Cisco setzt zum Spagat an

20.03.2007
Der Konzern investiert in Web-Konferenzen als Service.

Mit der geplanten Übernahme der Firma Webex setzt Cisco den eingeschlagenen Weg fort, die Geschäfte außerhalb seines traditionellen Portfolios auszubauen. Webex ist ein führender Anbieter von Videokonferenzen und Collaboration-Tools über das Internet. Cisco zahlt 57 Dollar pro Webex-Aktie in bar, zusammengenommen rund 3,2 Milliarden Dollar. Abzüglich der Bargeldreserven von 300 Millionen Dollar ergibt sich ein Nettokaufpreis von zirka 2,9 Milliarden Dollar. Auch damit ist der Deal die bis dato größte Übernahme eines Web-Unternehmens der vergangenen Jahre. Mit rund 2200 Angestellten hat Webex im Geschäftsjahr 2006 einen Umsatz von etwa 380 Millionen Dollar erzielt. Der Nettogewinn belief sich auf 48,5 Millionen Dollar.

Der Rand stärkt die Mitte

Die Strategie von Cisco liegt auf der Hand: Der Konzern kauft Unternehmen, deren Produkte dafür geeignet sind, den Datenverkehr über das Netz zu verbessern oder insgesamt auszuweiten. Das unterstellte Wachstum an den Rändern stärkt im Idealfall das traditionelle Kerngeschäft mit Routern. Wenn man der Videokonferenz zum Durchbruch verhelfen kann, nützt das dem Konzern doppelt. Seit der Linksys-Übernahme im März 2003 hat Cisco 38 Unternehmen geschluckt. Die Bandbreite reicht von der kleinen Entwicklungsfirma bis hin zum Videospezialisten Scientific-Atlanta für 6,9 Milliarden Dollar. Dabei spielt das Segment der Endkunden inzwischen eine wichtige Rolle für Cisco.

Durch den anhaltenden Trend zu "Software as a Service" (SaaS) und das passende Angebot von Webex kann Cisco zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Erstens werden traditionelle Conferencing-Anbieter mit stationären Lösungen ausgebootet, und zweitens sorgt das SaaS-Paradigma für noch mehr Verkehr im Backbone-Netz.

Webex hat seine Wurzeln im Bereich der Web-Konferenzen für kleine und mittlere Unternehmen, ist allerdings in der jüngeren Vergangenheit dazu übergegangen, auch andere Werkzeuge als Online-Service anzubieten. Hierzu zählen etwa E-Mail, Instant Messaging und "Team Spaces", also virtuelle Besprechungszimmer. In jedem Fall dürfte Cisco die Übernahme helfen, das eigene Applikationsportfolio zu erweitern - sofern dies überhaupt geplant ist.

Der Deal wirft nämlich auch einige Fragen auf: Laut Gartner müssten die inzwischen drei Cisco-Produkte für Web-Conferencing nun dringend neu ausgerichtet werden. Die Analysten erwarten beispielsweise, dass Ciscos Sprachkonferenz-Tool "Unified Meetingplace" in der Lösung von Webex aufgehen wird. Zudem ist Cisco seit kurzem Reseller von IBMs Web-Konferenz "Sametime". Und die beiden Konzerne entwickeln gemeinsam einen Client für Unified Communications unter Eclipse; hier hat auch Webex ein eigenes Eisen im Feuer.

Da außerdem zu erwarten ist, dass traditionelle Carrier und Netzbetreiber verstärkt ähnliche Software-Services auf den Markt bringen, um die Wertschöpfungskette zu verlängern, könnte Cisco hier seinen Partnern beim Kampf um die Kunden in die Quere kommen. So ist es denkbar, dass der Netzausrüster die Webex-Technologie anderen Konzernen vorrangig als Zulieferer offerieren wird, anstatt sie selbst offensiv zu vermarkten. Wenn Cisco wegen eines Konflikts im Vertriebskanal weniger Router verkaufen sollte, wäre dem Konzern mit der Übernahme nicht gedient.

Web-Collaboration umkämpft

Bei kleinen und mittleren Kunden ist das Geschäft auch nicht leichter: Hier setzt auch Google voll auf Collaboration über das Web, wie unlängst mit den "Google Premier Apps" demonstriert wurde. Microsoft wiederum arbeitet an einem eigenen Online-Kosmos unter dem Namen "Live" und will sich in den Segmenten Collaboration und Unified Communications nicht die Butter vom Brot nehmen lassen. Hierzu besiegelte Microsoft eine Allianz mit Nortel. (ajf)