E-Business-Projekte haben die Qual der Wahl

Die Gretchenfrage: Java oder Windows?

09.02.2001
MÜNCHEN (CW) - Microsoft hat in den letzten Monaten eine regelrechte Flut an Programmen und Testversionen für den Unternehmenseinsatz veröffentlicht. Vor allem die umfassende .NET-Strategie und die darauf aufbauenden Produkte wie Visual Studio oder das .NET-SDK bringen viele IT-Verantwortliche in Entscheidungsnöte: Soll man bei neuen Projekten auf Java 2 Enterprise Edition (J2EE) setzen oder auf die Fertigstellung der .NET-Infrastruktur warten?

Zwei Experten haben in der amerikanischen CW-Schwesterpublikation "Infoworld" die Vor- und Nachteile von Java und Windows erörtert: Tom Yager, Leiter des East Coast Infoworld Test Center, ist Fachmann für die Windows-Plattform, Tim Fielden, Senior Analyst des Test Centers, ist erfahrener Java- und AS/400-Entwickler.

Für Yager ist Microsofts Windows 2000 Server das ideale System für das Middleware-Segment. Zu seinen Vorzügen zählen Transaktionen, verteilte Objekte, eine robuste Datenbank und Messaging, die allen Anwendungen zur Verfügung stehen. Zusammen mit dem "Internet Information Server" (IIS) und den vielfältigen Skripting-Optionen ergibt sich daraus ein umfangreiches Paket.

Fielden bestreitet nicht die Vorteile, die das System von Microsoft für Unternehmensanwendungen bietet. Einer seiner Hauptkritikpunkte ist allerdings der proprietäre Ansatz des Softwareriesen. Drittanbieter und Anwender müssen sich dadurch an ein geschlossenes System anpassen, das sich auf die PC-Plattform beschränkt. Anders dagegen J2EE: Suns Plattform erlaubt den Anwendern, aus verschiedenen Hardwarekategorien zu wählen, die für sein Geschäft am besten geeignet sind, während Windows 2000 tendenziell den Aufbau von Server-Farmen fördert.

Niedrigere Hardwarekosten mit WindowsWährend Windows seine Vorzüge im Client-Server-Computing hat, passt Java viel besser in die heutige Post-PC-Ära mit der Vielfalt an Geräten vom Handheld bis zu Server-Plattformen. Ein weiterer Wermutstropfen von Windows 2000 ist die Komplexität. Der Aufwand für die Implementierung von Komponenten wie das Active Directory beispielsweise, oder die Zahl der Sicherheitslücken lassen Windows schlecht aussehen, wenn es um den Einsatz im E-Business geht.

Yager sieht J2EE etwa auf gleicher Höhe mit Windows 2000, was den Kernbereich der Dienste für Unternehmensanwendungen betrifft. Für Java-Entwicker ist naturgemäß J2EE von Vorteil, während Entwickler, die ihre Sprache wählen wollen, mit der Windows-Plattform Vorteile haben.

Die größere Wahlfreiheit unter Windows stellt Fielden hingegen angesichts der vielen Java-Anbieter in Frage. Zudem glaubt er, dass es mittlerweile mehr Java- als C++-Entwickler gibt, was ein wichtiges Kriterium für die Verfügbarkeit von Ressourcen ist. Auch dem mehrsprachigen Ansatz von Windows steht Java in nichts nach, da J2EE Funktionen nutzen kann, die in anderen Sprachen wie C++ geschrieben wurden.

Ein gewichtiges Pro-Argument für Windows sieht Yager in den deutlich niedrigeren Kosten, während Java ein großer CPU- und Speicherfresser ist. Seiner Einschätzung nach erfordert eine J2EE-Implementierung mindestens einen 75000-Dollar-Sun-Server, im Schnitt geht er von 25 000 Dollar pro CPU aus. Dagegen laufen Windows-2000-Services, die in C++ programmiert sind, sehr schnell auf relativ günstiger Hardware. Langfristig sind die Kosten für Windows bei Training, Hardwareservice und Softwaresupport billiger als im Java-Lager. Auch die Stabilität von Windows-Installationen ist entgegen landläufiger Meinung lediglich eine Frage der sauberen Implementierung und der kompetenten Administration.

