Deal mit Telekom ermöglicht Einwahl zum City-Tarif

Compuserve trimmt sich für das Internet

20.09.1996

Compuserve-Kunden, die nicht in der Nähe eines Einwahlknotens leben, dürfen sich freuen. Durch einen Deal ihres Online-Dienstes mit der Telekom können sie sich künftig erheblich günstiger über die Zugangsnummer 01910 in das Network einklinken. Nach Angaben von Felix Somm, Country Manager Central Europe bei Compuserve, soll es Ende Oktober 1996 soweit sein. Dann will die Telekom den Zugang für alle Teilnehmer des amerikanischen Online-Dienstes über die vorhandenen Datex-J-Knoten realisiert haben. Die bislang fällige Gebühr von 14,20 Dollar pro Stunde für die Einwahl über das Datex-J-Netz des Bonner Carriers soll dann auf einen Dollar für den gleichen Zeitraum gesenkt werden.

Einwahl mit zum Teil 28800 Bit/s möglich

Nach der Freigabe des neuen Access-Angebots sind Compuserve- Mitglieder in der Lage, sich flächendeckend über Datex-J mit ISDN (64 Kbit/s) oder analog mit 14400 Bit/s zum City-Tarif der Telekom einzuloggen. In einigen Städten ist die Einwahl bereits mit 28800 Bit/s möglich. Bundesweit versprechen die Bonner den Zugang mit dieser Transferrate zu allen 220 Knoten für 1997. Bislang profitierten lediglich die Anwender des Telekom-Dienstes T-Online von der billigen Einwahl.

Für das erste Quartal 1997 plant die Telekom die Umstellung der Datex-J-Knoten auf direkten IP-Access. Damit wäre für die Compuserve-Klientel der Zugriff auf das flächendeckende IP-Netz des deutschen Netzbetreibers gewährleistet. Nach America Online (AOL) und Microsoft Network (MSN) würde dann ein weiterer großer Player des Online-Geschäfts die Infrastruktur des TK-Riesen nutzen. Erklärtes Ziel der Telekom ist es, so viele Online- Provider wie möglich auf ihr IP-Netzwerk zu schalten. "Unser Kerngeschäft ist der Transport", erklärte ein Vertreter des Carriers die Strategie der Bonner.

Im Gegensatz zur Telekom sieht sich Compuserve nicht primär als Provider von Netzinfrastruktur. "Der Preiskampf im Access-Bereich, wo im Prinzip schwarze Löcher ins Internet angeboten werden, ist nicht mehr gesund", kommentierte Somm die jüngste Entwicklung. Sein Unternehmen werde sich deshalb in Zukunft verstärkt auf das Angebot hochwertiger Inhalte konzentrieren.

Dennoch kommt Compuserve nicht umhin, seine Netzarchitektur grundlegend zu erneuern und zu optimieren. Das US-Unternehmen hat erkannt, am Online-Markt nur dann bestehen zu können, wenn es von seiner proprietären Protokollpolitik Abschied nimmt. Aus diesem Grund soll noch in diesem Jahr das weltweite Compuserve-Netz auf IP umgerüstet werden.

Der Service-Provider wird zu diesem Zweck direkte Gateways ins Internet implementieren, die in Europa in den Städten London, München und Paris installiert sein sollen. Die Company verspricht sich davon auch eine Optimierung des Netzverkehrs sowie eine Beschleunigung der Transferraten. Künftig müssen nämlich nicht mehr alle Datenpakete in und aus dem Internet über den Compuserve- Knoten in Ohio transportiert werden.

"Red Dog" enthält Java-und Active-X-Applets

Von der unter der Projektbezeichnung "Red Dog" zusammengefaßten Umstellung auf neueste Internet-Technologien sollen die Mitglieder auch bei der Nutzung profitieren. Die für Herbst 1996 geplante Version von "Compuserve 3.0" wird verschiedene Browser enthalten und PPP-Verbindungen zu Compuserve aufbauen. Enthalten sind ferner Java- und Active-X-Applets, Funktionen zur Online-Videoübertragung sowie Datenbanksuchmasken.

Compuserve 3.0 wird Somm zufolge künftig standardmäßig in Windows 95 und Windows NT ausgeliefert. Über das Menü läßt sich auch die 32-Bit-Version des Netscape Navigators 3.0 aufrufen. Eine Anpassung der neuen Oberfläche an 16-Bit-Systeme wie Windows 3.x ist derzeit noch offen.

Mit den neuen Tarifen, der Umstellung auf IP sowie der modifizierten Benutzeroberfläche hofft Somm auf zusätzliche Compuserve-Abonnenten. Bis zum Ende des Geschäftsjahrs im April 1997 will er die Zahl der Teilnehmer von derzeit 320000 auf 600000 im deutschsprachigen Raum steigern.

Mit dem Geschäft in Europa ist das Management, wie es scheint, zufrieden. "In Europa wirtschaftet Compuserve sehr profitabel", lobte Steven Stanbrook, President International, die Entwicklung in der Alten Welt. Die kürzlich gemeldeten Verluste der Muttergesellschaft führte er auf große Investitionen in den USA zurück. Zu den Gerüchten einer Übernahme Compuserves durch Microsoft sagte Stanbrook lapidar: "Es ist alles denkbar." Seines Wissens seien aber keine Gespräche in Gang.