Trends im Komponentenmarkt

Deutsche Hersteller sind bei neuer Technik zurückhaltend

23.08.1996

CW: Sie wollen Ihre Softwarekomponenten zukünftig in Form von Active-X-Controls und Java-Applets anbieten. Vielen Herstellern ist dieser Markt noch zu unsicher. Welche Umsatzerwartungen haben Sie für diese neuen Produkte im Vergleich zu Ihrem bisherigen Angebot an VBX-, OCX- und VCL-Modulen?

Heiler: Ich glaube, daß sich der Markt für alle Anwendungen, die innerhalb von Web-Browsern ablaufen, vorerst noch moderat entwickeln wird. Allerdings werden immer mehr Hersteller diesen Markt bedienen. Am einfachsten ist dies für Anbieter von VBX- und OCX-Komponenten, denn sie werden die bestehende Software zuerst auf Active X umsetzen. Insgesamt glaube ich, daß wir in einem Jahr schon 20 bis 30 Prozent unseres Umsatzes mit den neuen Komponenten machen werden.

CW: Sie unterstützen sowohl Active X als auch Java. Hat dies eher diplomatische Gründe, weil noch nicht klar ist, in welche Richtung sich der Markt entwickeln wird?

Heiler: Ich glaube, daß im Windows-Umfeld Active-X-Komponenten bessere Startbedingungen haben werden als Java-Applets, weil sie technisch sehr eng mit OCX verwandt sind. Für den Anwender hat dies zwar keine Bedeutung - es sei denn, er verfügt über eine heterogene Systemumgebung. Aus der Sicht der Anwendungsentwickler ist das aber wichtig. Deshalb werden wir aufgrund unserer Tradition die ersten Komponenten in Active X realisieren.

Java ist eine Programmiersprache, die derzeit hauptsächlich eingesetzt wird, um grafische Animationen zu erzeugen. Wo es um echte Client-Server-Anwendungen für das Inter- und Intranet geht, ist sie noch kaum zu finden. Aber Java ist noch sehr jung, und mit dem Angebot an hochwertigen Entwicklungswerkzeugen wird sich dies sicher ändern. Letztlich wird der Markt bestimmen, wo wir mehr investieren.

CW: Wie aufwendig ist es, beide Technologien zu unterstützen?

Heiler: Wir werden nicht wie viele andere Hersteller bestehende OCX-Module hastig auf Active X umstricken, sondern die entsprechenden Komponenten von Grund auf neu erstellen. Der Code für beide Modelle wird gleich so konzipiert, daß man die Active-X- Klassen eins zu eins auf die Java-Klassen abbilden kann.

Ich könnte mir außerdem vorstellen, daß wir anfangs nur unsere Komponenten für den Active-X-Markt mit dem vollen Funktionsumfang ausstatten und daß es die Java-Applets in einer eingeschränkten Variante geben wird.

CW: Wie beurteilen Sie Java unter technischen Gesichtspunkten?

Heiler: Die Sprache selbst ist in höchstem Maße ausgereift und birgt wesentlich weniger Fehlerquellen als andere 3GLs oder 4GLs.

Sie ist ideal geeignet für eine Konzeption, die den Browser als Client-Betriebssystem der Zukunft sieht. Wir erleben bei Java aber auch einige Enttäuschungen, vor allem was die Ausführungsgeschwindigkeit anlangt. Kurzfristig hoffen wir auf die Wirkung der sogenannten Just-in-time-Compiler. Auf längere Sicht gehen wir davon aus, daß die Größe und der Funktionsumfang von Programmdateien generell abnehmen werden. Das wird auch ihre Benutzung vereinfachen.

CW: Mit Active X und Java wenden Sie sich stärker an Endanwender statt an Entwickler. Was bedeutet dies für Ihre Lizenzpolitik?

Heiler: Wir haben nicht vor, Millionen von Menschen, die einmal aus Versehen eine Heiler-Komponente herunterladen, abzukassieren. Unsere Geschäftspartner werden diejenigen sein, die Komponenten wie beispielsweise unsere Textverarbeitung "Highedit" über das Internet oder über Intranets zur Verfügung stellen. Die Abrechnung wird über Server-basierte Komponenten erfolgen, kann aber gerade bei Intranets wie bisher auf Vertrauensbasis stattfinden.

CW: Wie repräsentativ für deutsche Softwarehersteller sind Sie mit Ihrer Ausrichtung auf den neuen Komponentenmarkt?

Heiler: Wir haben in Deutschland eine gewisse Zurückhaltung, was neue Technologien betrifft. Dies gilt besonders für etablierte Entwickler. Innovationen leiden unter den ständigen Einwänden, die hierzulande neuen Technologien entgegengebracht werden. Deutsche Hersteller haben Bedenken, amerikanische die Produkte. Entwickler müssen Optimisten und nicht Bedenkenträger sein.

Deutschland sieht sich nicht als Pionierland, man legt hier besonderen Wert auf Qualität und bewährte Systeme. Dies blockiert natürlich neue Entwicklungen. Es kommt nicht von ungefähr, daß deutsche Hersteller in bezug auf Betriebssysteme und Programmiersprachen überhaupt keine Rolle spielen.

CW: Gerade mit Ihren Java-Komponenten erschließen Sie sich einen Markt jenseits des PCs. Andererseits sind viele Anwender und Hersteller auf geradezu bornierte Weise dem Network-Computer (NC) gegenüber voreingenommen. Wie sind seine Chancen?

Heiler: Enorm gut. Ich glaube, daß der PC, wie wir ihn heute kennen, zukünftig einer kleinen Gruppe technisch versierter, leidensfähiger Anwender vorbehalten bleibt. Er ist viel zu kompliziert und viel zuwenig an Lösungen orientiert. Den NC wird es in zahlreichen Ausführungen geben. Es spielt dabei keine Rolle, ob er eine Festplatte hat oder nicht. Er wird jeweils die Ausstattung haben, die er für die geforderten Aufgaben braucht.

In Unternehmen wird es den PC nur mehr da geben, wo ein multipler Arbeitsplatz abgebildet werden muß. Beispielsweise benötigen die meisten Sachbearbeiter für ihre Aufgaben keinen PC, sondern ihnen reicht ein NC.

Der NC wird in den Unternehmen ein gigantisches Problem lösen, dessen Konsequenzen heute fast nicht mehr finanzierbar sind: das des Benutzerservice. Die Software kommt aus dem Netz, die Konfiguration des Clients ist gegen Manipulationen resistent. Wir müssen uns überall dort, wo wir es vertreten können, vom PC verabschieden.