Tony Martin legt keinen Wert auf ein High-Tech-Image

CA: Mainframe-Software bleibt noch lange ein gutes Geschaeft

08.03.1996

Als nimmersatter Kaeufer von Mainframe-Software ist Computer Associates (CA) zu einem Branchenriesen herangewachsen. Meist erwarb das Unternehmen Mitbewerber, deren Produkte nicht mehr als Stand der Technik galten. In letzter Zeit macht CA jedoch auch mit eigener Software wie dem unter Unix laufenden System-Management- System "Unicenter" oder der kuerzlich vorgestellten objektorientierten Entwicklerdatenbank "Jasmin" Furore. CA- Geschaeftsfuehrer Tony Martin beantwortet im Gespraech mit CW- Redakteur Hermann Gfaller die Frage, ob sich der Akquisitionsspezialist zur High-Tech-Schmiede wandelt.

CW: CA hat das Image einer Firma, die gut an Techniken von gestern verdient. Nun versuchen Sie, sich mit der objektorientierten Jasmin-Datenbank an die Spitze der Multimedia-Bewegung zu setzen. Findet in Ihrer Firma ein Kulturwandel statt?

Martin: Eine schwierige Frage. Mag sein, dass wir aufgrund unserer Akquisitionen den Ruf haben, lediglich Software und deren Kunden zu kaufen. Tatsaechlich betreiben wir grossen Aufwand fuer Eigenentwicklungen. Technologisch interessant sind hier jedoch nur einige herausragende Produkte. Insofern ist das Bild, das von uns gezeichnet wird, nicht so falsch.

Wir sind inzwischen eine ziemlich grosse Firma. Allein im vergangenen Quartal haben wir ueber eine Milliarde Dollar erwirtschaftet. In einem solchen Unternehmen geht es viel mehr um das, was man tun kann, als darum, was man tun will. Trotzdem vermarkten wir inzwischen immer haeufiger selbstentwickelte Software wie Unicenter.

CW: ... die aber auch aus Ihrer angestammten Grossrechner- Produktreihe stammt...

Martin: Schon. Aber wir haben sie fuer Unix und Windows NT von Grund auf neu gestaltet. Ausserdem ist die Herkunft von Unicenter nichts Ehrenruehriges. Sie zeigt lediglich, dass wir schon lange wissen, womit sich eine DV-Umgebung sicher und verlaesslich machen laesst. Dieses Know-how haben wir nun in die Client-Server-Welt eingebracht.

CW: Ich frage mich, ob CA diesen Markt wirklich versteht. Dagegen spricht, dass Ihr Unternehmen vor drei Jahren mit grossem Aufwand versucht hat, den Client-Markt mit Standardsoftware wie Spreadsheets und Textverarbeitung zu erobern. Damit sind Sie auf ganzer Linie gescheitert.

Martin: Sie haben recht. Wir haben viel Geld verloren und mussten lernen, dass wir nicht mit Microsoft mithalten koennen. Ausserdem hat sich gezeigt, dass wir von Spreadsheets weit weniger verstehen als vom System-Management. Hier liegt unsere Staerke, und das ist auch der Blickwinkel, unter dem wir den Client-Server-Markt angehen.

CW: Das PC-Engagement war also eine Eintagsfliege?

Martin: In Islandia, New York, gibt es eine CA-Tochter mit der Bezeichnung 4 Home Productions, die Desktop-Software fuer den dortigen Markt anbietet. Wenn das Geschaeft in den USA laeuft, dann ist es nicht ausgeschlossen, dass wir wieder global PC-Produkte anbieten.

CW: An Unicenter wird manchmal bemaengelt, dass hier lediglich Konzepte aus der Grossrechnerwelt auf moderne Client-Server- Umgebungen uebertragen wurden.

Martin: Man sollte Client-Server und System-Management nicht in einen Topf werfen. Die Verwaltungsaufgaben existieren, gleichgueltig ob es sich um zentrale oder um verteilte DV handelt. Dafuer ist Unicenter konzipiert. Die Frage nach unserem Client- Server-Verstaendnis ist daher irrelevant.

