mit Softwareentwicklern ist extrem anspruchsvoll, und erst recht die mit Anwendern." Zurzeit "renoviert" er die Steuerungssoftware eines Maschinenbauunternehmens.

Diese ist fachlich so ausgereift, dass sich der Aufwand auf jeden Fall lohnt. Allerdings bereitet es heute einige Mühe, sie an neue Maschinentypen anzupassen. Mitunter stolpert der Entwickler über Details, deren Sinn sich ihm selbst nach längerem Nachdenken nicht erschließt. Dann ist Goutrié froh, dass sein Kunde bei der Entwicklung von Anfang an Wert auf eine sorgfältige Versionsverwaltung gelegt hat.

Dem Informatiker gefällt die Vielfältigkeit seiner Projekte. Wenn er keine bestehende Software anpasst, entwickelt er neue Frameworks.

Er denkt gerne abstrakt, in klaren Linien. Das hat viel mit Kreativität zu tun. Jedes Problem verlangt nach einer individuellen Lösung. Sein Arbeitgeber hat dazu ein agiles Vorgehensmodell eingeführt. Das Team beginnt jeden Tag mit einer viertelstündigen Besprechung im Stehen. "Das ist energiereicher. Man ist beweglicher. Wenn man sich erst einmal gesetzt hat, steht man so schnell nicht wieder auf."

Zum einen entstehen in den täglichen Sitzungen mitunter Ideen, auf die der einzelne Entwickler vielleicht gar nicht gekommen wäre. Zum anderen gehen so alle Beteiligten sicher, dass sie noch in dieselbe Richtung marschieren, und werden notfalls zurückgepfiffen. Die Ziele werden etwa monatsweise festgelegt. Um sie zu erreichen, verbringt Goutrié seinen Tag in der Regel am Schreibtisch mit Monitor und Block: "Ich bin ein Papiermensch, kritzele Diagramme, notiere Gedanken." Dann wird das Ergebnis in Codes gegossen. "Der Prozess ist eigentlich immer der gleiche: schreiben, kompilieren, testen."