Heutzutage kennt das Management die Umsätze und Leistungskennzahlen des Unternehmens in- und auswendig. Was jedoch im Team vor sich geht, und wie die Stimmung und Motivation bei jedem einzelnen Teammitglied ist, bleibt häufig im Dunkel. Das Problem: Herrscht erst einmal Unzufriedenheit vor, ist der Grund oft nicht so leicht herauszufinden. Zum einen decken die Befragungs- und Bewertungsmethoden nicht immer die wahren Gründe für die Unzufriedenheit auf, zum andern sagen Mitarbeiter häufig nicht die volle Wahrheit. Die direkten Vorgesetzten haben deshalb oft keinen realistischen Einblick oder sind per se voreingenommen. All das könnte erklären, warum sich viele Unternehmen derzeit mit einer Mitarbeiter-Motivationskrise konfrontiert sehen.
Laut dem Markt-und Meinungsforschungsinstitut Gallup ist nur jeder dritte Beschäftigte in den USA bei der Arbeit motiviert. Die Arbeitgeber kommt das teuer zu stehen. Gallup zufolge entgehen ihnen aufgrund mangelhafter Produktivität 450 bis 550 Milliarden Dollar im Jahr. Dieses Problem ist schwerwiegend und lässt sich mit Kuchen oder Tischkicker allein sicher nicht lösen.
Millennials langweilen sich mehr als Babyboomer
Udemy hat deshalb eine Befragung von Angestellten in den USA in Auftrag gegeben, um herauszufinden, wie sie sich in ihren Jobs wirklich fühlen. Die Ergebnisse sind alarmierend:
43 Prozent der Vollzeitbeschäftigten in US-amerikanischen Büros geben an, sich bei der Arbeit zu langweilen und nicht motiviert zu sein.
Langeweile am Arbeitsplatz ist für fast zwei Drittel (61 Prozent) der Angestellten ein Thema. Sie haben vor, sich voraussichtlich in den nächsten drei bis sechs Monaten einen neuen Job zu suchen.
Die Generation der Millennials, die inzwischen die größte Altersgruppe in den USA bilden, ist bei der Arbeit fast doppelt so häufig gelangweilt wie die Generation der Babyboomer.
Schlechte Stimmung ist ansteckend
Arbeitgeber sollten sich um gelangweilte Mitarbeiter unbedingt kümmern. Zum einen, weil sie möglicherweise ein großes Potenzial haben, es aber aus irgendeinem Grund nicht in die Arbeit einbringen. Häufig liegt das daran, dass sie sich nicht oder nicht ausreichend gefordert und belohnt fühlen und deshalb einen Arbeitsplatz mit mehr Herausforderungen und Entwicklungsmöglichkeiten suchen. Zum anderen birgt der Zustand der inneren Kündigung selbst bei Einzelpersonen für das gesamte Unternehmen eine nicht zu unterschätzende Gefahr. Wird nichts dagegen unternommen, kann sich diese negative Stimmung ausbreiten und anderes Personal infizieren.
Bei der Umfrage hat sich außerdem gezeigt, dass demotivierte Angestellte mit 2,5-facher Wahrscheinlichkeit ihren Job kündigen. Die Hälfte der Befragten gab an, dass ihre Kollegen oft über Langeweile klagen. Eine solche Stimmungslage bringt ehrgeizige und motivierte Mitarbeiter in eine unangenehme Situation. Sind sie von gelangweilten Menschen umgeben, erzeugt das ein Gefühl, an diesem Arbeitsplatz nicht weiterkommen zu können. Für Unternehmen kann dieser Effekt richtig teuer werden. Die Einstellung und Einarbeitung eines neuen Mitarbeiters kostet im Schnitt das 1,5- bis 3-fache seines Gehalts.
- Top 10 Faktoren der Jobmotivation
Die Studie der ManpowerGroup hat die zehn wichtigsten Faktoren der Motivation im Arbeitsalltag identifiziert. - 1. Gutes Arbeitsverhältnis zu Kollegen und Vorgesetzten
Der menschliche Faktor zählt: 65 Prozent der Befragten sind motivierter im Job, wenn sie mit Kollegen und Chefs gut auskommen. 2014 waren es noch 77 Prozent. - 2. Flexible Arbeitszeiten
Gleitzeit oder ein Arbeitszeitkonto bleiben wichtige Motivatoren, sind allerdings auf dem Rückzug. Nur jeden zweiten Arbeitnehmer (50 Prozent) spornt flexibles Kommen und Gehen an. Im Vorjahr war dies noch bei 67 Prozent der Fall. - 3. Freundschaftliches Verhältnis zu Kollegen
Für 42 Prozent der Deutschen ist es wichtig, auch nach Feierabend den Kontakt zu anderen Kollegen zu pflegen und gemeinsam etwas zu unternehmen. Letztes Jahr war es 45 Prozent. - 4. Kostenlose Getränke vom Arbeitgeber
Geringer Aufwand, große Wirkung: Für 33 Prozent Arbeitnehmer sind kostenlose Getränke am Arbeitsplatz motivierend für den Job – ein Prozent mehr als bei der Vorjahresbefragung. - 5. Teamarbeit
