Business Report

Bischoff: "Der Mainframe lebt"

03.07.2006
Von Hermann Gfaller
Keine Technik wurde so oft totgesagt wie der Großrechner. In Lübeck trafen sich jetzt BS2000-Kunden von Fujitsu-Siemens Computers (FSC), um über die Zukunft des Rechenzentrums zu diskutieren. Mit FSC-Chef Bernd Bischoff sprach Hermann Gfaller*.

CW: Das Mainframe-Geschäft stagniert und wird Ihrer Aussage zufolge im nächsten Jahr abnehmen. Wäre Siemens-Chef Klaus Kleinfeld mit Ihren Werten zufrieden?

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BISCHOFF: Da wir ein Gemeinschaftsunternehmen von Fujitsu und Siemens sind, denke ich, dass sich Herr Kleinfeld nicht um Details kümmert. Tatsächlich schrumpfte der Markt in Deutschland durchschnittlich um 14 Prozent im Jahr. Das ist im Mainframe-Geschäft normal, bedeutet aber nicht, dass wir hier keine Gewinne erwirtschaften.

CW: Wie macht man in einem schrumpfenden Markt Geschäft? Versuchen Sie, mit modernen Anwendungen Neukunden zu gewinnen?

BISCHOFF: Neukunden kaufen keine Mainframes.

CW: Warum nicht?

BISCHOFF: Das Know-how dafür ist bei Neukunden oft nicht vorhanden. Das wird bei Unix mittelfristig nicht anders sein. Mainframes und Unix-Systeme werden nicht verschwinden, aber Wachstum ist damit nicht mehr zu erzielen.

CW: Erlebt Unix nicht gerade dank Linux stürmischen Zuspruch?

BISCHOFF: Linux ist zwar ein Unix-Derivat, gehört aber dennoch in eine andere Kategorie, weil es für Intel/AMD-Plattformen konzipiert ist, während die ausgereiften Unix-Derivate auf Risc-Systemen laufen. Mit ihnen kann Linux zwar in Sachen Funktionalität noch nicht mithalten, dafür sind aber das Open-Source-Betriebssystem sowie Windows Server bei der Total Cost of Ownership (TCO) deutlich im Vorteil. Je näher Windows und Linux an die Fähigkeiten von Solaris, HP-UX oder AIX heranreichen, desto größer wird dieser Vorteil. Hinzu kommt, dass - wie bei Mainframes - Unix-Fachleute für Risc-Systeme immer seltener werden, während Mitarbeiter für Linux und Windows auf Intel/AMD-Architekturen problemlos zu finden sind. Deshalb werden immer mehr Kunden auf diese Plattform setzen. Große Softwarehäuser wie SAP haben es bereits getan.

CW: Softwarehäuser haben natürlich ein Interesse, eine möglichst geringe Zahl an Betriebssystemen unterstützen zu müssen ...

BISCHOFF: Genau. Aber sie schauen auch, wohin der Trend bei ihren Kunden geht. Trotzdem würden sie nicht auf Linux und Windows setzen, wenn die Systeme nicht ihre Anforderungen erfüllen könnten.

CW: Wollen Sie damit andeuten, dass diese Systeme das Rechenzentrum erobern werden?

BISCHOFF: Ja.

CW: Unix-Systeme und Großrechner sind also Auslaufmodelle ...

BISCHOFF: So würde ich das nicht sagen. Unser Konzept des Dynamic Data Center bezieht verschiedene Ressourcen ein, dabei ist es zunächst egal, welcher Hardwareplattformen sich der Kunde bedient.

CW: Sie selbst haben von einem jährlichen Rückgang von 14 Prozent bei Großrechnern gesprochen ...

BISCHOFF: Ja, aber so kann man nicht rechnen. Auf Mainframes laufen meist keine Softwareprodukte von der Stange, sondern kritische Anwendungen, die in Tausenden von Mannjahren entstanden sind. Diese Eigenentwicklungen umzuschreiben wäre vielen Unternehmen zu teuer. Und selbst mit Virtualisierung und Automatisierung fehlt Linux-Systemen die Robustheit und Ausfallsicherheit von Großrechnern. Es gibt Unternehmen, etwa im Finanzbereich, die sich keine Sekunde ungeplante Ausfälle leisten können.

CW: Wächst nicht eigentlich durch Fusionen und Globalisierung der Bedarf an großrechnertypischen Eigenschaften wie umfangreichen In- und Output-Operationen oder Verfügbarkeit rund um die Uhr?

BISCHOFF: Wenn ein Unternehmen sehr hohe Ausfallsicherheit für große Datenvolumen braucht, dann wird es beim Mainframe bleiben. Aber wenn ihm eine Sicherheit von 99,99 Prozent reicht, dann wird es versuchen, mit Standardhardware und oft auch mit Standardsoftware auszukommen. Deshalb haben viele Unternehmen die weniger kritischen Anwendungen von ihren Mainframes geholt.