CW: Wollen Sie damit behaupten, dass die System-Management-Aufgaben in jeder Umgebung dieselben sind?

Martin: Die Funktion fuer das Job-Scheduling ist fuer OS/400, MVS und Unix identisch. Es gibt aber auch Unterschiede. Anders als bei Windows NT spielte Sicherheit bei der Entwicklung der Unix- oder MVS-Kernel keine Rolle. Das heisst, dass jede Plattform ihre Schwaechen auf anderen Gebieten hat. Unicenter hat daher in jeder Betriebssystem-Version dieselben Grundfunktionen, die aber um spezifische Features erweitert wurden.

CW: Sie haben die Eingangsfrage noch nicht beantwortet. Ist CA dabei, sich ein High-Tech-Image zuzulegen?

Martin (zoegert): Nein, wir bleiben uns treu. Wenn man in einen Markt einsteigen will, hat man die Wahl, Produkte zu kaufen oder selbst zu machen. Wo es sich lohnte, haben wir uns eingekauft. Das gilt vor allem fuer Datenbanken. In anderen Faellen wie beim System- Management haben wir das Produkt selbst entwickelt. Wir beschraenken uns dabei auf drei Kernkompetenzen: System-Management, Datenbanken und Geschaeftsanwendungen.

CW: Nach wie vor machen Sie rund 60 Prozent Ihres Geschaefts mit Mainframe-Software. Angesichts der dort ueblichen Preise ueberrascht das wenig. Verblueffend ist aber das Wachstum von zehn Prozent. Gibt es hier noch Neukundengeschaeft, oder haben Sie die Preise erhoeht?

Martin: Wir haben in den vergangenen drei Monaten vier Datacom- Datenbanken verkauft, zwei IDMS-Abschluesse sind in Vorbereitung.

CW: Hatten diese Anwender schon vorher IDMS oder Datacom im Einsatz?

Martin: Nein, das sind voellig neue Kunden.

CW: Warum schafft man sich eine aus der Mode gekommene Datenbanktechnik an?

Martin: Einer dieser Kunden benutzt eine VSAM-Umgebung, in der eine gewaltige Datenmenge unter DL1 gespeichert ist.

CW: Eine ziemlich altmodische Umgebung also...

Martin: Die gibt es oefter, als Sie sich traeumen lassen. Auf alle Faelle wollte der Anwender diese Mainframe-Daten in eine Client- Server-DV einbinden. Dafuer bieten wir ein Werkzeug, das es ermoeglicht, Informationen von DL1 und VSAM in die Datacom- Datenbank zu migrieren. Dort koennen auch alle Anwendungen unveraendert weiterbenutzt werden. Da Datacom zudem mit SQL- und ODBC-Schnittstellen ausgestattet ist, lassen die Informationen sich nun von nahezu jedem beliebigen System, insbesondere von Windows-PCs aus, abrufen.

CW: Wie aufwendig ist eine solche Umstellung?

Martin: Sie dauert etwa zwei Tage und ist weit kostenguenstiger als der Umstieg auf ein relationales System.

CW: Lassen Sie uns das Thema wechseln. Sie haben vor fast einem Jahr Mario Pelleschi als CA-Geschaeftsfuehrer abgeloest. Was haben Sie seither geaendert?

Martin: Nicht viel. Wissen Sie, CA-Topmanager sind angehalten, sich in mehreren Laendern zu bewaehren. Mario ging nach Frankreich, der franzoesische Geschaeftsfuehrer erhielt meine Stelle in Holland, und ich bin hierher gekommen. Die von Mario uebernommene Verkaufsmannschaft ist hervorragend. Ich habe mich daher vor allem auf die Beziehung zu den Kunden konzentriert.

Der 36 Jahre alte Englaender Tony Martin fuehrt seit April 1995 als Managing Director die CA Computer Associates GmbH, Darmstadt. Er sieht sich als Pragmatiker und nicht als Visonaer. Offensichtlich ist mit dieser Grundhaltung Karriere zu machen. Martin wurde bereits vor zehn Jahren General Manager fuer den Vertrieb in Grossbritannien. Von Oktober 1993 bis Maerz 1995 war er Geschaeftsfuehrer der Niederlassung in Holland.