Veritas kauft Seagate Software NSMG

"Clustering-Produkte werden zur Cash-Cow"

25.06.1999
Rund 2,7 Milliarden Dollar in Form von Aktien gibt Veritas Software für die Übernahme der Network and Storage Management Group (NSMG) von Seagate Software aus. Mit der Akquisition soll der weltweit größte unabhängige Anbieter von Speicher-Management-Software entstehen. CW-Redakteur Wolfgang Herrmann sprach mit Christine Wilke, Geschäftsführerin der Veritas Software Vertriebs GmbH.

CW: Was verspricht sich Veritas von der Übernahme der NSMG?

Wilke: Wir erhoffen uns Synergieeffekte. Veritas hat bisher die Präsenz im NT- und Netware-Umfeld gefehlt. Auch die klassischen mehrstufigen Distributionsschienen konnten wir nicht nutzen.

CW: Wie ist der Vertrieb gegenwärtig organisiert?

Wilke: Die Veritas-Gruppe konzentriert sich auf den direkten Vertrieb. Das bedeutet Key Account-Management, aber auch Zusammenarbeit mit Systemintegratoren. Daneben laufen verschiedene OEM-Abkommen mit Hardware-Anbietern.

CW: Mit welchen Anbietern von Speichersystemen arbeiten Sie zusammen?

Wilke: Wir haben Partnerschaften mit EMC, Hitachi, Sun und Hewlett-Packard.

CW: Zu den größten Speicheranbietern zählt auch IBM....

Wilke: Leider haben wir mit IBM keine OEM-Partnerschaft. Das Unternehmen hat eigene Speichersoftware-Produkte und bringt diese auch selbst auf den Markt.

Wilke: Die traditionellen Veritas-Produkte kommen aus den Bereichen Backup ("Net Backup"), Platten-Management und schneller Datenzugriff ("Volume Manager", "File System") sowie Clustering ("Cluster Server"). Seagate ist Marktführer mit Backup-Software für NT und Novell.

CW: Im Backup-Segment gibt es demnach Überschneidungen mit Seagates Produkten. Wie gehen Sie damit um?

Wilke: "Veritas Net Backup für Windows NT" ist eher für Rechenzentren ausgelegt, ähnlich wie die Unix-Variante. Wir sehen hier keine Überschneidungen. Entscheidend ist die Positionierung der Produkte.

CW: Was heißt das konkret?

Wilke: Für kleinere Abteilungen mit einigen wenigen NT-Servern ist Veritas Net Backup möglicherweise zu komplex. Hier sind einfachere Funktionen gefordert, die sich mit Seagates "Backup Exec" besser abdecken lassen.

CW: Welche Rolle spielen Storage Area Networks in der Strategie von Veritas?

Wilke: Wir engagieren uns sehr stark in den einschlägigen Standardisierungsgremien, beispielsweise in der Snia. Und wir entwickeln unsere Produktion im Hinblick auf die Fähigkeit, innerhalb von Speichernetzen zu arbeiten. Dazu kooperieren wir beispielsweise mit Storagetek, Vixel oder Brocade.

CW: Mit welchen Produkten sehen Sie die größten Wachstumschancen?

Wilke: Derzeit erwirtschaften wir mit unseren drei Produktsparten jeweils etwa Umsätze in gleicher Höhe. Das größte Potential im Direktvertrieb bieten die Clustering-Produkte. Der deutsche Markt ist seit jeher sehr sensibel, wenn es um die Verfügbarkeit von Datenbeständen geht. Ich gehe davon aus, daß der Cluster Server die Cash-Cow werden wird.

CW: In welchen Umgebungen kann er eingesetzt werden?

Wilke: Die Software unterstützt heute Sun Solaris, in Kürze auch Hewlett-Packards HP-UX. Ende des Jahres werden wir eine Version für Windows NT auf den Markt bringen. Damit adressieren wir die aus unserer Sicht wichtigsten Betriebssystem-Plattformen.

CW: Geht es dabei in erster Linie um Verfügbarkeit oder auch um Performance?

Wilke: Heute dreht es sich hauptsächlich um Verfügbarkeit von Services und Servern. Mit künftigen Versionen ist auch eine Erhöhung der Performance angestrebt.

CW: Wie viele Rechnerknoten wird das NT-Clustering-Produkt unterstützen?

Wilke: 32 Rechner. Die weitere Entwicklung sieht auch heterogene Cluster vor.

CW: Das heißt NT- und Unix-basierte Rechner in einem Verbund?

Wilke: Ja.

CW: Wie lange wird es dauern, bis Anwender solche gemischten Umgebungen unter einem Veritas-Cluster betreiben können?

Wilke: Das hängt unter anderem auch von der Entwicklung der Hardware ab. Im Jahr 2002 oder 2003 dürfte damit zu rechnen sein.

CW: Welche organisatorischen Veränderungen sind nach der NSMG-Übernahme in Deutschland zu erwarten?

Wilke: In der ersten Phase, die etwa ein halbes Jahr dauern wird, agieren wir aus rechtlichen Gründen mit zwei GmbHs. Seagate Software NSMG wird zunächst in Veritas Software umbenannt und in Deutschland für den Handelskanal zuständig sein. Danach ist geplant, die GmbHs zusammenzulegen.

CW:Wie viele Mitarbeiter beschäftigt Veritas in Deutschland?

Wilke: Seit dem 28. Mai sind wir in Deutschland 78 Mitarbeiter stark. Wir planen in diesem Jahr 30 bis 35 weitere Einstellungen.

CW:In welchen Bereichen?

Wilke: Das betrifft hauptsächlich die technische Ebene und hier vor allem das Consulting. Im Direktgeschäft müssen wir auch Dienstleistungen anbieten. Wir zeichnen verantwortlich für Speicher-Management-Konzepte und für die entsprechende Implementierung.