Firmenchefs machen Betriebsrat zum Sündenbock

Die Zukunft von Comet ist durch interne Querelen belastet

17.03.2000
MÜNCHEN (gfh/ls) - Internet-Techniken sollen die seit fast einem Jahrzehnt dahindümpelnde betriebswirtschaftliche Software "Comet" fit für die Zukunft und ihre gleichnamige Trägerfirma börsenfähig machen. Doch jetzt ist ein Konflikt zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat eskaliert.

Die Geschäftsführung hat sich mit den eiligen Maßnahmen zur Neuausrichtung von Comet nicht nur Freunde gemacht. In einem anonym verbreiteten Papier wird dem alleinigen Besitzer von Comet, Karl-Heinz Voß, vorgeworfen, den Betriebsrat aushebeln zu wollen, um nach Entlassungen mit einem Börsengang "schnell abzocken" zu können.

Die guten Zeiten der Nixdorf-Ära sind längst passé. Bei Siemens-Nixdorf wurde Comet vernachlässigt, schließlich erst in die Q.4 IBS GmbH ausgegliedert, dann an Baan verkauft und bald an Karl-Heinz Voß weitergereicht. Seither ist die Firma für Entwicklung und Support zuständig, während die Rechte und damit die Einnahmen bei der von Voß gegründeten Comet AG, Hannover, liegen.

Die neue Führung ist ausgesprochen aktiv. Die einst in Business-Basic programmierte Software steht kurz vor der Freigabe für Windows NT und erhält eine Web-Oberfläche. Zudem entstehen neue Features auf Java-Basis. Noch in diesem Jahr wollte die Comet AG am Börsenboom teilhaben und Aktien ausgeben. Doch aufgrund der internen Querelen droht die erhoffte Geldspritze von Investoren und Aktionären zumindest vorläufig auszubleiben.

Die Modernisierung von Comet wird allgemein akzeptiert. Q.4-IBS-Geschäftsführer Karl-Heinz Plünnecke: "Wenn wir mit der Altsoftware weiterarbeiten, sind wir in einem Jahr tot." Der Zeitrahmen für Teilprojekte war aber wohl einigen Mitarbeitern zu eng gesetzt.

Für einen Börsengang sind jedoch weitere Umstrukturierungen nötig. Die Voß gehörende Q.4 IBS soll im Vorfeld ihre Scheinselbständigkeit verlieren und als Tochtergesellschaft in dessen Comet AG integriert werden. Dabei stört der Betriebsrat. Plünnecke beklagt sich: "Wenn ich für jede Zuordnung von Büros für Mitarbeiter erst mit dem Betriebsrat reden muss, komme ich nicht mehr dazu, das Produkt voranzubringen." Damit spielt er jedoch die Probleme herunter.

So befürchten Q.4-IBS-Mitarbeiter Nachteile, wenn sie zu Comet "versetzt" werden sollen. Da es sich um zwei getrennte Firmen handelt, müssen die Mitarbeiter einen neuen Vertrag erhalten. Weil die Comet AG von Voß als Startup-Company verstanden wird, sind die Konditionen dort nicht unbedingt besser als bislang bei Q.4 IBS. Einen Betriebsrat gibt es selbstverständlich auch nicht.

Beunruhigend sind auch vage Ankündigungen, wonach Prozesse optimiert und die Verwaltung gestrafft werden sollen. Sie schüren die Furcht vor Entlassungen und rufen den Betriebsrat auf den Plan, der zumindest wissen will und muss, welche mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen getroffen werden sollen.

Zur CeBIT ließ die Geschäftsleitung die Katze aus dem Sack: Die Geschäftsstellen Berlin, Duisburg und München wurden geschlossen, die 21 dort in Consulting und vor allem Support tätigen Mitarbeiter entlassen. Begründung: Die Filialen seien überbesetzt gewesen und hätten den Großteil der Supportanfragen ohnehin an das Entwicklungsteam in Paderborn weitergeleitet. Künftig werden sich die Softwarepartner und die Key-Account-Kunden direkt an die Paderborner Q4.IBS-Zentrale wenden müssen.

Außerdem zitiert Plünnecke gegenüber der CW aus seiner eigenen Mail an die Mitarbeiter, in der er sich über einen "völlig uneinsichtigen und blockierenden Betriebsrat" beklagt. "Ein Börsengang mit diesem Betriebsrat in der Q.4 IBS ist nicht machbar. Der Betriebsrat ist dafür verantwortlich, wenn uns der Zugang zum Kapitalmarkt verwehrt bleibt."

Daraufhin gab es einen Tag nach der CeBIT eine turbulente Betriebsversammlung, bei der die Personalvertreter Rückendeckung der Mitarbeiter bekamen. Es bestätigte sich der Verdacht, dass für die Q.4 die Gehälter nicht überwiesen worden waren. Das versucht die Geschäftsleitung heute mit Problemen bei der Umstellung auf eine neue Software zu erklären. Jedenfalls musste Eigner Voß Privatvermögen einsetzen, damit die Löhne bezahlt werden konnten.

Damit ist der Konflikt allerdings nicht ausgestanden, die Ursachen bestehen weiter, und neue Probleme sind absehbar. Die Entwickler sind auf Business-Basic spezialisiert, nach der neuen Orientierung von Comet sind jedoch NT-, HTML- und Java-Kenntnisse gefragt. Auf die Frage nach möglichen Entlassungen in Paderborn erklärte Plünnecke: "Wir reden über maximal noch fünf bis sieben Leute." Aber die sollten nicht gefeuert werden, sondern freiwillig den Arbeitsplatz räumen.

Inzwischen rudert Vorstand Plünnecke zurück. "Es war vielleicht taktisch nicht so gut, den Betriebsrat in die Entscheidung nicht einzubeziehen." Er betont die Notwendigkeit eines "koordinierten Übergangs". Der Betriebsrat steht nicht mehr im anfänglichen Verdacht, das anonyme Papier in die Öffentlichkeit gebracht zu haben. Einzelne darin genannte Details könne nur ein Topmitarbeiter kennen, "der lange Erfahrungen im Umfeld Baan und Q.4 hat" und aktuelle Informationen von einem "internen Maulwurf" bekomme.

Gleichwohl ist die Unruhe im Betrieb größer als zuvor. Der Betriebsrat und einige Mitarbeiter, deren Namen sich durchweg ungefragt auf dem Flugblatt fanden, haben sich gegenüber der COMPUTERWOCHE von dem Elaborat distanziert, in der Sache und im Ton. Die durch die Auflösung der Supportzentren alarmierten Partner sind besorgt, ob sich die für den 18./19. Mai geplante Freigabe von Comet-NT und die Vorstellung einer Web-fähigen Version halten lassen. Wenn nicht, wären auch die Aussichten auf einen Börsengang in diesem Jahr verbaut. Und dieser Aspekt vor allem scheint in der Belegschaft Befürchtungen zu nähren, dass Voß als Besitzer und Geldgeber aufgibt und das Unternehmen verkauft. Bei gut 6000 Kunden gäbe es wohl genug Interessenten.