Outsourcing/Das schlechte Bild vom Outsourcing

Der IT-Abteilung größter Feind

10.08.2001
Outsourcing ist auch heute noch ein Begriff mit denkbar schlechtem Image: IT-Entscheider, die ihre Infrastruktur ausgelagert haben, setzen sich dem Vorwurf aus, am betrieblichen Alltag gescheitert zu sein. Interne IT-Mitarbeiter fürchten Outsourcing wegen drohenden Arbeitsplatzverlusts. Von Brian Rogers*

Was genau ist eigentlich Outsourcing? Nicht jede externe Dienstleistung fällt unter diese Rubrik: Outsourcing bezeichnet die Übertragung von Dienstleistungen an fremde Unternehmen, die zuvor in Eigenregie erbracht wurden. Der wichtigste Punkt hierbei ist, dass der Anwender nicht nur die Erbringung von Dienstleistung einem Partner überträgt, sondern auch die Abwicklung und die unternehmerische Verantwortung. In der Vergangenheit versprachen sich die Kunden davon in erster Linie Kosteneinsparungen. Doch die Zeiten wandeln sich, und Outsourcing-Dienste werden heute nicht mehr vornehmlich aus Gründen der Kostensenkung gewählt.

Fragt man Outsourcing-Anbieter nach ihren Gründen für das Auslagern von Geschäftsprozessen, so lautet die häufigste Antwort: "Damit kann sich das Unternehmen wieder auf die eigentlichen Kernkompetenzen konzentrieren." Diese Antwort ist aber zu einfach, denn es gibt je nach Betrachtungswinkel eine Reihe von Gründen, die für oder gegen das Outsourcing sprechen. Im strategischen Bereich gilt tatsächlich das Argument der Outsourcing-Anbieter, dass sich Kunden intensiver ihrem Kerngeschäft widmen können.

Ein einfaches Beispiel ist die Buchhaltung. Eine entsprechende Abteilung existiert in jeder Firma, allerdings genießt sie meist nur ein geringes Ansehen und wirkt bei stark wachsenden Unternehmen oft überfordert. Warum also diese Tätigkeit nicht auslagern und die so gewonnenen Ressourcen effektiver nutzen? Dem halten die Skeptiker entgegen, dass das Outsourcing in die Abhängigkeit von Partnern führen kann, was wiederum Ineffizienz zur Folge haben kann. Des Weiteren befürchten sie eine Teilung von Geschäftsprozessen, die zusammengehören. Auch das Aufeinandertreffen von verschiedenen Unternehmenskulturen wird oft als Argument gegen einen Outsourcing-Prozess genannt.

In puncto Leistung verspricht Outsourcing den einfachen Zugriff auf das Know-how des Outsourcing-Anbieters. Mit entsprechenden Service-Level-Agreements (SLAs) wird die Auslieferung vereinbarter Leistungen abgesichert und kontrollierbar gemacht. Ein Begriff, der in diesem Zusammenhang häufig fällt, ist das Rightsourcing, das nichts anderes meint, als dass genügend Ressourcen zu einem vorher definierten Preis zur Verfügung gestellt werden. Doch Unternehmen, die den Schritt zum Outsourcing erwägen, sollten beachten, dass die Auslagerung den Informationsfluss behindern und eine räumliche Distanz zwischen den Partnern zu einem Problem erwachsen kann.

Entlassungen sind seltenNach wie vor sind Kosteneinsparung und gute Planbarkeit des IT-Budgets während der Vertragslaufzeit gewichtige Argumente für das Outsourcing. Selten ist dieser Schritt jedoch mit der Entlassung von Mitarbeitern verbunden, in jedem Fall ändern sich allerdings deren Aufgabengebiete. Sie müssen sich der Überwachung und Optimierung der Vereinbarungen mit dem Dienstleister widmen und so zur Qualitätssicherung der IT-Leistungen beitragen. Trotzdem - oder gerade dadurch - kann sich der Outsourcing-Prozess für langjährige IT-Mitarbeiter als Problem herausstellen, denn sie können sich nicht länger darauf beschränken, Aufträge zu erfüllen, sondern müssen Bereitschaft zum unternehmerischen Denken entwickeln.

Erfolgreiches Outsourcing entsteht nie aus einer Ad-hoc-Entscheidung heraus, sondern ist in der Regel das Ergebnis eines sorgfältigen Prozesses, der sich idealerweise in folgende fünf Phasen gliedert: Die Ist-Analyse bildet die Grundlage für alle folgenden Aktivitäten. In dieser Phase werden alle Informationen der verschiedenen Unternehmensbereiche bezüglich ihres Leistungsprofils gesammelt, konsolidiert und anhand von bestehenden und künftigen Marktanforderungen bewertet. Es ist wichtig, dass das Unternehmen sich hierbei Zeit lässt und nicht dem internen Druck folgt, der wahrscheinlich der Auslöser für die Überlegungen zum Outsourcing war.

