Speicherkonzepte/Ein Netz für alle Daten

Das SAN-Konzept entwickelt sich zur kompletten Lösung

14.05.1999
Von Rolf Hoerner* Storage Area Networks (SAN) besitzen in größeren heterogenen IT-Strukturen viele Vorteile, zumindest theoretisch. Allerdings handelt es sich bei diesem Konzept um den kleinsten gemeinsamen Nenner für verschiedene Ansätze der Hersteller, die bislang keine runden Gesamtlösungen anbieten konnten. SANs bestehen heute noch aus Einzelkomponenten, deren Interoperabilität fragwürdig bleibt. Es fehlt zudem an anerkannten Standards und SAN-weit einsetzbaren Management-Tools. EMC stellte mit dem Enterprise Storage Network (ESN) ein hard- und softwareseitig vollständiges Paket vor, das der Idee der Speichernetze zum Durchbruch verhelfen könnte.

Jahr für Jahr steigen die im Unternehmen zu verarbeitenden Datenmengen drastisch an - von einer jährlichen Verdoppelung auszugehen ist sicher nicht verkehrt. Gleichzeitig werden die Server-Strukturen immer komplexer. In größeren Unternehmen sind heterogene Umgebungen aus Mainframes, Unix- und NT-Systemen im Einsatz. Server-spezifische Speicher evozieren zwangsläufig operative Probleme und zugleich gravierende Kostenzuwächse in der Administration. Die steigenden Datenmengen belasten die Performance des Netzwerks, der plattformunabhängige Datenzugriff, als wettbewerbsrelevant längst erkannt, bleibt für die Unternehmen eine theoretische Option. Die Konsolidierung der Datenbestände auf zentralen Speichern ist zur wichtigen Aufgabe der Unternehmens-IT geworden.

Ein weiterer Faktor, der herkömmliche Speicherkonzepte vor Probleme stellt, heißt Windows NT. Microsofts Betriebssystem setzt seinen expansiven Kurs fort, und immer mehr Unternehmen vertrauen auch bei kritischen Anwendungen, beispielsweise im ERP-Umfeld, auf den erfolgreichen Wettbewerber von Unix und Netware. Damit sind sie allerdings gezwungen, auch an NT Verfügbarkeitsanforderungen zu stellen, wie sie beim Mainframe seit langem üblich sind.

Reine Großrechnerumgebungen liegen in diesem Punkt nach wie vor an der Spitze, zudem umfaßt die Verfügbarkeit des Gesamtsystems den möglichst andauernden Zugriff auf die gespeicherten Daten. Da lag es nahe, ein im Großrechnerumfeld bekanntes Speicherkonzept auf heterogene Server-Umgebungen zu übertragen. Die SANs resultieren aus diesem Gedanken, und sie haben keine Schwierigkeiten mit der Zukunftssicherung von NT-Umgebungen, der Skalierbarkeit. NT-Server unterliegen beim Anschluß von Speichersystemen Reglementierungen, denn an einen NT-Server lassen sich herkömmliche, kleinere Arrays mit maximal 300 bis 500 GB Speicherkapazität koppeln. Der primäre Grund dafür ist die Belegung der Steckplätze für weitere I/O-Karten. Zusätzliches Datenaufkommen erfordert es, weitere Server zu integrieren. Das kostet Geld, sowohl in der Anschaffung als auch in der Administration. Im SAN operieren Speichersysteme, deren Kapazität nicht von betriebssystembedingten Vorgaben abhängen.

Grundprinzip von SAN und Enterprise Storage Networks (ESN) ist die Abtrennung der operativen Datenströme im LAN von denen der zentralen Speichersysteme. Die Server greifen unabhängig von ihrem Betriebssystem auf die Datensilos zu. Das Speichernetz überträgt die I/O-Daten zwischen Servern und Speichern - und mehr nicht. Durch diese Trennung erhöht sich die Performance des LAN, und logischerweise verlaufen auch die Speicherzugriffe schneller als in gemeinsamen Netzwerken.

Als sozusagen positiver Nebenaspekt versprechen SANs darüber hinaus die Lösung des Backup-Problems. Verteilte Speicher erfordern verteilte Backups und verursachen damit einen hohen Verwaltungsaufwand. Zudem verlangen unternehmenskritische Daten weitergehende Vorsorgemaßnahmen, die sich nicht auf speicherinterne Redundanzen nach den RAID-Spezifikationen beschränken dürfen. Um auch im Katastrophenfall den Betrieb aufrechterhalten zu können, sind kritische Daten auf regional entfernten Speichersystemen redundant zu halten. Server-orientierte Speichersysteme mit ihren SCSI-Verbindungen unterliegen aber verbindungsbedingten Reglementierungen der Entfernung zwischen Server und Speicher; viel mehr als 25 Meter sind ohne zwischengeschaltete Repeater nicht möglich. Jene Repeater sind nicht der Weisheit letzter Schluß, denn sie bilden eine zusätzliche Fehlerquelle.

