NAS-Speicher IP4700 zu Niedrigpreisen

EMC sagt Network Appliance den Kampf an

15.12.2000
MÜNCHEN (ba) - EMC will mit seinem neuen Speichersystem "IP4700" den Markt für Network Attached Storage (NAS) aufrollen. Doch Marktführer Network Appliance bleibt gelassen, zumal sich EMC als Anbieter hochpreisiger Systeme auf einen neuen Markt mit anderen Gesetzen einlässt. Hersteller wie Compaq und IBM entwickeln unterdessen Technologien, die EMC in naher Zukunft das Speichergeschäft verderben könnten.

Mit der Ankündigung neuer Speichergeräte für den NAS-Markt machte der Hersteller den Gerüchten ein Ende, die seit Wochen durch die Branche geisterten. Doch mit seiner neuen Strategie begibt sich der auf Highend-Systeme spezialisierte Anbieter auf unbekanntes Terrain. Den Markt haben bereits andere unter sich aufgeteilt. Vor allem Network Appliance, das sich mit den File-Servern der "F700"- und "F800"-Reihe einen Anteil von etwa 60 Prozent des weltweiten NAS-Geschäfts gesichert hat, will sich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen.

Basis der NAS-Strategie EMCs ist der unter dem Codenamen "Chameleon" entwickelte Speicher-Server "Clariion IP4700". Das Gerät, das den Midrange-Bereich adressieren soll, basiert auf der im letzten Jahr eingekauften "Clariion"-Technik von Data General. Die Maschine lässt sich bis zu einer Kapazität von 3,6 TB ausbauen. Anwender können somit maximal 100 Festplatten mit je 36 GB nutzen.

EMC stellt vor allem den Hochverfügbarkeitsaspekt seiner neuen NAS-Systeme in den Vordergrund. Neben den Prozessoren sind auch die Stromversorgung und Kühlung redundant ausgelegt. Jede Festplatte lässt sich über zwei Fibre-Channel-(FC-)Kanäle angesteuern. Die Anbindung an das Firmennetz funktioniert über ebenfalls ausfallsicher angelegte Ethernet-Verbindungen. Die IP4700 unterstützt Protokolle der File-Systeme NFS (Network File System) und CIFS (Common Internet File System). Somit kann von Windows- wie Unix-Plattformen auf den Storage-Server zugegriffen werden. Die Einstiegsversion mit einem Speicherplatz von 180 GB soll 82000 Dollar kosten. Der Preis für eine typische Konfiguration soll bei etwa 120000 Dollar liegen.

Neben dem reinen NAS-Speichersystem hat EMC den "Celerra-SE-File-Server" angekündigt (SE steht für Single Enclosure). Das Gerät kombiniert einen File-Server aus der Celerra-Reihe mit einem "Symmetrix"-Array. Die Speicherkombination bietet Kapazitäten zwischen 1,1 und 8 TB. Über die Clustering-Funktionen lässt sich der Speicher unternehmensweit skalieren. Außerdem stattet EMC das Gerät mit Software-Tools wie "Time Finder" und "Symmetrix Remote Data Facility"(SRDF) aus, die ursprünglich aus dem Bereich der Highend-Symmetrix-Reihe stammen, mit denen EMC den Markt für dedizierte Speichernetze adressiert.

Herzstück des Systems ist die "Highroad"-Software. Laut Hersteller sollen damit die Vorteile des NAS- und SAN-Konzeptes in einer Maschine kombiniert werden (SAN steht für Storage Area Network).

In NAS-Umgebungen laufen alle Datenzugriffe über das LAN und den File-Server. Dadurch können Anwender zwar das File-Sharing nutzen, jedoch sind Skalierbarkeit und Leistung dieser Architektur begrenzt. In einem SAN funktioniert der Zugriff auf die Informationen direkt vom Server auf die Speichersysteme. Diese Konfiguration erlaubt höhere Skalierbarkeit und Leistung, jedoch müssen die Daten für jede Plattform separat vorgehalten werden, da kein File-Sharing unterstützt wird.

