IT in der Automobilindustrie/TQM bei der Schmitz Cargobull AG, Altenberge

Der Mitarbeiter im Qualitätswesen ist nicht mehr Prüfer, sondern Trainer

01.09.2000
Qualitätssicherung beim Wareneingang und Mängelfeststellung beim Warenausgang genügten der Schmitz Cargobull AG nicht. Der Hersteller von Anhängern und Aufbauten wollte zusätzlich präventiv agieren und nahm den kompletten Verwaltungs- und Fertigungsprozess im Sinne von Total Quality Management (TQM) ins Visier. Henning Kublik* berichtet.

Bei der Schmitz Cargobull AG lässt sich Total Quality Management (TQM) am Beispiel des Standorts Altenberge konkret verdeutlichen; dort werden Dreiachs-Sattelauflieger mit Planenaufbau hergestellt. Pro Woche verlassen rund 225 fertige Fahrzeuge das Werksgelände. Die Produktion ist in vier Segmente aufgeteilt: Rahmenbau, Lackieren, Laufwerkmontage und Aufbaumontage. Nur einwandfreie Teilprodukte werden von einem Segment in das andere übernommen - vor der Weitergabe findet eine Qualitätsprüfung statt.

Seit den 80er Jahren gab es bei Schmitz Cargobull das System Targon, damals noch von Siemens-Nixdorf geliefert, für die DV-Unterstützung der Produktion. Die Softwarelösung war eine Eigenentwicklung, die allerdings nicht jahrtausendfähig arbeitete. Da sie später nicht mit einer Windows-Oberfläche nachgerüstet werden konnte, beschloss der Vorstand Mitte der 90er Jahre, ein komplett neues System zu implementieren, das zudem in seiner Standardform ohne Eigenentwicklung eingesetzt werden sollte.

1996 wurde von mehreren Fachabteilungen gemeinsam ein Pflichtenheft erstellt. Nach der Ausschreibung gaben insgesamt acht Softwarehäuser ein Angebot ab. Fünf davon konnten jedoch entweder keine Windows-Oberfläche vorweisen oder andere wichtige Funktionen nicht erfüllen und kamen daher nicht in Frage. Die drei restlichen blieben in der Endausscheidung.

Wer letztendlich den Auftrag bekommen wollte, musste jedoch noch einen Sonderwunsch erfüllen. Es ging um den Fehlercode im Reklamationswesen. Er ist in vier Gruppen unterteilt ist: Prüfober- und Prüfuntergruppe, Fehlerart und Fehlerort. Die Besonderheit ist der Fehlerort, der bis dahin in keinem Standardprogramm vorgesehen war. Bei einem Anhänger- und Aufbauhersteller macht er jedoch Sinn, da beispielsweise ein Riss in der Plane exakt lokalisiert werden muss, wenn der Mitarbeiter nicht auf beiden Seiten des Fahrzeugs auf jeweils 13,7 Metern Länge nach ihm suchen soll.

Schmitz Cargobull wollte, dass der Anbieter die vierte Gruppe übernimmt, und zwar in den Standard, damit nicht bei jedem Update nachgebessert werden muss. Eine weitere Forderung war die komplette Übernahme aller Fahrzeugdaten in die Qualitätsdatenbank.

Am besten erfüllte die IBS AG das Anforderungsprofil einschließlich aller Optionen. Nach Besichtung einer Referenzinstallation beim Automobilhersteller Ford in Köln wurde der Auftrag erteilt.

Innerhalb eines Monats installierte die IBS ihr System CAQ=QSYS, im selben Zeitraum wurden die Mitarbeiter von Schmitz Cargobull geschult. Anfangs ließ man noch das alte System parallel dazu laufen, bis alle Anpassungen durchgeführt waren.

Gleichzeitig hat das Unternehmen seine Betrachtungsweise geändert. Der Mitarbeiter im Qualitätswesen ist jetzt nicht mehr Prüfer, sondern versteht sich als Trainer. Er arbeitet vor Ort in der Fertigung mit, und sein Ziel besteht nicht mehr darin, Fehler aufzudecken, sondern mit den Kollegen daran zu arbeiten, dass sie erst gar nicht entstehen.