33 Prozent der Arbeitnehmer haben mehr Spaß im Job, wenn sie häufig in Gruppen arbeiten. „Die Arbeitnehmer schätzen zwar den Kontakt zu ihren Kollegen – doch ständige Meetings und Arbeitsgruppen empfinden zwei Drittel eher lästig als motivierend“, sagt Herwarth Brune, Vorsitzender der Geschäftsführung der ManpowerGroup Deutschland. - 6. Ansprechende Raumgestaltung
Die Büroatmosphäre hat auf ebenso wenig Befragte eine motivierende Wirkung. 32 Prozent arbeiten aus eigener Sicht produktiver, wenn die Optik im Büro stimmt. Das bedeutet drei Prozentpunkte Einbuße im Vergleich zum Vorjahr. - 7. Betriebliche Gesundheitsförderung
Beratung durch den Betriebsarzt und vom Arbeitgeber bezahlte Präventionskurse sind gut für die Motivation. 31 Prozent der Mitarbeiter arbeiten befreiter, wenn sie wissen, dass ihr Unternehmen die Gesundheit der Angestellten fördert. 2014 waren es 38 Prozent. - 8. Guter Kaffee
Augen auf beim Kaffeekauf: Für 28 Prozent der Mitarbeiter fördert die Qualität des Koffeingetränks die Motivation am Arbeitsplatz. Guter Kaffee rutscht damit in die Top 10 der Arbeitsmotivatoren und holt im Vergleich zu 2014 fünf Prozentpunkte auf. - 9. Pflanzen im Büro
Grünpflanzen heben die Stimmung und sorgen für ein besseres Raumklima. Ein Prozent mehr als letztes Jahr, nämlich 27 Prozent der Befragten, können besser arbeiten, wenn Zimmerpflanzen im Büro stehen. - 10. Motivation durch Büromöbel
Mit Investitionen in moderne Bürowelten können Arbeitgeber punkten: 25 Prozent der Arbeitnehmer lassen sich durch zeitgemäßes, ergonomisches Design motivieren – vier Prozent mehr als 2014.
Strategien gegen eine Kündigungswelle
Um der Gefahr der inneren Kündigung bei Einzelpersonen sowie der gesamten Belegschaft vorzubeugen, sind folgende Maßnahmen sinnvoll:
1. Regeln lockern
Vor allem die Generation der Millennials lehnt Regeln ab, die ihr nicht sinnvoll erscheinen. So wird in vielen Unternehmen nach wie vor erwartet, dass die Mitarbeiter acht Stunden täglich am Schreibtisch sitzen, wobei allerdings unklar bleibt, ob diese Zeit auch wirklich effizient genutzt wird. Angestellte möchten heute flexibel mitbestimmen können, wann und wo sie arbeiten. Wenn Betriebe ihre besten Mitarbeiter behalten möchten, müssen sie sich also anpassen - und nicht umgekehrt.
2. Stellen intern besetzen
Mitarbeiter sind Menschen, kein Inventar. Ihre Interessen und Ziele ändern sich im Lauf der Zeit. Das gilt jedoch auch für die Geschäftsanforderungen des Arbeitgebers. Wenn zwischen beiden Interessenfeldern ein Schnittpunkt gefunden wird, können interne Lücken beziehungsweise Positionen mit eigenen Mitarbeitern geschlossen werden.
In der Untersuchung zur Langeweile am Arbeitsplatz gaben 44 Prozent der Befragten an, dass anspruchslose Arbeit, bei der sie ihre Ausbildung oder ihren Hintergrund nicht einbringen können, zur Demotivation beiträgt. Clevere Unternehmen sehen hier nicht tatenlos zu, sondern entwickeln kreative Strategien, um diese Mitarbeiter neu zu motivieren, zum Beispiel durch Job-Rotation oder Einarbeitung in neue Gebiete und Aufgaben.
3. Entwicklungsmöglichkeiten anbieten
Bei der Studie gaben 80 Prozent der Angestellten an, ihr Interesse und Engagement würde steigen, wenn sie sich über ihren Job hinaus weiterqualifizieren könnten. Vorrangiges Ziel ist hier, dass sie sich in ihrer Persönlichkeit weiterentwickeln und einbringen. Nochmal: Es geht bei diesem Ansatz weniger darum, Defizite in der aktuellen Arbeit auszugleichen.
Auch hier geben die Millennials den Ton an: Sie möchten inspirierende Fähigkeiten erlernen und sich weiterentwickeln. Aufgezwungene Lernprogramme lehnen sie ab. Clevere Unternehmen setzen Lernangebote gezielt zur Motivation ein und nicht, um auf Defizite hinzuweisen.
4. Gespräch statt Bewertung
Herkömmliche Leistungsbeurteilungen bewirken nicht viel. Stattdessen sollten Vorgesetzte ihre Teammitglieder animieren, in einen offenen Dialog zu treten, in dem auch Unzufriedenheit oder Probleme ehrlich angesprochen werden können. Mitarbeiter sollten ferner ermutigt werden, ihre kurz- und langfristigen Karriereziele klar zu formulieren, um mit ihnen zu besprechen, ob und wie sie dabei unterstützt werden können.
Fazit
Heutzutage verweilen vor allem jüngere Arbeitnehmer durchschnittlich immer kürzer in einem Job. Unternehmen müssen diesen Trend erkennen und darauf reagieren. Ein dauerhaftes Halten von motivierten Mitarbeitern muss ins Zentrum rücken. Engagiert sich ein Unternehmen für seine Mitarbeiter, dann engagieren sich die Mitarbeiter auch für das Unternehmen! Keine neue Erkenntnis, aber relevanter denn je. (pg)