Highroad soll Daten intelligent verteilenHier soll Highroad Abhilfe schaffen. Die Software, die auf dem Celerra-SE-Device residiert und auf Agenten in den angeschlossenen Servern zurückgreifen kann, steuert den Datenverkehr zwischen dem SAN und den Rechnern im Firmennetz. Sucht eine Applikation nach Daten, erfolgt eine Anfrage über das IP-Netz an das Celerra-Gerät. Wird nur ein kleines File angefordert, läuft die Information wie in einer herkömmlichen NAS-Umgebung über das LAN. Benötigt der Rechner einen größeren Datenblock, organisiert Highroad den Datentransfer vom Speichersystem über das SAN direkt zum Server. Vorteil von EMCs Softwarelösung ist, dass auch im SAN die Daten nur einmal vorgehalten werden müssen. Highroad sorgt für die richtige plattformspezifische Übersetzung.

In der ersten Version unterstützt Highroad Windows-NT/2000-Plattformen sowie das Unix-Derivat Solaris von Sun. Laut Malte Rademacher, Marketingleiter von EMC Deutschland, sollen im nächsten Jahr auch die anderen gängigen Unix-Varianten wie IBMs AIX sowie HP-UX unterstützt werden. Die Verantwortlichen des Speicherriesen erwarten von ihrem neuen Produkt den Brückenschlag zwischen NAS- und SAN-Architekturen. "Die Debatte NAS versus SAN ist vorbei", behauptet Jim Rothnie, Chief Technical Officer (CTO) bei EMC.

Die Stoßrichtung von EMC ist eindeutig gegen die Vormachtstellung von Network Appliance im NAS-Markt gerichtet. Das will die in Hopkinton, Massachusetts, beheimatete Firma auch nicht verhehlen. Network Appliance reagiert jedoch gelassen auf das Säbelrasseln des Konkurrenten. Mark Santora, Senior Vice President für das Marketing, sieht keinen Grund, die bestehende Strategie zu ändern. Der Schritt EMCs, das gleiche Geschäftssegment zu adressieren, bestätige vielmehr die eigene Ausrichtung. Gunther Thiel, Business Development Manager bei Network Appliance, geht sogar noch einen Schritt weiter. EMC werde seiner Company einiges an Marketing-Arbeit im Sinne der Evangelisierung des Marktes abnehmen. Auch vor dem Wettbewerb ist Thiel nicht bange: "Ein Markt ohne die entsprechenden Player ist kein Markt."

EMC geht trotzdem sehr selbstbewusst in die Auseinandersetzung. Vor allem über eine aggressive Preispolitik wolle man den Wettbewerber unter Druck setzen, kündigt Chief Operating Officer Joseph Tucci an. So koste eine IP4700 nur etwa halb so viel wie geclusterte Speichersysteme aus der "F840"-Serie des Konkurrenten, die die gleichen Hochverfügbarkeitsfunktionen wie die EMC-Maschine biete. Damit werde man im Laufe des nächsten Jahres die Marktführerschaft übernehmen, poltert Tucci.

"Da wird sich EMC schwer tun", kontert Sandra Adelberger, zuständig für Business Development von Network Appliance in Zentraleuropa. Vom Netzdurchsatz könnten die EMC-Systeme nicht mit den F840er-Maschinen mithalten. Vielmehr müsse man die IP4700 als Konkurrenz für die Midrange-Systeme der eigenen F700er-Reihe einordnen, auch wenn Rademacher von EMC die gesamte File-Server-Reihe des Wettbewerbers ins Visier nehmen möchte. Von der Verfügbarkeit könnten die eigenen Systeme mit der neuen EMC-Maschine mithalten, erläutert Adelberger. So seien auch die Geräte der F700er und F800er Serie mit redundant angelegten Netzteilen und Lüftern ausgestattet. Die Netapp-Managerin verweist ferner auf eine beim Kunden gemessene Verfügbarkeit von 99,99 Prozent.

