"Empower Germany": IT-Branche macht sich Mut

19.12.2002
Von 
Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.

Rolf Schwirz, Deutschland-Chef von Oracle

Ich möchte nicht von einer wirklichen Branchenkrise sprechen. Wir sind nach dem E-Business- und Dotcom-Hype zurückgekehrt zu dem, was ich als relativ normal bezeichne. Betroffen davon sind vor allem jene Nischenanbieter, insbesondere in der Softwarebranche, die nur gegründet wurden und existieren, weil es diesen Hype gab. Diese Unternehmen sind jetzt in einer existenzbedrohenden Situation. IT-Lieferanten, die schon vorher etabliert waren, spüren das Ende des Booms jedoch ebenfalls. Auch das ist eine Rückkehr zur Normalität. Nähert man sich dem Thema differenzierter, kommt man auch zu einer zuversichtlicheren Einstellung. Dies schließt natürlich die Medien ein, die hier positiv Einfluss nehmen sollten. Momentan findet am Markt ein Auswahlprozess statt. Viele Anwender überprüfen derzeit deshalb ihre früheren Investitionen. Auch diese Veränderungen bieten Chancen.

Differenzierte Investitionen

Der IT-Standort Deutschland wird nach wie vor einer der wichtigsten in Europa sein, und IT wird auch langfristig eine Wachstumsbranche bleiben. Was sich als Einziges geändert hat nach dem E-Business-Hype, ist Folgendes: Die Kunden treffen Investitionsentscheidungen jetzt sehr viel genauer und differenzierter. Mehr denn je zählt der unmittelbare monetäre Nutzen. Profitieren können davon alle IT-Segmente, die dem Kunden diesen kurzfristigen Return on Investment bieten. Ein gutes Beispiel hierfür sind Linux-Server, die überdurchschnittliche Wachstumsraten erzielen werden. Außerdem entwickeln sich Web-Services, Wireless-Services sowie alle Produkte, die jede Art von Konsolidierung unterstützen, positiv. Mehr Druck entsteht 2003 in erster Linie im Bereich der Professional-Services. Hier gibt es zurzeit ein Überangebot, das sich preissenkend auswirken und auch zu Konsolidierungen führen wird. Kunden wählen heute eher kurze Projektlaufzeiten, um dann Schritt für Schritt zu überprüfen, ob sich der versprochene finanzielle Nutzen auch wirklich einstellt.

Helmut Wilke, Deutschland-Chef von Sun

Die IT-Branche muss endlich aufhören, immer komplexere Technologie zu verkaufen, um anschließend mittels Services alles zum Laufen zu bringen. IT muss drastisch einfacher werden, weg von der Mystifizierung, hin zu einer normalen Dienstleistung. Aber nur wenige Anbieter werden diesen Schwenk im kommenden Jahr schaffen. Derzeit dominieren noch die Stimmen der Verlierer, doch wer sich auf die geänderten Anforderungen eingestellt hat, bei dem geht das Geschäft auch wieder aufwärts.IT-Chefs müssen zudem wieder Mut zu Investitionen entwickeln. Dabei sollten ihnen die Hersteller mit überzeugenden Lösungen helfen. Dringend erforderlich wäre es, den Mittelstand zu mehr Internet-Anwendungen zu motivieren. Die aktuelle Wirtschaftspolitik macht jedoch den Standort Deutschland immer teurer, sprich unattraktiv. Ein möglicher Negativtrend: Rechenzentren werden ins Ausland verlagert, IT-Investitionen verschoben. Das Internet kennt keine Standortfrage.

Vereinfachung und Transparenz

Der Druck auf die Personalkosten wird auch im kommenden Jahr unvermindert hoch bleiben. Daher sind externe Serviceanbieter, Berater und Systemintegratoren besonders betroffen. Gesucht sind Lösungen, die Personalkosten sparen und nicht die Dienstleistungsbudgets hochtreiben. Sicher gibt es im Jahr 2003 auch Wachstumschancen: Vorhaben mit kurzem Return on Investment (RoI) werden Konjunktur haben. Dazu zähle ich Web-basierende Dienste rund um das Mobile Computing und den Bereich der Internet-Sicherheit. Die anstehenden Infrastruktur-Investitionen zielen primär auf Vereinfachung und Transparenz. Große Anbieter wie SAP und Sun werden vom Konsolidierungstrend der Branche profitieren. An ERP, CRM, neuen Web-basierenden Diensten und der Integration von Geschäftsprozessen kommen Unternehmen auch 2003 nicht vorbei.