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Details zu Brüssels Plänen gegen Microsoft durchgesickert

28.01.2004

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Nachdem gestern bekannt wurde, dass bei der Europäischen Kommission in Brüssel der Rohentwurf einer Entscheidung in der Kartelluntersuchung gegen Microsoft kursiert (Computerwoche.de berichtete), schwinden die Chancen des Softwarekonzerns auf eine Beilegung zusehends. Derweil sind verschiedentlich Details durchgesickert, was den Redmondern von Seiten der europäischen Exekutive drohen könnte.

Microsofts schlimmste Befürchtung wäre wohl die Auflage, den für die Wiedergabe von Audio und Video zuständigen "Windows Media Player" vollständig aus seinem Betriebssystem zu entfernen. Dies wäre ein Präzedenzfall für die künftige Integration neuer Techniken in Windows. So weit scheint die Kommission indes nicht gehen zu wollen. Laut Insidern will sie das Unternehmen verpflichten, nur zusätzlich auch eine Windows-Variante ohne Media Player anzubieten.

Ebenfalls geplant ist eine Geldstrafe wegen Verstoßes gegen europäisches Kartellrecht. Mit mehr als 50 Milliarden Dollar Bargeld kann Microsoft einer solchen relativ gelassen entgegen sehen, selbst wenn hier rein theoretisch ein Betrag von bis zu einem Zehntel vom Jahresumsatz des Herstellers möglich wäre. Über die Höhe der Strafe kann gegenwärtig nur spekuliert werden - diese wird frühestens eine Woche vor einer endgültigen Abstimmung zur Bekanntgabe der Kommissionsentscheidung festgesetzt, die für März oder April erwartet wird.

Darüber hinaus sieht das vorläufige Papier der Wettbewerbshüter auch vor, dass Wettbewerber von Microsoft tieferen Einblick in den Quellcode von Windows erhalten sollen, das auf mehr als 95 Prozent aller PCs weltweit läuft. Ziel wäre, konkurrierende Server-Betriebssystem besser interoperabel mit Microsofts Betriebssystem zu machen. Ob dies über die bereits aus dem US-Kartellverfahren resultierende Protokoll-Lizenzierung hinausginge, ist nicht bekannt.

Microsoft verhandelt weiterhin bezüglich einer Beilegung der Angelegenheit. "Es gibt einen seit einem Jahr andauernden Dialog", erklärte Fimengründer Bill Gates am Rande einer Pressekonferenz im slowakischen Bratislava. "Microsoft hofft auf eine Einigung, wir können aber keine Prognose abgeben." Das Unternehmen hat zudem bereits signalisiert, dass es im Falle einer negativen Entscheidung vor dem Europäische Berufungsgericht in Luxemburg in die Berufung gegen würde, was eine endgültige Entscheidung vermutlich erneut um Jahre verzögern würde und weiteren Verhandlungsspielraum böte. Eventuelle Strafen und Maßnahmen wären so lange ausgesetzt. (tc)