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Thema des Tages

Compaq: True64 nur noch für Nischenmärkte

09.07.1999
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MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Der texanische Computerriese Compaq Computer hat US-Presseberichten zufolge eine bedeutsame Veränderung seiner Server-Strategie beschlossen. Für die Volumenmärkte setzt der Hersteller künftig auf die Betriebssysteme Windows NT und Linux. Das von Digital geerbte "hauseigene" Unix "True64" (vormals Digital Unix) soll nur noch für Nischenmärkte angeboten werden. "Wir positionieren unser Unix nur noch für ausgewählte Märkte", erklärte Steve Kirschoff, Vice-President für das strategische Marketing der Enterprise und Services Group gegenüber dem Nachrichtendienst "News.com". "Wir sehen die Notwendigkeit, also handeln wir rechtzeitig."

Vier Zielmärkte sind es konkret, in denen Compaq auch weiterhin True64 vermarkten will: Technical Computing, Telekommunikation, Business Intelligence sowie ausgewählte Unternehmensanwendungen (E-Commerce, Web-Hosting, Enterprise Resource Planning = ERP). In diesen Bereichen will der Hersteller nach Aussagen von Kirschoff auch gezielt mit unabhängigen Softwareanbietern (Independent Software Vendors = ISVs) zusammenarbeiten, um die Verfügbarkeit entsprechender Applikationen sicherzustellen.

Die Tatsache, daß immer mehr von Compaqs "Proliant"- und "Alpha"-Systemen neben NT auch an das quelloffene Unix Linux angepaßt werden, läßt die Zukunft von True64 generell unsicher erscheinen. Von einem Abschied wollen die Verantwortlichen aber selbstredend nichts wissen. "Wir haben keinerlei Pläne, True64 zu irgendeinem Zeitpunkt links liegen zu lassen", erklärte Don Jenkins, Vice-President für das Marketing und Produkt-Management des Unix-Bereichs.

Auch das Engagement von Compaq für die ebenfalls von Digital geerbte "Alpha"-Plattform war in der Vergangenheit oft angezweifelt worden. "Vor allem seit dem Rücktritt von Eckhard Pfeiffer wachsen bei Kunden und Geschäftspartnern die Sorgen", meint auch Lindy Lesperance von Technology Business Research. "Das Unternehmen muß Kosten sparen. Sie müssen sich von unattraktiven Bereichen trennen. Manches spräche hier für Alpha und True64." Wenn das Alpha-Geschäft erfolgreich sein soll, dann "muß Compaq eine Geschichte erzählen, die für jedermann Sinn macht", so Jim Williamson, Research Director bei der International Data Corp. (IDC). Bis zu einem gewissen Maß sei das auch gelungen. "Aber irgendwie fehlt ihnen etwas - das schlagende Argument, warum Leute weiterhin große Server von Compaq kaufen sollten."

Vielleicht liefert die neue Kombination NT/Linux für den Massenmarkt und True64 für Spezialanwendungen hier neue Motivation. Compaqs Interims-CEO Benjamin Rosen hat jedenfalls allen Unkenrufen zum Trotz per firmeninternem Memo verstärkte Unterstützung für True64/Alpha und zusätzliche Investitionen in Höhe von 100 Millionen Dollar angekündigt. "Das Unternehmen hat auf höchster Ebene beschlossen, eine Menge Ressourcen in True64 zu stecken. Das ist gleichzeitig ein Statement dafür, daß wir als Unternehmen hinter der Alpha-Architektur stehen", erklärte Marketing-Mann Kirschoff.

Die IDC hatte gestern eine Studie veröffentlicht, in der Windows NT im weltweiten Server-Markt bis zum Jahr 2003 ein Marktanteil von 30 Prozent (1998: 13,8 Prozent) prophezeit wird. Unix bleibt nach Ansicht der Auguren auch in vier Jahren mit 41 Prozent Marktanteil weiterhin das führende Server-Betriebssystem. Die Kunden werden demnach im Jahr 2003 für NT 27 Milliarden und für Unix 37 Milliarden Dollar ausgeben, schätzen die Marktforscher.