Anwender haben eine Reihe von Integrationsmöglichkeiten

Die Links zwischen Netware und Unix sind Vielschichtig

05.07.1991

Der Trend zu Unix-Anwendungen geht einher mit dem Vernetzungsboom im PC-Sektor. Für unternehmensweite Netzplaner stellt sich daher die Frage nach geeigneten Connectivity-Produkten. Manfred Groß* stellt in seinem Beitrag die wesentlichen Lösungen, die sich auf dem Markt befinden, in einem Vergleich vor.

Betrachtet man die derzeitigen Verkaufszahlen und Installationen im Netzwerkbereich, zeichnen sich zwei "Marschrichtungen" ab. Zum einen geht der Trend hin zu PCs, auf der anderen Seite in den Bereich der Workstations, wo Unix-Systeme deutlich die Oberhand haben. Dies ist nicht weiter verwunderlich, da der Unix-Leistungskatalog Netzwerk-Betriebssysteme beziehungsweise -Protokolle wie TCP/IP und NFS beinhaltet und damit voll im Markttrend liegt. Somit sind gegenwärtig in Deutschland rund 200 000 bis 250 000 Unix-Systeme installiert - mit einer monatlichen Zuwachsrate von etwa 7000 Knoten.

Entgegen allen Unkenrufen der OS/2-Gemeinde werden diese Zahlen in der Zukunft noch weiter ansteigen. Auch im PC-Sektor ist ein anhaltender Vernetzungsboom zu verzeichnen, wo sich Novell mit seinem Netzwerk-Betriebssystem Netware als klarer Marktführer etablieren konnte. Konsequenz dieser Konstellation ist eine immer größer werdende Konfrontation beider Netzwerkbetriebs-Philosophien und damit verbunden die Notwendigkeit der Integration beider Welten zu einem firmenübergreifenden Netzwerk. Im folgenden werden die derzeit praktikablen Lösungen bezüglich einer Novell-Unix-Koppelung mit ihren Vor- und Nachteilen aufgezeigt. Dabei soll weniger auf Details eingegangen werden, sondern vielmehr auf die grundsätzlichen Möglichkeiten, die die jeweiligen Ansätze bieten.

Novell liefert zu der neuen Netware-386- Version 3.11 mit "NFS NLM" eine Serverimplementierung der Protokolle NFS und FTP (siehe Bild 1). Dadurch ist es bei NFS-fähigen Host-Anwendungen möglich, die Plattenkapazität beziehungsweise die im Novell-Netz befindlichen Drucker mitzubenutzen. Dies gewährleistet eine zentrale Datenhaltung beziehungsweise den Datenaustausch zwischen Unix-Systemen und Novell-Netzen. Einschränkend ist dabei allerdings anzumerken, daß diese Lösung nur in Verbindung mit Netware 386 und nicht mittels Novell-Bridges eingesetzt werden kann und den im Novell-Netz befindlichen PCs keine Möglichkeit bietet, auf den Unix-Host zuzugreifen.

Mit "Portable Netware" ermöglichte Novell den Herstellern von Workstations beziehungsweise Mainframes die Portierung von Netware 386 auf ihre Systeme, wobei zum jetzigen Zeitpunkt vornehmlich die Hersteller von Unix-Systemen davon Gebrauch gemacht haben. Portable Netware stellt gegenwärtig die optimalste Lösung zur Kopplung von Unix und Netware dar, da sich hier der Unix-Host für den Anwender Vollkommen transparent als Novell-Server darstellt. Darüber hinaus bietet der Portable-Netware-Server noch weitere Vorteile. So können alle PCs im Netzwerk über eine Terminalemulation (Interrupt 14) auf den Host zugreifen und den Host als "Gateway" zu weiteren NFS-Rechnern beziehungsweise der TCP/IP-Welt nutzen (siehe Bild 2).

Dabei ist die Topologie des Netzwerkes unerheblich, da auf dem Portable-Netware- Server das IPX-Protokoll implementiert ist und somit dem Einsatz von Netware- Bridges nichts im Wege steht. Eine weitergehende Funktionalität - zum Beispiel MHS-X.400-Gateway oder MHS-SMTP - ist von der Implementation der Hersteller abhängig. Derzeit bieten folgende Firmen Portable Netware an: NCR, Prime, Altos, Mips, HP, Phaser (IBM MVS) und Data General.

