Neues PC-Konzept will mehr Anwender erreichen

"Elektronischer Griffel" soll die herkömmliche Tastatur ersetzen

08.02.1991

MÜNCHEN (zek) - Mit dem "Pen Point" hat die kalifornische Go Corp. jetzt ihr lange erwartetes Betriebssystem vorgestellt, das handschriftliche Eingaben erkennt und bei dem auf eine Tastatur verzichtet werden kann. Mit ähnlichen Systemen versuchen auch Sony und Microsoft sich eine Scheibe eines zukunftsträchtigen Marktes abzuschneiden.

Pen Point wurde für Computer ohne Tastatur konzipiert. Sämtliche Eingaben erfolgen mittels eines elektronischen Griffels auf einer sensorischen Oberfläche. LCD-Symbole auf dieser Oberfläche wirken dabei als Wegweiser durch Applikationen und Befehle. Darüber hinaus soll Pen Point auch handschriftliche Notizen erkennen und in ASCII-Code umwandeln. Elf Befehlssymbole sind die Grundlage des Systems. Je nach dem Kontext, in dem diese Befehle eingegeben werden, haben sie verschiedene Bedeutungen. So wird ein Kreis in einem Programm für Innenarchitekten als Tisch erkannt, in einem Texteditor als Buchstabe"O", in einem Befehlsfenster als Aufruf, einen bestimmten Text zu bearbeiten.

Nach Ansicht des Herstellers und von US-Analysten könnten derartige Betriebssysteme neue Anwenderschichten erschließen. So wendeten bis jetzt Angehörige des höheren Managements und Beschäftigte im Außendienst eher selten PCs an. Computer, die wie ein Notizblock funktionieren, könnten aber ohne störende Nebeneffekte auch in Konferenzen oder auf Baustellen benutzt werden.

In Sachen Software haben etwas 40 Unternehmen Go bereits ihre Unterstützung zugesagt. So werden Lotus, Borland und Wordperfect Programmversionen für Pen-Point-Systeme entwickeln und anbieten. Die Hardware soll von Go selbst sowie Drittherstellern wie Grid und NCR kommen. Marktführer IBM hat bereits im April 1990 eine Lizenz für Pen Point erworben. Der Go-Prototyp, auf dem Pen Point vorgestellt wurde, war noch ein 286er System. Bei den ersten Serienmodellen dürfte es sich aber um leistungsfähigere 386er handeln. Pen Point ist zwar nicht DOS-kompatibel, es liest und schreibt aber DOS-kompatible Daten. Versionen für die gängigen RISC-Prozessoren sind in Vorbereitung.

Das erste Seriengerät erwartet die Fachwelt von der Grid Corp. Mit seinem System "Gridpad" hatte das Unternehmen bereits vor zwei Jahren die Basis für eine passende Hardware vorgestellt. Das kalifornische Unternehmen will seinen 386-basierten Pen-Point-Rechner bis zum Jahresende zum Preis von etwa 5000 Dollar herausbringen.

Wie groß der PC-Software-Marktführer Microsoft die Bedeutung der Griffel-basierten Betriebssysteme einschätzt, zeigt der Umstand, daß das Bill-Gates-Unternehmen in diesen Tagen ebenfalls ein ähnliches System vorstellen will. Dieses "Pen Windows" basiert auf Windows 3.0. Nach Aussage von Bill Gates sollen die Entwicklerversionen bis März verfügbar sein. Beta-Tester, die Pen Point und Pen Windows prüfen konnten, meinten jedoch, daß Microsoft-System könne Pen Point bei weitem nicht das Wasser reichen. So würde beispielsweise die Handschriftenerkennung noch fehlen, außerdem sei Pen Windows noch nicht auf die Eingabe mit dem elektronischen Griffel hin optimiert.

Das Sony-System, das bislang nur in Japan verkauft wird, orientiert sich an der Macintosh-Oberfläche. Es basiert auf dem Prozessor 68000 und Handschriftenerkennung mit Fuzzy-Logik. Von seiten der Sony Corp. sind allerdings noch keine Anstrengungen erkennbar, diese Technologie auch Drittherstellern und Softwarehäusern anzubieten.

Mehr Elektronik für immer neue Anwender

Technischer Fortschritt und der Appetit der Marketing-Strategen auf neue Märkte bescheren uns wieder mal ein neues PC-Konzept für die Zukunft. Laptops und Notebooks gehören mittlerweile zum Standardangebot, jetzt sollen die "Notepad"-Rechner den Kreis der Computeranwender erweitern. Angeblich heißt es damit, Abschied von der Tastatur zu nehmen. Alle Eingaben erfolgen mit einem Stift; die neuen Rechner sollen sogar Handschriften erkennen. Für gewisse Anwender mag das durchaus einen Anreiz darstellen. Auf Baustellen, in Fabrikhallen oder Werkstätten, wo Prüflisten abgezeichnet werden oder kurze Notizen gemacht werden müssen, ist der Einsatz solcher Rechner vorstellbar. Andererseits sind das sehr oft Bereiche, wo beispielsweise die Dokumentation von Materialprüfungen auf dem guten alten Papier wesentlich mehr Sinn macht als in elektronischer Form. Und ob mit diesen Geräten auch die Top-Manager erreicht werden, bleibt fraglich. Auch hier scheint der klassische Terminkalender die bessere Lösung. zek