Thiel sieht weitere Vorteile auf der Seite von Network Appliance. So gehe es heute nicht mehr allein darum, Daten zu speichern und vorzuhalten, sondern diese auch in der richtigen Qualität und Menge dorthin zu bringen, wo sie gebraucht werden. Unter diesem Gesichtspunkt könne Network Appliance die NAS-Boxen mit seinen Caching-Systemen verknüpfen, und damit eine End-to-End-Lösung für eine unternehmensweite Datenversorgung anbieten.

Auch das Preisargument EMCs wackelt. Bei einem Einstiegspreis von umgerechnet etwa 180000 Mark für die IP4700 und 264000 Mark für eine Durchschnittskonfiguration ordnet sich EMC in die Preispalette der Konkurrenz ein. So beginnen zwar die Preise für das Highend-System F840 von Network Appliance bei 280000 Mark. Der Basispreis für eine F720 liege dagegen bei 54000 Mark, erklärt Adelberger.

Man werde nicht an der Preisschraube drehen müssen, um seine Marktanteile zu halten, bilanziert Thiel. Der Manager vermutet jedoch, dass EMC mit seiner zweigleisigen Preispolitik in Erklärungsnöte bei seinen Kunden geraten wird. So stünden auf der einen Seite die Symmetrix-Systeme, für die EMC hohe Margen einstreiche. Auf der anderen Seite verlange die Company bei den neuen NAS-Maschinen jedoch deutlich weniger pro Megabyte und mache auch Abstriche beim Profit. EMC-Manager Rothnie wiegelt kurz ab: Das NAS-Geschäft werde keinen Einfluss auf die anderen Bereiche haben. Doch davon sind die meisten Analysten nicht überzeugt. So interpretiert Thomas Kraemer, Analyst bei Merrill Lynch, die geringeren Profitmargen EMCs im NAS-Geschäft als Zugeständnis an den Markt. Außerdem könnte mit dieser Strategie durchaus auch das Symmetrix-Geschäft unter Druck geraten.

Die meisten Auguren glauben nicht, dass der Eintritt EMCs in das NAS-Geschäft die bestehenden Verhältnisse durcheinanderwirbeln wird. Zwar bedeute es für die Zukunft, dass der Wettbewerb für Network Appliance härter werde, doch um die Marktposition des Börsenlieblings sorgen sich die Marktforscher nicht. Das Wachstumspotenzial werde auch in Zukunft dafür sorgen, dass Network Appliance in den nächsten Jahren durchschnittlich um 100 Prozent pro Jahr zulegen könne, lautet die optimistische Prognose.

Diesen Optimismus, was den NAS-Markt betrifft, teilen längst nicht alle Marktbeobachter. Norbert Deuschle, Speicherspezialist der Meta Group, beurteilt die zukünftige Entwicklung wesentlich kritischer und differenzierter. So gebe es zwar bestimmte Anwendungsbereiche, für die NAS-Architekturen ideal seien. Dazu gehört zum Beispiel Web-Caching, wo viele kleinere Dateien bewegt werden oder Kopien der Files erforderlich sind. Andererseits mache eine NAS-Architektur beispielsweise bei Datenbankanwendungen weniger Sinn, da es dort um eine blockorientierte Datenübertragung geht. Dabei stießen NAS-Systeme schnell an ihre Leistungsgrenzen.

Netz als Flaschenhals der NAS-ArchitekturIm NAS-Konzept ändert sich nichts an der Topologie des LANs, über das die Daten geschickt werden, erklärt der Marktforscher. Trotz neuer Techniken wie Gigabit-Ethernet dürfte angesichts der wachsenden Datenberge bald das Netz den Flaschenhals des Speichersystems bilden. Unter diesem Gesichtspunkt ist laut Deuschle der EMC-Ansatz, NAS- und SAN-Funktionen in der Celerra SE zu verbinden, vielversprechend. Je nach Art der angeforderten Daten wählt das Speichersystem die effektivste Methode für die Übermittlung. Kleine Files laufen über das LAN, große Datenblöcke werden über das SAN direkt an die Server übermittelt. Allerdings ist diese Idee nicht neu. So verfolgt zum Beispiel MTI mit den Geräten seiner "S200"-Reihe das gleiche Konzept.