Nach jedem Produktionssegment führt der Qualitätsbeauftragte eine Prüfung durch; nur wenn die Qualität einwandfrei ist, gibt er das Zwischenprodukt für die nächste Bearbeitungsstufe frei. Er ist direkt vor Ort über ein Terminal mit der Software verbunden. Alle gefundenen Fehler landen im Reklamations- und Qualitätskosten-Management-System (RQMS), wo sie auch ausgewertet werden. Eine Sofortmaßnahme ist die Weiterschaltung der Fehlermeldung an die verantwortliche Stelle - in diesem Fall an den "Segmentpaten" im technischen Büro, der die Meldung direkt auf seinen Bildschirm bekommt und dann sofort reagiert, bevor der Fehler auch bei den nachfolgend gefertigten Fahrzeugen auftritt.

Falls der Mangel durch ein zugeliefertes Teil entstanden ist, wird automatisch eine Lieferantenreklamation in Gang gesetzt. Synergien zwischen Schmitz Cargobull und seinen Zulieferern gibt es durch eine Lieferantenanalyse, die in Zusammenarbeit mit IBS eingeführt wurde. Sie bewertet Lieferfrequenz, Termintreue, Mengentreue und Produktqualität der Zulieferer.

Die Reklamationen, die während der Produktion begründet werden, beinhalten die gesamten Fahrzeugdaten, damit jeder Fehler dem einzelnen Fahrzeug zugeordnet werden kann. Nachträglich wurde mit Unterstützung eines externen Beraters auch die Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (FMEA) eingeführt, deren Methodenschulungen exakt zu einem IBS-Modul passen. Dahinter verbirgt sich eine Wissensdatenbank, in der aufgetretene Fehler einschließlich der Vorgehensweise bei deren Behebung abgelegt sind. In Verbindung mit den anderen CAQ-Modulen entsteht daraus ein Katalog an Maßnahmen einschließlich deren Risikobewertung.

Alle Garantiearbeiten der Servicepartner werden im CAQ-System erfasst. Mit diesen Daten ist eine genaue Analyse darüber möglich, nach welcher Zeit an welchen Teilen Defekte aufgetreten sind und um welche Art von Defekten es sich handelt. Auch spezielle Auswertungen nach Ländern oder Fahrzeugtypen können durchgeführt werden. Der direkte Kontakt zu den Servicepartnern ist auch bei der Chargenverfolgung sehr wichtig: Meldet beispielsweise ein Zulieferer einen versteckten Mangel, also einen Fehler, der sich erst einige Zeit nach dem Einbau bemerkbar macht, kann anhand der abgelegten Daten erkannt werden, welche Fahrzeuge davon betroffen sind. Eine Benachrichtigung des Servicepartners lässt sich dann schnell durchführen; künftig kann er fahrzeugtechnische Daten via Internet direkt abfragen.

Das CAQ-System wird derzeit bei Schmitz Cargobull an zwei Standorten getrennt voneinander eingesetzt. Auf dem jeweiligen Server läuft die Oracle-Datenbank in der Version 8.0.5, die Clients vor Ort sind alle mit Windows NT bestückt. Ein Return of Investment ist noch nicht exakt festzulegen, dazu laufen die verschiedenen Module noch nicht lange genug. Häufig jedoch seien diese Investitionen nach ein bis zwei Jahren amortisiert. Bei 15 Prozent der Installationen seien die Kosten nach einem halben Jahr eingespart.

* Henning Kublik ist stellvertretender Leiter Qualitätssicherung bei Schmitz Cargobull AG in Altenberge.

Die FirmaSchmitz Cargobull AG ist der umsatzstärkste deutsche Anhänger- und Aufbauhersteller sowie der größte europäische Anbieter von Tiefkühlfahrzeugen. Das Unternehmen, das mit rund 2400 Mitarbeitern im Geschäftsjahr 1999/2000 einen Umsatz von 1,14 Milliarden Mark erwirtschaftet hat, produziert in Deutschland in den Werken Altenberge, Vreden, Berlin, Gotha und Toddin sowie europaweit in England und Litauen.

Weitere Anbieter- Böhme & Weihs GmbH, Sprockhovel

- Sinic Computertechnik GmbH, Neuanspach

- Guardus AG, Filderstadt

- Pickert & Partner GmbH, Pinztal

- Babtec GmbH, Solingen