CW: Wenn die Zahl der Großrechner immer geringer wird, wann ist dann der Punkt erreicht, an dem sich der Entwicklungs- und Produktionsaufwand für FSC nicht mehr rechnet?

BISCHOFF: Wir liefern 2007 noch einmal neue Mainframe-Hardware auf /390-Basis aus, die wiederum Ende 2009 mit einem "State-of-the-Art"-Multi-Core-Prozessor weiterentwickelt wird. Inzwischen arbeiten wir an Intel-Architekturen wie etwa der Primequest-Server-Linie, auf die wir BS2000 und damit die Großrechnereigenschaften transportieren. Damit stellen wir eine Hardwareplattform bereit, die dem Anforderungsprofil unserer Kunden gerecht wird, und brauchen nicht mehr im großen Stil in Mainframe-Hardware zu investieren. Das dürfte auch bei der IBM nicht viel anders sein.

CW: Sie entwickeln also eine Migrationsstrategie in Richtung Intel-Plattormen?

BISCHOFF: Richtig.

CW: Wie sieht es denn unter diesen Perspektiven mit Ihrer Sun-Partnerschaft für die gemeinsame Advanced Product Line (APL) aus?

BISCHOFF: Sie ist nicht auf 100 Jahre angelegt. Wir entwickeln und produzieren mit APL zwar eine gemeinsame Hardwareplattform, aber bei Bereichen wie Utility Computing liegen wir miteinander im Wettbewerb. Außerdem ist Sun sehr Solaris-lastig, während unsere Kunden unter mehreren Betriebssystemen wählen können.

CW: Nun sind Großrechner für Ausfallsicherheit, großen Datendurchsatz und hohe Auslastung konzipiert, Intel/AMD-Architekturen dagegen für Geschwindigkeit. Sind Letztere überhaupt für BS2000 geeignet?

BISCHOFF: Wir verfügen mit der Primequest-Familie bereits über eine Mainframe-robuste Intel-Hardware für eine BS2000-Emulation auf Linux beziehungsweise Windows. Aber bis diese Transformation abgeschlossen ist, gehen sicher noch zehn Jahre ins Land. Mainframe-Kunden werden wir auch in 20 Jahren noch haben. BS2000 wird weiterleben.

CW: Womit macht FSC im Rechenzentrum Geld?

BISCHOFF: Server, Storage, BS2000 und Professional Services, sprich das Enterprise-Geschäft, machen mit rund zwei Milliarden Euro ungefähr ein Drittel unseres Umsatzes aus. Davon sind etwas mehr als die Hälfte dem Dynamic Data Center zuzuordnen, wie wir unser Konzept für Utility-Computing nennen. Für 2008 haben wir uns vorgenommen, dass das Enterprise-Geschäft ungefähr die Hälfte des auf rund zehn Milliarden Euro geplanten FSC-Umsatzes ausmachen soll, wovon das RZ wieder etwa die Hälfte, besser etwas mehr, einbringen soll.

CW: Wie verteilt sich der Umsatz auf Intel/AMD-Architekturen, Unix-Systeme und BS2000?

BISCHOFF: Etwa ein Drittel des Enterprise-Umsatzes ist Intel-basiert. Genauer möchte ich nicht werden. Aber unsere Investitionen gehen vordringlich ins Dynamic Data Center.

CW: Wie lange können Sie sich die PC-Produktion noch leisten?

BISCHOFF: Solange es funktioniert. Die Margen werden sicher weiterhin sinken, aber wir wollen im Geschäft bleiben. Wie HP brauchen wir das PC-Geschäft für unsere Positionierung als IT-Hersteller. Das ist bei der IBM anders. Wenn Sie mich fragen, wird das Unternehmen zum reinen Systemintegrator, für den es nicht mehr so wichtig ist, ob die Hardware noch aus der eigenen Produktion stammt.

CW: Sie behaupten, dass IBM, HP und Sun zwar mit On-Demand-Computing, Universal Data Center oder N1 werben, marktfähige Produkte aber nur von Ihnen zu bekommen sind.

BISCHOFF: Richtig. Die anderen präsentieren White Papers und Referenzprojekte, aber wir installieren alltagstaugliche Produkte. So etwas wie Flexframe für SAP bekommen Sie nur bei uns. Damit befreien wir die Anwendungs-Workloads von dedizierten Servern. Auch das Adaptive Service Control Center (ASCC) zur automatischen Provisionierung für verschiedene Umgebungen gehört zu unseren Alleinstellungsmerkmalen.

CW: Ihr wichtigster Mitbewerber im Rechenzentrum, insbesondere im Großrechnergeschäft, ist die IBM. Wie heben Sie sich hier ab?

BISCHOFF: Die IBM bietet an, alles aus einer Hand zu liefern. HP versucht das auch. Wir dagegen verkaufen Hard- und Middleware, während wir das Integrationsgeschäft unseren Dienstleistungspartnern überlassen. An Service machen wir fast nur Wartung für Hardware und etwas Professional Services für Middleware - kurz: produktbezogene Dienste und Hilfestellung beim Aufbau von IT-Architekturen.