Im Bereich der TCP/IP-Gateways für Novell gibt es im Prinzip zwei Produkte der Firmen Racal und Netresearch, die sich in der Praxis bewährt haben. Beide Produkte werden in einem dedizierten PC installiert und arbeiten quasi als External- Bridge von Novell topologieunabhängig. Technisch gesehen werden die TCP/IP-Pakete in IPX eingepackt und von dem Gateway wieder ausgepackt. Das TCP/IP-Gateway der Firma Netresearch bietet den Vorteil, daß es 128 Sessions unterstützt und über IPX ansprechbar ist. Zudem ist es kompatibel zu den Produkten "PC-NFS" von Sun Microsystems und "PC/TCP" von ftp Software. Dadurch kann je nach Notwendigkeit auch ein einzelner PC mit NFS betrieben beziehungsweise die umfangreiche Third-Party- Software wie X-Windows und SQL-Net genutzt werden.

Die bisher besprochenen Ansätze hatten die gemeinsame Strategie, dem gesamten Netzwerk diese Dienste zur Verfügung zu stellen. Ein Nachteil existiert allerdings bei all diesen Lösungen. Fällt die Zentraleinheit aus, kann kein Anwender mehr auf die genannten Dienste zurückgreifen. Zudem sind diese Features in der Praxis oft nicht notwendig und aus Kostengründen nicht realisierbar. Deshalb sollen hier noch zwei Lösungen aufgezeigt werden, die eine preiswerte, "selektive" Koppelung gestatten, aber nicht weniger leistungsfähig sind. Für diese Produkte spricht, daß die volle TCP/IP- beziehungsweise NFS-Funktionalität auf dem PC zur Verfügung steht und keine zusätzliche Hardware benötigt wird.

Novell hat in der neuesten Version von "LAN-Workplace 4-0" die ODI-Schnittstelle (Open Data-Link Interface) implementiert. Konkret bedeutet dies, daß die Software von der Hardware (Netzwerkkarte) getrennt wurde. Das Ergebnis ist, daß die Software auf allen Topologien parallel zur IPX lauffähig ist, Sofern für die Netzwerkkarte ein ODI-Treiber zur Verfügung steht. Das Paket beinhaltet neben Telnet, FTP und den R-Utilities auch eine sehr leistungsfähige Terminalemulation, die für Windows 3.0 konzipiert wurde. Einschränkend ist hier allerdings anzumerken, daß diese Lösung nur in Verbindung mit Netware 386 einsetzbar ist, sofern sich der PC nicht im selben Ethernet-Netz befindet wie der Unix-Host. Ferner wird von Novell keine NFS-Unterstützung angeboten.

"PC/TCP" von ftp Software ist die vollständigste TCP/IP-Implementierung für DOS in bezug auf Protokollunterstützung und Funktionalität, die derzeit auf dem Markt ist. ftp Software hat eine spezielle Version entwickelt, die den parallelen Einsatz von TCP/IP beziehungsweise NFS und Netware unter Ethernet und Token-Ring erlaubt. Der Vorteil dieser Variante liegt in der großen Funktionsvielfalt und der NFS-Unterstützung. Weiterhin ist eine große Anzahl von Third-Party-Software verfügbar, die sich mit PC/TCP einsetzen läßt. Die Nachteile von PC/TCP liegen in dem relativ hohen Speicherbedarf sowie der Tatsache, daß nur eine geringe Anzahl von Netzwerkkarten unterstützt wird.

Will man ein abschließendes Fazit ziehen, ist festzustellen, daß alle Lösungen in der Praxis ihre Berechtigung haben und auch verwendet werden - eine Schablonenlösung gibt es nicht. Der Weg, der letztlich beschritten werden soll, ist in starkem Maße abhängig von der Konfiguration des Netzwerkes und der vorhandenen Hardware beziehungsweise der gewünschten Funktionalität.