Talent Management

Datenschutz begrenzt Einsatz von Software

04.07.2013
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und Martin Schweinoch sind Anwälte im Fachbereich IT, Internet & E-Business von SKW Schwarz (www.skwschwarz.de). Martin Schweinoch leitet diesen Fachbereich.
Martin Schweinoch ist Anwalt im Fachbereich IT, Internet & E-Business von SKW Schwarz. Martin Schweinoch leitet diesen Fachbereich.
Vieles ist möglich, nicht alles ist erlaubt: Wer ein Talent-Management-System einsetzt, muss rechtliche Vorgaben berücksichtigen, sich rechtzeitig informieren und die Beteiligten einbinden.

Moderne Talent-Management-Systeme bieten ein breites Leistungsspektrum, das von der Bewerbung eines Praktikanten bis zur gezielten Förderung von Spitzenkräften reicht. So vielfältig wie die Funktionen können auch die im Talent-Management-System enthaltenen Daten sein. Sie reichen von der Wohnanschrift über persönliche Qualifikationen und Bildungsabschlüsse bis zu Gesundheitsdaten und internen Beurteilungen. Häufig werden Talent-Management-Systeme auch konzernübergreifend eingesetzt, also nicht beschränkt auf ein einzelnes Unternehmen. Dass der Einsatz solcher Systeme nicht quasi beliebig im rechtsfreien Raum möglich ist, liegt auf der Hand. Dieser Beitrag wirft einige Schlaglichter auf relevante Aspekte.

Umgang mit Bewerberdaten

Das Gesetz sagt: Wollen Unternehmen personenbezogene Daten von Bewerbern länger im System speichern, müssen sie die schriftliche Einwilligung der Kandidaten einholen.
Das Gesetz sagt: Wollen Unternehmen personenbezogene Daten von Bewerbern länger im System speichern, müssen sie die schriftliche Einwilligung der Kandidaten einholen.
Foto: Kzenon - Shutterstock.com

Talent-Management-Systeme ohne persönliche Daten von Bewerbern und Mitarbeitern sind praktisch nicht denkbar. Wenn Daten auf eine bestimmte Person zurückführbar sind, unterliegen sie als "personenbezogene Daten" dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Danach ist der Umgang mit personenbezogenen Daten verboten, außer wenn eine gesetzliche Erlaubnis eingreift oder die jeweils betroffene Person zuvor eingewilligt hat. Es ist kaum üblich, vor der Aufnahme von Bewerberdaten in ein Talent-Management-System eine datenschutzrechtliche Einwilligung des Kandidaten in der grundsätzlich erforderlichen Schriftform einzuholen. Der Bewerber könnte diese Einwilligung zudem stets frei widerrufen, dann entfiele ihre Wirkung für die Zukunft. Für Beschäftigte des Unternehmens ist umstritten, ob eine datenschutzrechtliche Einwilligung "freiwillig" sein kann.

Als sicherer Weg bleibt daher, für den Einsatz des Talent-Management-Systems auf die gesetzlichen Erlaubnisse zu bauen. Danach dürfen personenbezogene Daten für die Anbahnung eines Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet und genutzt werden, später auch für dessen Beendigung (Paragraf 32 BDSG). Die Verarbeitung der Daten über diese Zwecke hinaus bleibt aber verboten, ebenso eine dafür nicht erforderliche Verarbeitung. Zusätzliche Anforderungen gelten für den Umgang mit besonders sensiblen Daten, etwa zu Gesundheit, ethnischer Herkunft, politischen Meinungen, religiösen oder ideologischen Überzeugungen, Gewerkschaftszugehörigkeit, Gesundheit oder Sexualleben.

Zentrale Systeme für Unternehmensgruppen

Werden in einem Talent-Management-System nicht nur Daten zu Bewerbern und Beschäftigten eines, sondern mehrerer Unternehmen erfasst oder verarbeitet, stellt der Datenschutz weitergehende Fragen. Häufig werden HR-Funktionen in Unternehmensgruppen oder Konzernen zentral wahrgenommen und die Datenbestände des Talent-Management-Systems zentral geführt. Für den Datenschutz ist es aber ohne Bedeutung, ob ein Unternehmen mit einem anderen in einer Gruppe oder einem Konzern verbunden ist. Auch solche Unternehmen sind für den Datenschutz eigenständige Dritte. Die Weitergabe von Personaldaten von einem Unternehmen an das andere ist nur unter den zusätzlichen Vor-aussetzungen für eine (datenschutzrechtliche) Übermittlung zulässig.

