Im Kern nur Gegnerschaft zu Windows NT

Die Betriebssystem-Direktiven der IBM bleiben weiterhin nebulös

11.12.1992

LAS VEGAS (IDG/CW) - Bei drei Betriebssystemangeboten im Low-end- bis Midrange-Bereich sah sich IBM auf der Comdex genötigt, Softwarehäusern die Zukunftsplanungen zu erläutern. Die Generallinie lautet: Hauptsache gegen Windows NT.

Lee Reiswig, Chef des Bereichs Personal Software Products der IBM, mußte an die Front, um zu erklären, wo es hingeht mit IBM-DOS, OS/2, AIX und dem mit Apple gegründeten Taligent-Projekt. Big Blue wolle künftig, so verkündete er vorweg, den Markt nicht mehr mit Fakten konfrontieren "und hoffen, daß jeder sie mag". Vielmehr werde das Unternehmen beginnen, die Mitspieler am Markt nach ihren Vorstellungen und Wünschen befragen.

Welche Vorgaben IBM bereits getroffen hat, schilderte Reiswig in groben Zügen. Es ist im wesentlichen eine Microkernel-Strategie für alle Betriebssystem-Richtungen. Was Taligent betrifft, werde deren Entwicklungsbasis, der Mach-Kernel, Portabilität für OS/2- und AIX-Plattformen bieten.

Ab 1993 werde es eine objektorientierte Microkernel-Version von OS/2 geben. Entsprechende OS/2-Applikationen sollen laut Reiswig später auf dem Taligent-Betriebssystem lauffähig sein. Unix-Softwarehäuser könnten bei AIX bleiben und Applikationen für eine Microkernel-basierte Version des IBM-Derivats schreiben.

Die eher vagen Ausführungen konnten das Publikum nicht begeistern. "Das ist ein Eiertanz", meinte John McCarthy, Direktor der Abteilung Computing Trategy Research bei der Forrester Research Inc., Cambridge/Massachusetts. "Die Strategie heißt: Alles - nur nicht Wirtdows NT!"

Andy Mahon, Director Advanced Software Development bei New Science Associates Inc. in Boston, vermißte vor allem klare Aussagen über die Entwicklungen bei Taligent: "Ich weiß nicht, was sie da machen wollen, und sie erzählen es niemandem." Entwicklern bliebe nichts anderes übrig, als "an die Sache zu glauben".