Bitkom mahnt Reformen an

09.10.2002
Von 

Gerhard Holzwart begann 1990 als Redakteur der COMPUTERWOCHE und leitete dort ab 1996 das Ressort Unternehmen & Märkte.  Ab 2005 verantwortete er den Bereich Kongresse und Fachveranstaltungen der IDG Business Media GmbH und baute „IDG Events“ mit jährlich rund 80 Konferenzen zu einem der führenden Anbieter von ITK-Fachveranstaltungen in Deutschland aus. Seit 2010 ist Gerhard Holzwart geschäftsführender Gesellschafter der h&g Editors GmbH und ist in dieser Funktion als Event Producer, Direktmarketingspezialist und ITK-Fachredakteur tätig.        

Jung mahnte in diesem Zusammenhang noch einmal eindringlich grundsätzliche Strukturreformen an. Gesamtwirtschaftlich betrachtet befinde sich Deutschland nicht in einer Rezession. Dennoch gingen viele tausend Arbeitsplätze verloren - auch in der IuK-Branche. Der Grund: Heute müsse man in Deutschland unter den gegenwärtigen ordnungsrechtlichen Bedingungen ein Wachstum von mindestens 2,5 Prozent erwirtschaften, um neue Arbeitsplätze zu schaffen. Das Rezept für Reformen sei, so der Bitkom-Präsident polemisch, im Grundsatz einfach: „Mehr Bildung für die Bürger, mehr Freiheit für die Unternehmen und mehr Effizienz für die öffentliche Verwaltung.“

Eines der zentralen Anliegen des Verbandes ist im Moment, das machte Jung auch deutlich, der Aufbau der UMTS-Netze. Allerdings sah sich der Bitkom-Präsident hier ganz offensichtlich zu einer Art Eiertanz zwischen Kritik an der Bundesregierung einerseits und taktischer Zurückhaltung andererseits gezwungen. Schon aus „rechtlichen Gründen“ werde es für den Regulierer schwierig sein, nachträglich die Lizenzbedingungen zu ändern, gab Jung zu bedenken, fügte aber gleichzeitig hinzu: „Der Branche wurden durch die UMTS-Lizenzversteigerung 50 Milliarden Euro entzogen. Diese Gelder fehlen nun im Markt. Bereits ein Zehntel dieser Summe würde genügen, um aus dem aktuellen Minus im IuK-Gesamtmarkt ein Plus von immerhin zwei Prozent zu machen.“

Kommentar von CW-Redakteur Gerhard Holzwart

„Von der Autobranche lernen“ Es ist erst dreieinhalb Jahre her, da feierten die damals führenden IT-Fachverbände im VDMA und ZVEI auf der CeBIT 99. Mit einem Marktvolumen von seinerzeit rund 206 Milliarden Mark hatte die IuK-Branche erstmals die Automobilindustrie überflügelt und damit als wichtigsten Zweig der deutschen Volkswirtschaft abgelöst. Heute sieht es bekanntlich wieder anders aus. Porsche, BMW, Daimler-Chrysler & Co. strotzen geradezu vor Selbstbewusstsein - von Krise (jedenfalls bezogen auf die gesamte Branche) keine Spur! Die IuK-Industrie indes leckt ihre Wunden: Umsatzeinbrüche, Bilanzskandale, Massenentlassungen.

Nun wäre es eigentlich nicht unser Thema, der Frage nachzugehen, warum sich viele Autokonzerne trotz weltweit schlechter Konjunktur im Glanz neuer Absatzrekorde sonnen können. Aber bei näherem Hinsehen ist dieser Aspekt doch aus dreierlei Gründen interessant. Erstens: Viele der Autokonzerne haben bereits ihre Kapazitäten und Prozesse verschlankt. Größtenteils übrigens mit Hilfe intelligenter IT-Lösungen. Zweitens: Ständige Innovationen sorgen für entsprechende Kaufanreize. Drittens: Die Autobranche ergeht sich auch dort nicht in Selbstmitleid, wo es weniger Grund zur Festtagsstimmung gibt.

Was heißt dies nun für die IuK-Branche? Viele Meinungsmacher im Management, bei den Analysten und natürlich auch in den Medien müssen erst noch verarbeiten, dass die IT-Industrie auf dem Weg ist, ein ganz normaler Wirtschaftszweig zu werden. Und das ist auch gut so. Schlecht indes ist, dass die Branche dabei in Hysterie verfällt. So nützt es niemandem, wenn einige „Experten“ gestandenen IT-Firmen wie SAP, Oracle oder EDS aufgrund von Gewinnwarnungen bereits eine existenzielle Krise andichten. Auch das in einigen IT-Segmenten zu beobachtende Gesundschrumpfen um jeden Preis - auch um den der eigenen Innovationsfähigkeit - ist gefährlich. Firmen, die dabei zu weit gehen, stehen in besseren Zeiten mit leeren Händen da.