Auftragsdatenverarbeitung als Alternative

Eine Alternative bietet die sogenannte Auftragsdatenverarbeitung: Sie ermöglicht die Verarbeitung von (Personal-)Daten durch ein Unternehmen für andere Unternehmen des Konzerns oder der Gruppe ohne (datenschutzrechtliche) Übermittlung und die dafür notwendigen Voraussetzungen. Diese Auftragsdatenverarbeitung ist schriftlich mit bestimmten Mindestinhalten zu vereinbaren (Paragraf 11 BDSG) und muss insbesondere die Sicherheitsanforderungen des Datenschutzes erfüllen (Paragraf 9 BDSG). Das beauftragte Unternehmen darf mit diesen Daten nur im Rahmen des Auftrags umgehen und unterliegt den Weisungen des Auftraggebers.

Seit 2006 schreibt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vor, dass Benachteiligungen wegen ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu vermeiden sind. Dies gilt für Bewerber und eigene Mitarbeiter, deren Auswahl und Einstellung, den beruflichen Aufstieg, die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen wie auch für die Vergütung und Entlassung. Die relevanten Daten für Entscheidungen über solche Themen sind häufig im Talent-Management-System gespeichert.

Bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot muss der Arbeitgeber entstandene Schäden ersetzen. Sofern ein Bewerber oder Beschäftigter Indizien für eine ungerechtfertigte Benachteiligung darstellen kann, muss der Arbeitgeber beweisen, dass keine verbotene Benachteiligung vorlag.

Häufig wird die Darstellung richtigen Handelns durch den Arbeitgeber nur durch Rückgriff auf die Daten des Talent-Management-Systems möglich sein. Sonst kann er möglicherweise die "richtige" Auswahl für eine Neueinstellung oder betriebliche Maßnahme nicht belegen. Daraus ergibt sich ein Spannungsfeld mit dem Datenschutz: Die Daten abgelehnter Bewerber benötigt der Arbeitgeber nach einer Neueinstellung grundsätzlich nicht mehr. Dann aber sind sie nach den Regeln des Datenschutzes zu löschen oder zumindest zu sperren. Behauptet ein abgelehnter Bewerber eine verbotene Benachteiligung, kann der Arbeitgeber ohne dessen Bewerberdaten aber eine korrekte Auswahlentscheidung kaum darstellen. Zwar müssen Ansprüche wegen einer Benachteiligung innerhalb von zwei Monaten geltend gemacht werden. Die Gerichte neigen aber dazu, den Beginn dieser Frist nicht schon mit der Absage an den Bewerber anzunehmen, sondern erst mit dessen Kenntnis von einer möglichen Benachteiligung - also möglicherweise deutlich später. Um sich gegen solche Ansprüche verteidigen zu können, wird daher eine angemessene Aufbewahrungsfrist auch über zwei Monate nach der Bewerberabsage wohl zulässig sein.

Muss man den Betriebsrat fragen?

Der Umgang mit dem eigenen Personal zählt zu den Kernbereichen der betrieblichen Mitbestimmung im Betriebsverfassungsgesetz. Danach benötigen nicht nur "Personalfragebögen" - etwa Eingabemasken für Bewerberdaten - und Auswahlrichtlinien für Einstellungen und betriebliche Personalmaßnahmen die Zustimmung des Betriebsrats. Auch IT-Systeme, die eine Leistungs- oder Verhaltenskontrolle ermöglichen, sind nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Ohne diese Aspekte wäre der Einsatz eines Talent-Management-Systems allenfalls eingeschränkt sinnvoll.

Aus diesen Gründen ist der Betriebsrat frühzeitig in die Einführung oder Änderung eines Talent-Management-Systems einzubeziehen. Wenn die erforderliche Zustimmung nicht vorliegt, kann der Betriebsrat den Einsatz des Systems verhindern oder einschränken - im Extremfall sogar durch gerichtliche Maßnahmen. Als zentrales Werkzeug für den richtigen Einsatz guten Personals muss ein gutes Talent-Management auch im Interesse des Betriebsrats liegen. Denn in weniger erfolgreichen Unternehmen gibt es auch weniger Wohltaten für das Personal zu verteilen.

Auch wenn dieser Beitrag nur einige rechtliche Aspekte für den Einsatz von Talent-Management-Systemen skizzieren kann, ist das Ergebnis klar: Ein Projekt für die Einführung oder Umgestaltung von Talent-Management-Systemen sollte bereits frühzeitig rechtlich begleitet werden, um unnötige Risiken und Hürden zu vermeiden. (hk/am)