Emulations-Toolkit verspricht simple Portierung

Emulations-Toolkit verspricht simple Portierung Wine versetzt Linux-User in einen Windows-Rausch

19.03.1999
SAN JOSE (ade) - Emulatoren für fremde Betriebssysteme sind seit jeher eine klassische Linux-Domäne. Suns Windows- Kompatibilitätspaket "Wabi" verabschiedet sich zwar allmählich, doch für eine kleine Programmiergruppe des Open-Source-Toolkits "Wine" schlug auf der Linuxworld Expo im kalifornischen San Jose die große Stunde.

Nach der Pleite von Sun mit dem Windows-Emulationspaket "Wabi" für Sun-Workstations und Javastations - der Hersteller hat die weitere Entwicklung eingestellt - blickt die Linux-Gemeinde derzeit auf eine kleine Entwicklergruppe, die das Betriebssystem von Linus Torvalds zur alternativen Applikationsplattform für Windows küren will. Mit Wine, einer kostenlosen Implementierung der Windows-3.x- beziehungsweise Win-32- (Windows 95/98)-APIs für die Linux-Oberfläche X-Window, zog die Entwicklergruppe scharenweise Interessenten an ihren Stand.

Dabei handelt es sich quasi um ein Entwicklungs-Toolkit (Winelib), mit dem der generische Windows-Code auf Unix/ Linux portiert wird, und um einen Programmlader, mit dem sich Binärapplikationen von Windows 3.x, Windows 98 sowie Windows NT unmodifiziert auf Intel- basierten Linux-Rechnern einsetzen lassen.

Das Emulations-Tool erfordert keine Komponenten von Microsofts Windows-Betriebssystemen, obwohl sich existierende Dynamic Link Libraries (DLLs), soweit vorhanden, nutzen lassen, erklärte Douglas Ridgway, Programmierer im Team für Wine. Ziel ist es nach den Worten des Entwicklers, daß sich vorhandene Windows- Anwendungen ohne großen Aufwand auch auf Linux-Systemen nutzen lassen.

Als ersten Supporter hat das Team um Ridgway den kanadischen Grafikspezialisten Corel gewinnen können. Das Unternehmen um CEO Michael Copland will Wine nutzen, um die komplette Suite seiner Applikationen inklusive "Wordperfect Office 2000" bis Ende dieses Jahres auf die Linux-Plattform zu portieren. Auf der Messe zeigte der Hersteller eine Windows-Version der Tabellenkalkulation "Quattro Pro" von Corel, die auf einer Linux-Machine unter Wine lief.

Ganz neu ist das Wine-Projekt freilich nicht. Bereits 1993 hatte sich das Team mit einer Portierung des Windows-Spiels Solitaire rund ein Jahr beschäftigt: "Mittlerweile emulieren wir rund 90 Prozent der meistgenutzten Windows-Pakete", so Ridgway. Dazu gehörten Word, Excel und andere Office-Programme. Hinzu kämen unter anderem Internet-Programme von America Online, "Eudora" sowie Microsofts Browser "Internet Explorer", Entwicklungs- Tools wie "Jbuilder" und die Lotus-Groupware "Notes". Die neuesten Versionen wie Office 2000 seien allerdings noch nicht gänzlich kompatibel, räumte der Programmierer ein. Ridgway: "Das Beste daran ist: Wine ist kostenlos, den Code liefern wir mit."

Auf eine - ob positive oder negative - Reaktion des Softwareriesen Microsoft warten die Programmierer bislang vergebens.