Fielden hält den Berechnungen eigene Erfahrungen bei der Entwicklung von Java-Anwendungen entgegen. In vergleichbaren Umgebungen mit 10000 und mehr Anwendern benötigt seiner Ansicht nach eine Windows-Konfiguration mehr Hardware als eine Java-Implementierung. Windows 2000 erfordert außerdem viel Wissen um systeminterne Vorgänge. Auch der Wechsel in der Objektstrategie vom Component Object Model (COM) zum Simple Object Access Protocol (Soap) spricht gegen Microsoft, da er Entwickler in Schwierigkeiten bringt, die bisher für COM entwickelt haben. Im Gegensatz dazu haben es Entwickler im Java-Bereich leicht, mit Technologien wie Javabeans und Enterprise Javabeans (EJB) bereits fertige Komponenten weiterzuverwenden.

Windows 2000 hat nach Ansicht von Yager das Problem, dass es zwar als Nachfolger von NT 4.0 eine große Entwicklergemeinde um sich schart, die aber überwiegend kaum mit den neuen Enterprise Services vertraut ist. Anstatt diese Botschaft zu verbreiten, konzentriert sich Microsoft seit einiger Zeit zu sehr auf seine .NET-Strategie. Sun gewinnt dadurch ein Zeitfenster von ein bis zwei Jahren, um J2EE zu pushen.

Für Fielden stellt sich Microsofts Problem so dar, dass die Redmonder ihren Entwicklern mit den vielen Neuerungen in Windows 2000 und den .NET-Technologien wie Soap und C# einen zu großen Lernaufwand aufbürden. Seiner Einschätzung nach repräsentiert J2EE von vornherein den Paradigmenwechsel zum Internet-basierten Computing, während Microsoft noch zu sehr im Client-Server-Modell verhaftet ist. Ein Java-Problem sieht Yager allerdings in Suns eigenmächtiger Politik, die neben der Standardproblematik auch zu hohen Lizenzgebühren für J2EE führt. Sun und Microsoft verfolgen in Sachen Offenheit ähnliche Strategien, indem sie Entwickler hofieren, die dann viele freie und kommerzielle Erweiterungen für Java oder Windows schreiben. Suns Kernstandard ist Corba, während Microsoft Soap ins Zentrum seiner Strategie rückt. Corba hat den Vorteil einer großen Zahl von Entwicklern, während unter Soap die Entwicklung und das Management einfacher ist.

Konträr zu Yager ist Fielden der Meinung, dass Sun über jeden Monopolverdacht erhaben ist, während Microsoft sich aus der Java-Community verabschiedet hat, nachdem es erkannt hat, dass es diesen Markt nicht für sich einnehmen kann. Die geschlossene Windows-Plattform sieht er mit der PC-Ära auf dem absteigenden Ast, während Java eine offene Internet-Technologie ist. COM und Corba sind ähnlich komplex, wobei Microsoft-Entwickler vor dem Problem stehen, von COM auf Soap umsteigen zu müssen. Außerdem wird Soap als Standard auch von anderen Firmen unterstützt. IBMs Open-Source-Release beispielsweise ermöglicht es auch Java-Entwicklern, die Vorteile von Soap zu nutzen.

Die Kontrahenten

E-Business mit Windows oder Java?

Pro Windows

Windows 2000 stellt komlette E-Business-Dienste bereit

Freie Wahl der Programmiersprachen

Niedrige Lizenz- und Hardwarekosten

Einfache Objekttechnologie mit Soap

Pro J2EE

J2EE ist plattformunabhängig und ermöglicht eine breitere Systemauswahl

Große Zahl an Java-Entwicklern

Keine umfassenden Betriebssystemkenntnisse erforderlich

Kontinuität in der Objektstrategie mit Corba