Im übrigen bleibt unabhängig von der Frage "Setzen wir auf ein Speichernetz oder nicht?" das Problem einer unternehmensweiten Konsolidierung ungelöst, soweit SCSI-Verbindungen eingesetzt sind. Das Entfernungslimit diktiert Standorte von Servern und Speichern, an denen sich die IT-Struktur zu orientieren hat. Diesen Engpaß schließt eine Verbindungstechnologie, die unabhängig von SAN bereits akzeptiert und verbreitet ist: der Fibre Channel.

Fibre Channel (FC) ist ein nach ANSI und ISO/IEC genormtes Transportmedium, das protokollneutral operiert und eine technische Basis für das ESN-Konzept bildet. Es birgt gegenüber anderen Übertragungsmedien zwei entscheidende Vorzüge: rund zehnmal höhere Übertragungsraten als Fast Ethernet und mit bis zu zehn Kilometer Distanz deutlich höhere Entfernungen zwischen Speicher und Server.

Auch das ESN ist noch nicht perfekt

Weil FC protokollneutral ist, sind innerhalb des Speichernetzes gleichzeitig TCP/IP oder SCSI einsetzbar, ohne das SCSI-Protokoll modifizieren zu müssen. Eine Umrüstung bestehender Systeme ist daher leicht. Es geht auch im Rahmen des ESN-Konzepts nicht um die Ablösung von SCSI auf der Protokollebene. Der wesentliche Aspekt des Fibre Channel im ESN ist vielmehr die physikalische Schnittstelle, und hier ist FC aus den genannten Gründen klar überlegen.

Die FC-Technologie besitzt bereits anerkannte Standards, die allerdings in einem möglichst breiten Konsens der Anbieter weiterentwickelt werden müssen. Im Februar dieses Jahres wurde auf Initiative von EMC die Fibre Alliance ins Leben gerufen, in der sich relevante Anbieter zusammengeschlossen haben, um weitere Standards für FC-basierte Speichernetze zu verabschieden. Dabei sind bislang zehn Anbieter von Hubs, Switches, Host-Bus-Adaptern, Routern und Servern, weitere sollen folgen. Von den wichtigen Server-Herstellern sitzt Hewlett-Packard im Boot der Fibre Alliance. Die anderen Hersteller von Servern basteln entweder selbst an SAN-konformen Ideen - so verfahren derzeit IBM, Sun und Dell - , schließen Allianzen oder warten zunächst einmal ab, wie der Markt von Speichernetzen reagiert.

Seinen Optimismus, das eigene ESN-Konzept am Markt durchsetzen zu können, bezieht EMC aus seiner Palette FC-tauglicher Komponenten, die zusammen ein reibungslos funktionierendes Speichernetz bilden sollen. Die Speichersysteme selbst (Symmetrix) sind in Open-Systems- wie in Mainframe-Umgebungen bekannt. Sie stammen ursprünglich aus der Großrechnerwelt und sollen die dortigen hohen Erfordernisse an Verfügbarkeit, Performance und Skalierbarkeit auch in anderen Umgebungen erfüllen.

Neu ist dagegen eine Verbindungskomponente namens Connectrix. Sie integriert alle Verbindungen zwischen Speichern und unterschiedlichen Servern in einem System unter einer einheitlichen Management-Software. Das klingt weniger bedeutsam, als es in der Praxis ist. Jede Netzwerk-Komponente stellt eine Fehlerquelle dar, die im Ernstfall die Verfügbarkeit des Gesamtsystems beeinträchtigt. Zudem greift hier wieder das Kostenargument. Die Management-Software überwacht den Systemstatus, kontrolliert die Netzwerk-Performance und leistet eine Fehlerdiagnose, was bei einem Sammelsurium von einzelnen Bauteilen zumindest aufwendig ist.

Ein Connectrix-System enthält ein oder zwei FC-Directors mit jeweils 32 Kanalanschlüssen. Demnach stehen maximal 64 I/O-Ports für die Ankopplung dezentraler Server an die Speichersysteme zur Verfügung. Switch-Controller, Prozessor und Stromversorgung sind redundant ausgelegt.

Die Freiheit des Anwenders, NT-Server verschiedener Hersteller und "sein" Unix in ein Speichernetz integrieren zu können, entscheidet über die Flexibilität des Konzepts. In diesem Punkt sieht es bei den SAN-Konzepten der Server-Anbieter noch recht finster aus. Allerdings besteht auch in einem ESN keine grenzenlose Wahlfreiheit. Derzeit werden NT-Server von IBM, Dell, Compaq, HP und Siemens unterstützt. Bei Unix muß es (noch) die Sun-Version Solaris sein.

Angeklickt

Derzeit sieht es mit dem Angebot an kompletten SAN-Umgebungen noch recht bescheiden aus. Die Industrie behilft sich mit Insellösungen und kämpft um einheitliche Standards und Normen, um die Komponenten interoperabel zu machen. Speicherspezialist EMC erweitert die SAN-Idee und schnürt ein Paket aus Hard- und Software - das Enterprise Storage Network (ESN). Aber auch dabei besteht keine grenzenlose Wahlfreiheit bei den Komponenten, die sich integrieren lassen.

*Rolf Hoerner ist freier Fachjournalist in Karben.