Die letzte GUUG Unix Offene Systeme in Wiesbaden Verteilte Objekte stehlen dem Unix-Betriebssystem die Schau

22.09.1995

WIESBADEN (gfh) - Die groesste deutsche Unix-Kongressmesse

"Unix Offene Systeme" hat sich zu einem Technologie-Forum entwickelt. Daher standen auf der von der German Unix User Group (GUUG) zum letzten Mal in Wiesbaden ausgerichtete Veranstaltung vor allem Themen wie das Internet, Objekttechniken oder die Verwaltung heterogener Umgebungen im Vordergrund. Hinter den Kulissen wurde jedoch ueber die ungewisse Zukunft der Messe geraetselt.

Ungewoehnlich ruhig verlief der Auftakt der Kongress-Messe. Der maessige Besuch der Hallen liess sich keineswegs darauf zurueckfuehren, dass sich die Interessenten auf den Eroeffnungsvortrag gestuerzt haetten. Dort hatte der GUUG-Vorsitzende Burkhard Stork vor hoechstens 100 Zuhoerern erklaert, dass er die Veranstaltung im kommenden Jahr vom 3. bis 5. September in Leipzig ausrichten wolle. Den Streit mit den Wiesbadener Organisatoren von der Network GmbH, die eine Gegenveranstaltung ankuendigten, erwaehnte er mit keinem Wort. Vielmehr bemuehte er sich, mit einer Kritik an der Kommerzialisierung des Internet zur Tagesordnung ueberzugehen. Zwar muesse man sich mit der wirtschaftlichen Attraktivitaet des Netzes abfinden, realisieren liessen sich die Visionen von einer Informationsgesellschaft jedoch nur, wenn die Anbieter sich endlich bereit faenden, kraeftig in die Infrastuktur zu investieren. Schon jetzt sei die Kapazitaet des Internet nahezu ausgelastet.

Ein Aussteller aeusserte die Vermutung, dass die ungewohnte Ruhe vielleicht auf die Abwesenheit von Microsoft zurueckzufuehren sei. Der Windows-NT-Stand war in den vergangenen Jahren immer besonders stark umlagert gewesen.

Microsoft fehlte in Wiesbaden

Warum Microsoft in diesem Jahr darauf verzichtete, das hauseigene Serversystem in der Hoehle der Open-Systems-Loewen als "besseres Unix" zu positionieren, beantwortete Christian Wedell, Geschaeftsfuehrer Zentraleuropa, mit einem vagen Hinweis darauf, dass man sich auf die in Wiesbaden austellenden Partner verlassen wuerde. "Die Bedeutung der GUUG fuer Microsoft wird ausserdem dadurch unterstrichen", betonte Wedell, "dass ich persoenlich Mitglied des Messebeirats bin."

Die Aufgabe von Microsoft als Anbieter einer Unix-Alternative uebernahm in diesem Jahr Next mit seiner Anwendungs-Entwicklungs- Umgebung Openstep. Der Jobs-Company gelang es am besser frequentierten zweiten Messetag, scharenweise Neugierige in den ganztaegigen Workshop zu locken. Hier zeichnet sich ein Trend ab. Auf der GUUG-Veranstaltung wird das Unix-Betriebssystem selbst immer mehr in den Hintergrund gedraengt. Aehnliches gilt fuer die Server-Datenbanken, die aber immerhin noch als Komponenten fuer Data-Warehousing Furore machen konnten.

Dennoch wollten sich weder System- noch Datenbank-Anbieter ueber mangelnden Zulauf beklagen. Die Anwender kaemen, so hiess es zum Beispiel bei Informix oder Bull, mit sehr konkreten Anliegen und zum Teil sogar mit Kaufabsichten.

War die Einkaufsliste einmal abgehakt, so nutzten die Besucher die Veranstaltung vor allem, um sich ueber neue Technologien und Loesungen zu informieren.

Im Zentrum des Besucherinteresses standen Themen wie die Vernetzung und das Management heterogener Umgebungen, Objekttechniken fuer verteilte Datenverarbeitung, Produkte und Vortraege rund um das Internet sowie Tools zur Software- Entwicklung.

Entsprechend gut besucht waren die 15 Vortragsreihen, in deren Ankuendigungen das Wort Unix nur einmal im Zusammenhang mit der Windows-Anbindung auftauchte. Besonders hervorgehoben seien hier die Sitzungen zum Internet (Wired World), zu verteilten Umgebungen (Verteilte Objekte) und die vielen Vortraege zur konventionellen und objektorientierten Software-Entwicklung.

Besonders kritisch wurden die Konzepte von Sunsoft, Interchip, Siemens-Nixdorf und Computer Associates zum System- beziehungsweise Enterprise-Management unter die Lupe genommen. Dabei wurde deutlich, dass im Angebot dieser Unternehmen so grosse Luecken klaffen, dass keiner von ihnen ohne einen grossen Partner auskommt, und die Kunden wohl auch fuer die naechsten Jahre mit einem umfangreichen Tool-Mix zu Rande kommen muessen.

Banken hoffen auf Cybercash

Lebhafte Diskussion loeste auch der Sondervortrag "Der virtuelle Marktplatz und die Bank der Zukunft" aus, in dem Wolfgang Johannsen von der Deutschen Bank ueber die geschaeftlichen Moeglichkeiten im Internet referierte. Darin verdeutlichte er, dass sich zumindest die europaeischen Geldinstitute bereits darauf geeinigt haben, dass ausschliesslich den Banken das Recht zugestanden werden sollte, Finanzdienstleistungen im Internet anzubieten. Als Vorteile solcher Dienste nennt er, dass hier eine zusaetzliche Einnahmequelle entstuende, waehrend gleichzeitig der personalsparende beleglose Zahlungsverkehr eingefuehrt werden koennte.

Bis es allerdings soweit ist, ist noch eine Reihe grundsaetzlicher Fragen zu klaeren. So ist noch nicht klar, wer das Recht erhalten soll, Cybercash auszugeben, wie die verschiedenen Internet- Waehrungen konvertibel gemacht werden, wie sich das neue Geld auf die Geldmenge und die Finanzmaerkte im allgemeinen auswirkt. Auch wird noch diskutiert, ob und inwieweit es den Kunden erlaubt sein soll, sich fuer die Internet-Bank mit den weltweit guenstigsten Konditionen zu entscheiden.

In die Enge gedraengt wurde der Referent mit der Frage, wer denn bei Fehlbuchungen im Internet haftbar zu machen sei. Da das Endgeraet Computer bei Kunden stuende, so argumentierte Johannsen, koenne die Bank dafuer keine Verantwortung uebernehmen. Er musste aber einraeumen, dass auch bei Banken die bei der Datenverarbeitung ueblichen Fehlfunktionen auftreten koennten.

So lebhaft sich das Publikum an den Tagungen beteiligte, so sehr vermisste man Beitraege zu der traditionell vom GUUG-Mitbegruender Hans Strack-Zimmerman geleiteten Podiumsdiskussion ueber kommerzielle Anwendungssoftware. Sie wurde von Vertretern der Anbieter KHK, Oracle, SAP, Quantum und Baan im wesentlichen zur Selbstdarstellung genutzt. Dennoch soll nicht verschwiegen werden, dass von den genannten Firmen nur die SAP sich an der herstelleruebergreifenden Standardisierung von sogenannten Business-Objekten beteiligt.