Harte Wortgefechte zum Auftakt

Der Antitrust-Prozeß gegen Microsoft geht in die entscheidende Phase

17.09.1999
WASHINGTON (CW/IDG) - Mit der Diskussion des zurückliegenden Prozeßverlaufs ist das Antitrust-Verfahren gegen Microsoft in die entscheidende Phase getreten. Beide Seiten hatten zuvor schriftlich dargelegt, welche Schlüsse aus der bisherigen Beweisaufnahme zu ziehen seien.

Am 10. August hatten beide Parteien - Microsoft einerseits und das US-Justizministerium andererseits - in jeweils mehrere hundert Seiten umfassenden Dokumenten ihre Sicht des bisherigen Prozeßverlaufs und der daraus zu schließenden Folgerungen erläutert. Die darauf folgende Anhörung vor dem US-Bezirksgericht in Washington D.C. sollte den Beteiligten ermöglichen, die Argumente der Gegenseite zu widerlegen.

Erneut prallten die Argumente der Parteien hart aufeinander. Die US-Regierung kritisierte, Microsofts Darlegungen bezüglich der angeblichen Attacken auf den Konkurrenten Netscape seien widersprüchlich; die Stoßrichtung habe sich wiederholt grundlegend verändert: "Zuerst behauptete man, nicht auf das Opfer geschossen zu haben, dann, daß dies jeder tue, und später, daß das Opfer ohnehin gestorben wäre. Nun argumentiert Microsoft, das Opfer sei unverletzt", so die Kritik der Anklagevertreter.

Das US-Justizministerium (Department of Justice = DoJ) kritisierte ferner nochmals die Aussagen von Microsoft-Chef Bill Gates. Dessen Ausführungen seien angesichts der vorliegenden Beweise, unter anderem einer Vielzahl von firmeninternen E-Mails, "bizzar" und "einfach unglaubwürdig".

In dem seit Oktober 1998 laufenden Verfahren wird Microsoft unter anderem vorgeworfen, seine dominierende Position im Markt für PC-Betriebssysteme dazu mißbraucht zu haben, den Konkurrenten Netscape aus dem Feld zu schlagen und andere Mitbewerber zu behindern.

Microsoft entgegnete, die Behauptungen des DoJ beruhten zum großen Teil auf Informationen vom Hörensagen. "Trotz ihres Geschreis haben es die Kläger versäumt, stichhaltige Beweise vorzulegen", schreiben die Anwälte in ihren 679seitigen Ausführungen.

Von einer Vernichtung Netscapes könne keine Rede sein, so die Vertreter der Gates-Company. Immerhin habe AOL zehn Milliarden Dollar für den Browser-Anbieter gezahlt. Damit sei eine ernste Bedrohung Microsofts weiterhin gegeben. Konkurrenz drohe dem Windows-Erfinder zunehmend auch von anderer Seite, so die Verteidigung mit Blick auf das Open-Source-Betriebssystem Linux. Ein Unternehmen wie Red Hat könne nach dem jüngst erfolgten Börsengang etwa bereits eine Marktkapitalisierung von acht Milliarden Dollar vorweisen.

Anhand der eingereichten Unterlagen und der Ergebnisse der Anhörungen wird Richter Thomas Jackson im Oktober seine Interpretation der Fakten ("Finding of Facts") verkünden. Diese Einschätzung gilt formal noch nicht als Urteilsspruch, wird jedoch nach Ansicht von Experten klare Hinweise auf die letztendliche Entscheidung des Richters geben. Sollte Jackson beispielsweise zu dem Schluß kommen, Microsoft halte ein Monopol und schade damit den Verbrauchern, könnten die Ankläger dies zum Anlaß nehmen, eine Aufspaltung des Konzerns zu fordern. Verneint der Richter andererseits den Monopolvorwurf, hätte dies für die Argumentationskette des DoJ fatale Folgen.