Mit seinem dedizierten NAS-System werde es EMC jedoch schwer haben, vermutet der Meta-Analyst. Network Appliance habe sich als renommiertes Unternehmen im Markt etabliert. Außerdem hätten viele Server-Hersteller wie Compaq, Dell, Hewlett-Packard und IBM das NAS-Geschäft ebenfalls im Visier. "Das wird ein heißer Tanz."

Allerdings könnte die Frage, ob SAN oder NAS, bald nur noch Makulatur sein, prognostiziert Deuschle. Viele Hersteller entwickeln Produkte und Techniken, bei denen die Speicherhardware nurmehr eine untergeordnete Rolle spielt. "Der Trend heißt Virtualisierung", stellt der Analyst fest. Damit werden Speicherfunktionen von der Hardware gelöst und in einer Art Storage-Betriebssystem integriert. Dieser intelligenten Middleware ist es dann egal, mit welchen Speichergeräten gearbeitet wird, da es die Schnittstellen zur Hardware emuliert. Zwar ist diese Idee bislang noch Zukunftsmusik, doch wäre damit ein Großteil der Standardisierungsschwierigkeiten im SAN-Umfeld gelöst.

Das Zauberwort heißt VirtualisierungSo bietet beispielsweise die US-Firma Datacore mit "SAN-Symphony" eine Software an, die verschiedene Storage-Produkte unter einem Dach zusammenfasst. Auch Compaqs "Versastore"-Initiative beruht auf der gleichen Idee. Allerdings werden bislang nur die eigenen Produkte unterstützt. Auch die IBM, die mit Compaq im Speichergeschäft zusammenarbeitet, plant mit "Storage Tank" ein plattformunabhängiges Speicher-Management. Ferner springen auch die Softwareanbieter auf den Virtualisierungszug. So hat kürzlich Veritas mit "Vertex" eine ähnliche Strategie auf die Beine gestellt.

Diese Initiativen kommen den Bedürfnissen der Anwender entgegen, bekräftigt Deuschle. Das Dilemma sei heute, dass die Kunden verschiedene Speicherhard- und Software in Betrieb haben, aber nichts davon passt zusammen und funktioniert richtig. Dieses Problem kann mit einer Hersteller- und Plattform-übergreifenden Virtualisierungsschicht gelöst werden, lobt der Meta-Mann das Prinzip.

Ob sich EMC diesem Trend entgegenstemmen kann, bleibt abzuwarten. Mit den jüngsten Bewegungen im Speichermarkt ziehen jedoch dunkle Wolken über Hopkinton auf. Sun Microsystems hat mit dem Kauf der Softwareschmiede Highground zarte Bande zu Compaq geknüpft, das eine Beteiligung an dem Anbieter von Speicher-Management-Applikationen hält. Über die Allianz zwischen Compaq und IBM sitzen auch die Armonker mit im Boot. Ist das der Grundstein eines Anti-EMC-Bündnisses?

Abb.1: Anteile im Speichermarkt

Im NAS-Markt stehen die Zeichen für EMC ganz anders. Während sich EMC im SAN-Geschäft auf einen soliden Anteil von 30,2 Prozent ausruhen kann, muss man im NAS-Markt gegen starke Konkurrenz antreten. Quelle: Dataquest

Abb.2: Wachstum Speichermarkt NAS & SAN

Das Speichergeschäft blüht: Doch angesichts der wachsenden Datenberge verspricht das Geschäft mit Storage Area Networks in den nächsten Jahren den höheren Profit. Quelle: Dataquest