Gates verbreitet Zweckoptimismus

Comdex Fall: "Das Beste kommt noch"

16.11.2001
LAS VEGAS (CW) - Mit einer gehörigen Portion Optimismus eröffnete Bill Gates die Comdex Fall in Las Vegas. Scheinbar unbeirrt von den Sorgen der globalen IT-Industrie verkündete der Microsoft-Gründer den Beginn einer hochproduktiven "digitalen Dekade", die das vergangene Jahrzehnt in den Schatten stellen soll.

Dem allgemeinen Branchengejammer zum Trotz prognostizierte Microsofts Gründer, Chairman und Chief Software Architect Bill Gates der IT-Industrie eine rosige Zukunft. In seiner Keynote-Ansprache zum Auftakt der US-Computerleitmesse verwies der Softwarekönig auf die bevorstehende digitale Dekade, in der das in technologischer Hinsicht Beste erst noch kommen soll. "Mit Hilfe neuer Technologien werden wir die Produktivität in dem vor uns liegenden Jahrzehnt im Vergleich zu den 90er Jahren verdoppeln", versprach das Firmenoberhaupt. Schnellere Prozessoren und breitbandigere Netze in Kombination mit Sprach- und Handschriftenerkennung würden den Menschen künftig eine Menge Arbeit abnehmen. Der daraus resultierende Produktivitätszuwachs werde der Wirtschaft dann die entscheidenden Impulse geben. Als erstes positives Signal stellte Gates den in der Geschichte der Microsoft-Betriebssysteme beispiellos erfolgreichen Start von Windows XP dar: Sieben Millionen Lizenzen habe man seit der Einführung am 25. Oktober verkauft, so Gates.

Die Eröffnungsrede des Konzernchefs diente zugleich der Präsentation Microsoft-spezifischer Neuheiten. Mit seinem "Tablet-PC" zog Gates zwar einen alten Bekannten vom Vorjahr aus dem Ärmel. Allerdings ist das Gerät mittlerweile dem Konzeptstadium entwachsen und immerhin zum Prototypen herangereift. Der tragbare stiftbasierte Hardwarehybride aus Notebook und Pocket PC soll sich innerhalb der nächsten fünf Jahre zum populärsten mobilen Begleiter auswachsen, so der Microsoft-Chairman. Die kompakten Geräte mit Touchsreen - zu sehen waren unter anderem Prototypen von Compaq und Acer - laufen unter der "Windows XP Tablet PC Edition", einer Spezialversion des jüngsten Microsoft-Betriebssystems, und kommen mit einer Reihe neuer Applikationen auf den Markt. "Nächstes Jahr werden hier im Publikum schon viele Leute ihre Notizen darauf schreiben", hofft Gates. Neben den genannten Herstellern wollen auch Fujitsu, Toshiba, NEC, First International Computer (FIC), Tatung sowie Viewsonic im kommenden Jahr entsprechende Hardware liefern. In Sachen Software haben unter anderem Groove Networks, Autodesk, Corel und Adobe ihre Unterstützung zugesagt. Erste Produkte sollen in der zweiten Hälfte 2002 verfügbar sein.

Als weiteres Beispiel für die künftigen "Produktivitätsstimulatoren" aus dem Hause Microsoft kündigte Gates die nächste Version der Bürosuite "Office XP" an, die 2002 - rechtzeitig zum Launch des Tablet-PC - fertig sein und handschriftliche Notizen in Word oder Outlook akzeptieren soll.

Als Schlüsselstandard für die nächsten zehn Jahre bezeichnete Bill Gates die viel diskutierten Web-Services, sprich: die XML-basierende Kommunikation zwischen bisher unabhängig verteilten Geschäftsanwendungen. Diese benötige man, um das Internet als Programmierumgebung zu nutzen. Als Beispiel demonstrierte Robyn Pierce von Microsofts .NET-Group eine Kombination aus Passport-Authentifizierung und Excel-Spesenabrechnung. Hierbei wurden aktuelle Kreditkartenbelege und Handy-Telefonate eines fiktiven Mitarbeiters aus dem Netz abgerufen und in eine Tabelle importiert. Passende XML-Tags könne ein Mitarbeiter auch in seine E-Mail einfügen, so Pierce. Auf diese Weise lasse sich eine Abrechnung elektronisch an die Firmenzentrale senden, wo sie von den Backend-Systemen automatisch verarbeitet würde. Noch im Dezember soll es ein Toolkit geben, mit dem Anwender Web-Services-Funktionen in Office ausprobieren könnten.

Auch die drahtlose Kommunikation in (Heim-)Netzen zählt Gates zu den wichtigen Faktoren für die digitale Zukunft. Seine Vision: Digitale Inhalte jeder Art einschließlich Musik und Videos lassen sich im Haus umherbeamen und in jedem Zimmer abrufen. "Drahtlose Netze, moderne PCs sowie künftige Settop-Boxen und Videospiele werden auf ganz neue, synergetische Art und Weise zusammenkommen, wenn man sie mit Internet-Diensten wie MSN verbindet", glaubt der Microsoft-Firmenchef. Zu den Herausforderungen in diesem Bereich gehörten die Sicherheit sowie die Bereitstellung breitbandiger Verbindungen bis in die Haushalte hinein.

Die Consumer kamen ebenfalls nicht zu kurz: So präsentierte der Konzernchef die Spielekonsole "Xbox", die ab sofort in den US-Regalen steht.

Bei aller Microsoft-Euphorie scheint auch die größte US-Computermesse von den Auswirkungen des aktuellen Weltgeschehens nicht verschont geblieben. So ging es heuer auf der Comdex Fall deutlich ruhiger zu als in den vergangenen Jahren. Nach Angaben der Veranstalter ist die Zahl der Aussteller von 2300 im letzten Jahr auf knapp 2000 gesunken. Anstelle der 200000 Teilnehmer im Vorjahr erwarten die Organisatoren lediglich 125000 bis 150000 IT-Interessierte.

Ein ausführlicher Bericht zur Comdex folgt in der nächsten Ausgabe der CW. (kf)