Offshoring

Die merkwürdigen Ideen der Deutschen

04.10.2010
Von Dr. Andreas Kotulla und Sudarshan Bhide

Fresher und Hardcoding

Mehrere "Freshers" - das sind im Entwickler-Slang die unerfahrenen Uni-Absolventen - wurden für das Projekt abgestellt und mussten ohne ausführliche Einführung loslegen. Noch vor einigen Jahren war es selten ein Problem, gute neue Mitarbeiter zu finden, doch mittlerweile gehen die Besten lieber zu den Produktherstellern. Der Job bei einem Dienstleister ist häufig nur noch zweite Wahl. Zu Johns Verdruss hat vergangene Woche auch sein Freund Prashnat kurzfristig gekündigt. Sein neuer Arbeitgeber, gleich auf der anderen Straßenseite, zahlt 20 Prozent mehr und hat auch ihn schon angesprochen.

Quelle: Fotolia, Microimages
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John ist frustriert. Dennoch möchte er die Aufgabe erfolgreich abschließen. Aus vielen früheren Projekten weiß er, wie wichtig es ist, dass Kunden eigenes technisch versiertes Personal zur Betreuung und Steuerung der Offshore-Partner abstellen. Je genauer sich Mitarbeiter mit firmeninternen Prozessen und dem Umfeld auskennen, desto besser können sie dem entfernten Team Besonderheiten und Abläufe in persönlichen Treffen darstellen. John arbeitet gerne mit solchen Spezialisten, um Entwürfe zu diskutieren und gemeinsame Entscheidungen zu fällen. Leider sind diese Rollen selten besetzt, so dass er immer wieder selbst Annahmen treffen muss.

John konzentriert sich wieder. Mittlerweile ist es selbst für ihn schwierig geworden, die Software zu verstehen. Die ursprüngliche Dokumentation hat kaum noch etwas mit dem aktuellen Projektstand zu tun. Im Code selbst gibt es nur wenige Kommentare, von denen einige zudem durch häufiges Hin- und Herkopieren nicht mehr passen. Wegen Zeitdrucks wurden viele Texte und Parameter "hart" in den Code implementiert. Für den Kunden bedeutet das, dass er später, wenn neue Anforderungen hinzukommen, nicht einfach die Konfiguration ändern kann.

Er muss jedes Mal den Programmcode überarbeiten oder überarbeiten lassen. Das ist zeitaufwendig und wenig flexibel. Große Teile der Funktionen wurden aus anderen Projekten zusammenkopiert und angepasst. Der Code mancher Module umfasst mehrere Seiten und enthält teilweise auch Programmzeilen, die gar nicht ausgeführt werden können. Das missfällt John, doch konnte er sich mit seinen Qualitätsansprüchen leider nicht durchsetzen: Er hätte sich weniger Änderungen und regelmäßige Treffen und Reviews mit dem Kunden gewünscht.