Entwicklungschef David Intersimone im CW-Gespräch

Borland verteidigt umstrittene Lizenzpolitik

29.03.2002
MÜNCHEN (as) - David Intersimone, Vice President Developer Relations bei Borland, bezieht Stellung zum umstrittenen Lizenzverfahren. Dieses sei nötig, um die Softwarepiraterie zu bekämpfen und Kunden besser informieren zu können.

Die neue Lizenzpolitik des Anbieters von Programmierwerkzeugen und Infrastruktursoftware hat in den vergangenen Wochen für Unmut unter Anwendern gesorgt. Sie beklagen, dass sich die populäre Java-Entwicklungsumgebung "Jbuilder" mit Version 6 nur noch nach einer Zwangsregistrierung und umständlicher Produktaktivierung einsetzen lässt. Zudem waren die Benutzer nicht ausreichend über das neue Verfahren informiert worden.

Intersimone bemüht sich nun im Gespräch mit der computerwoche um Schadensbegrenzung. Dabei machte er jedoch deutlich, dass man am eingeschlagenen Kurs festhalten und das Verfahren künftig auf das gesamte Portfolio ausdehnen werde. Hierfür gebe es gute Gründe. So müsse man die vor allem in Osteuropa und China verbreitete Softwarepiraterie stoppen. Gemeinsame Untersuchungen mit Regierungsstellen und den Interessenverbänden SIIA und BSA hätten gezeigt, dass Borland jährlich etwa 100 Millionen Dollar durch illegale Kopien verliere. "Wir wollen nur einen fairen Anteil, um in die Entwicklung unserer Produkte investieren zu können."

Um Geld ging es auch, als der Hersteller mit dem Launch von Jbuilder 6 nicht mehr die populäre, kostenlose "Foundation"-Version anbot, sondern nur noch eine ebenfalls freie, aber abgespeckte "Personal"-Edition.

Auch diese Aktion hatte Proteste ausgelöst. Sie sei laut Intersimone aber nötig geworden, weil die bisherige Gratisversion "einfach zu gut" gewesen sei: Dadurch konnten in der Praxis kostenlose Java-Anwendungen (GUI, JDBC-Coding) entstehen, an denen Borland nichts verdiente. Die neue Personal-Ausgabe kann nun nur noch für den privaten Gebrauch heruntergeladen werden.

Mit der Vorabregistrierung und Aktivierung von Jbuilder sowie der Datenbank "Interbase" verfolge Borland zudem das Ziel, "eine Beziehung mit dem Benutzer aufzubauen, wenn er dieses wünscht". Es gehe nicht darum, den Anwender auszuspionieren oder ihn ständig mit Eigenwerbung zu überfluten, sondern ihn frühzeitig mit Updates und technischen Neuigkeiten zu versorgen. Viele Kunden hätten das immer wieder verlangt, so Intersimone, doch bisher konnte Borland sie nur über die eigene Website benachrichtigen. Dadurch sei wohl vielen die neue Lizenzpolitik entgangen: "Als wir damit anfingen, habe ich einen Artikel auf unserer Community-Site dazu veröffentlicht. Der Hinweis war wohl nicht groß genug." Borland habe nun die Lizenzvereinbarung als PDF-File bereitgestellt. Letztere war bis dato erst nach der Registrierung übermittelt worden.

Borland folge mit der verschärften Lizenzpolitik einem Trend in der Softwareindustrie, den auch Microsoft mit Windows XP und "Office" favorisiere. Laut Intersimone bedroht die illegale Nutzung aber nicht alle Produkte. So werden derzeit der Java-Applikations-Server sowie der Object Request Broker "Visibroker" mit einer 60-Tage-Testversion angeboten, die ohne Lizenz danach nicht mehr zu gebrauchen sind. Anders hingegen die genannten Produkte Interbase und Jbuilder 6, die nun registriert und zuvor aktiviert werden müssen. Die Entwicklungsumgebungen "Delphi 6", "Kylix" und "C++-Builder 6" lassen sich hingegen sofort verwenden und nachträglich registrieren. Doch auch hier soll bald die verschärfte Lizenzpolitik gelten.

Die praktische Umsetzung der Registrierung und Freischaltung bleibt dennoch für manche Kunden ein Ärgernis (siehe CW 10/02, Seite 1). "Für uns besteht die Herausforderung darin, eine Infrastruktur (für die Registrierung) aufzubauen, die diese für den Kunden unsichtbar und problemlos macht", sagte Intersimone. Immerhin müsse sich jetzt nicht mehr wie bisher jeder einzelne Benutzer bei Borland mit einer Lizenz ausstatten lassen, sondern man erteile an die verantwortlichen Personen im Unternehmen die Erlaubnis einer zentralen Freigabe.

"Das Einzige, was wir nach der Registrierung genau wissen, ist die Zahl der Benutzer. Im Hintergrund werden keine weiteren Informationen hin- und hergeschickt." Für Entwickler, die keinen weiteren Kontakt zu Borland wünschen, hat der Manager zudem einen Tipp: "Das Registrierformular verlangt nur wenige Angaben wie etwa die E-Mail-Adresse. Sie können daher einfach Unsinn eintragen. So wissen wir, dass das Produkt aktiviert ist, aber nicht, wer der Benutzer ist."