Dieser Phase folgt die Make-or-buy-Entscheidung. Hier wird darüber beraten, welche Leistungen das Unternehmen überhaupt nach außen abgeben kann, ohne einen Know-how-Verlust zu riskieren. Des Weiteren darf das Unternehmen in keine Abhängigkeit geraten. Sind die verschiedenen Aspekte geprüft, so lassen sich die einzelnen Punkte hinsichtlich ihrer Kosten beziehungsweise Leistung bewerten, sprich: Was kostet die Leistung in Eigenherstellung und im Fremdbezug? Die hieraus gewonnenen Ergebnisse führen dann zur Entscheidung Selbstmachen oder Kaufen.

Schwierige VertragsgestaltungErst dann beginnt die Suche nach dem richtigen Partner. Eine Grundregel besagt zwar, dass man mit dem Marktführer einer Branche immer gut beraten ist, aber oftmals bieten kleinere Unternehmen flexiblere und kostengünstigere Lösungen an. Eine Kontaktaufnahme mit einer größeren Zahl von Anbietern ist deswegen empfehlenswert. Die meisten Unternehmen sparen sich allerdings diesen Aufwand: Laut Meta-Group-Studie hat sich nur ein Drittel der Befragten um alternative Angebote bemüht und damit gegen das Gebot verstoßen, bei mindestens drei Anbietern ein Angebots einzuholen.

Die Phase der Vertragsgestaltung bildet wohl die komplexeste Herausforderung, schließlich ist sie die Basis für eine erfolgreiche Zusammenarbeit beider Unternehmen. Umso wichtiger ist es, dass in diesem Vertrag alle Leistungen detailliert aufgeführt und beschrieben werden. Am besten eignen sich hierzu die Service-Level-Agreements (SLA) oder noch besser die Service Value Agreements (SVA, siehe Grafik). Der Prozess des Outsourcing endet mit der Phase der Implementierung. Doch abgeschlossen ist das Thema damit nicht: Nach der Umsetzung schließt sich ein unendlicher Kreislauf der Zusammenarbeit und des Controlling an. Denn die Kunst des erfolgreichen Outsourcing liegt in der ständigen Qualitätssicherung.

Pflichtaufgabe ist es zudem, neue Trends im Outsourcing-Geschäft zu beobachten. So wurde gerade in letzter Zeit sehr viel über das Application-Service-Providing (ASP) diskutiert, und es hat den Anschein, als ob diesem Servicesegment hierzulande nicht so recht der Durchbruch gelingen will. Die Vermutung gründet auf der Tatsache, dass der ASP-Anteil am gesamten hiesigen Outsourcing-Geschäft im Jahr 2000 lediglich 0,55 Prozent beziehungsweise 90 Millionen Mark betrug. Gründe für diese Situation liegen vor allem in der fehlenden Transparenz des Marktes und im mühsamen Weg der Vertrauensbildung.

Ein Problem, das die gesamte IT-Industrie betrifft, ist nach wie vor der allgemeine Fachkräftemangel. Während sich die deutsche Politik und Wirtschaft an das Green-Card-Programm klammern, zeichnet sich in den USA ein anderer Trend ab: Viele IT-Unternehmen lagern ihre technische Infrastruktur in die Heimatländer der umworbenen ausländischen IT-Fachleute aus, um von den niedrigen Lohnkosten vor Ort zu profitieren. Technisch scheint diese Lösung aufgrund der heute sicheren Satellitenübertragung machbar zu sein.

Modellcharakter für die gesamte Branche könnte das Konzept des Managed-Service-Providing (MSP) gewinnen. Anbieter dieser neuen Serviceart bündeln Outsourcing-Dienste. Bestandteil eines solchen Paketes kann etwa das Management einer ganze SAP-R/3-Umgebung einschließlich des Hosting (also Server und Mietsoftware) sein. Im nächsten Schritt bieten sich hierbei auch die Betreuung der Endgeräte (Desktops) inklusive des Betriebssystems wie Windows 2000 oder NT an sowie der Betrieb einer komplette Office-Umgebung sowie Mail- und Groupware-Lösung für Kunden. Derartige Fälle beinhalten zudem die Übernahme des Helpdesk.

Doch es gibt auch einen Bereich, den man tunlichst selbst betreiben sollte. Die Überwachung und Optimierung von IT-Prozessen, etwa im Rahmen vom Problem- und Change-Management, zählten zu einer Gruppe von Prozessen, die keinesfalls in fremde Hände gelegt werden dürfen. Der Prozesseigner des Problem- und Change-Managements muss immer ein Mitarbeiter des Outsourcing-Nehmers sein. Nur so haben die Anwender die Kontrollhoheit über den ausgelagerten IT-Teil und nur so können sie die Funktionsfähigkeit der im Unternehmen verbliebenen Prozesse sicherstellen.

*Brian Rogers ist Manager Consultant und Practice Leader für das Themengebiet Service Management Strategies bei der Meta Group.

Abb: Was verbinden Sie mit "Outsourcing"?

IT-Verantwortliche fürchten Abhängigkeit und Kompetenzverlust, Geschäftsleute sehen Vorteile im Wettbewerb. Quelle: Meta Group Deutschland