Mit Feingefühl und Menschenkenntnis

Ein Projektmanager ist auch Krisenmanager

02.06.2015
Von 
Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.
Gisela Bolbrügge kennt die Konflikte zwischen Linien- und Projektmanagern aus ihrer Beratungspraxis. Im Interview erklärt die Geschäftsführerin von PerfectMatch aus Unterschleißheim bei München, worauf es ankommt.
  • Linien- und Projektmanager kämpfen um die gleichen Ressourcen
  • Auftakt-Workshops vor Projekten sind eine gut Möglichkeit, alle Projektmitarbeiter im Vorfeld zu motivieren
  • Ein guter Projektleiter hält Stress von seinen Mitarbeitern fern

Weshalb gibt es zwischen Linien- und Projektmanagern immer wieder Streit?

Gisela Bolbrügge, Geschäftsführerin von PerfectMatch, hält nichts von Projektleitern, die sich nur mit Excel-Tabellen auskennen. Neben Fachwissen müssen auch psychologische Kompetenzen gegeben sein.
Gisela Bolbrügge, Geschäftsführerin von PerfectMatch, hält nichts von Projektleitern, die sich nur mit Excel-Tabellen auskennen. Neben Fachwissen müssen auch psychologische Kompetenzen gegeben sein.
Foto: PerfectMatch

Gisela Bolbrügge: Beide kämpfen um die gleichen knappen Ressourcen, nämlich Personal und Budgets. Viele Projekte werden hinsichtlich Zeit und Kosten zu optimistisch geschätzt, manchmal auch bewusst, um das Projekt genehmigt zu bekommen.

Lassen sich Konflikte im Vorfeld entschärfen?

Gisela Bolbrügge: Oft fehlt das Verständnis füreinander. Linienmanager im operativen Geschäft haben zu wenig Zeit, sich mit den Details der Projekte zu beschäftigen. Außerdem sind sie selten mit der Gruppendynamik in Projektteams vertraut. Gleichzeitig sollen sie als Sponsoren diese Projekte begleiten und Mitarbeiter abstellen. Projektmanager jonglieren immer mit vielen Bällen, sie sollen Veränderungen voranbringen. Beide müssen miteinander sprechen, um die jeweils andere Seite besser zu verstehen.

Weshalb sind Zeitpläne oft unrealistisch?

Gisela Bolbrügge: Einem Computer gesteht man Zeit zum Hochfahren zu. Dass auch Menschen Zeit brauchen, um sich auf neue Aufgaben einzustellen, wird dagegen ignoriert. Unter Druck bleibt auch die zwischenmenschliche Kommunikation auf der Strecke. Dabei ist es wichtig, dass sich alle Projektmitarbeiter vorher persönlich kennenlernen und auf gemeinsame Ziele einigen.

Sind solche Treffen in Zeiten von Videokonferenzen nicht überflüssig?

Gisela Bolbrügge: Keineswegs. Alle neuen technischen Möglichkeiten sind wichtig, doch wer sich das Geld für einen Auftakt-Workshop spart, zahlt später drauf. Ich habe oft erlebt, dass Projektteams einige Monate vor sich hinarbeiten aber nichts klappt. Die Mitarbeiter sind frustriert. Wenn nach vielen Rückschlägen doch ein Treffen einberufen wird, ist es viel schwieriger, die Leute wieder zu motivieren und auf ein Ziel einzuschwören. Und teurer ist es außerdem.

Gelingt der Wechsel von einer Linien- zu einer Projektaufgabe immer reibungslos?

Gisela Bolbrügge: Das wird zwar erwartet, doch von einer hierarchischen Struktur mit klaren Aufgaben und festgelegten Arbeitsprozessen in ein Projektteam zu wechseln, bedeutet einen großen Schritt auf unbekanntes, risikoreiches Terrain.

Was zeichnet einen guten Projektleiter aus?

Gisela Bolbrügge: Die wichtigste Aufgabe ist es, Stress von seinen Mitarbeitern fern zu halten und ein oft bunt zusammengewürfeltes Team mit unterschiedlichen Charakteren zu leiten. Dafür braucht es eine gute Ausbildung, die neben Fachwissen auch psychologische und gruppendynamische Aspekte beinhaltet. Doch stattdessen lernen viele nur, wie sie Excel-Listen erstellen. Von einem Management per E-Mail halte ich nichts, denn die größte Herausforderung sind die Menschen im Team, die auch mal Widerstand zeigen und eigene Ziele verfolgen. Sie alle ins Boot zu holen, ist die Aufgabe eines guten Projektmanagers. Dafür braucht es Feingefühl und Menschenkenntnis.