Interview mit Marcus Dill

"BI ist eine Frage des ökonomischen Kalküls"

18.05.2009
Anzeige  In einer gemeinsamen Studie stellen die Marktforscher von RAAD Research und die Berater von Mayato fest, dass das Marktpotenzial für Business Intelligence (BI) nach wie vor groß ist. Mayato-Geschäftsführer Dr. Marcus Dill erläutert im Gespräch, warum inzwischen auch die Banken umdenken und wie gefährlich Reportings auf Excel-Basis sind.

In Ihrer Studie stellen Sie fest, dass die Investitionsneigung im Bereich Business Intelligence trotz Krise mit 42 Prozent überraschend groß ist. Ausgerechnet das besonders gebeutelte produzierende Gewerbe sei Vorreiter im strategischen BI. Warum gerade diese Unternehmen?

Marcus Dill: Weil das produzierende Gewerbe traditionell knapp kalkulieren muss und gezwungen ist, sämtliche Potenziale auszuschöpfen. Außerdem hat man in diesen Unternehmen die Vorteile von Automatisierung und Standardisierung in den Produktionsprozessen zu schätzen gelernt und diese Erfahrung schon sehr früh und bereitwillig auch auf die informationstechnischen und kaufmännischen Prozesse übertragen. Und die Effizienz von Prozessen will gemessen werden. An dieser Stelle kommt Business Intelligence ins Spiel. Demgegenüber ging es beispielsweise den Banken lange sehr gut - vielleicht zu gut. Deshalb hat diese Branche häufig allzu großzügig gedacht und weniger Anstrengungen im Hinblick auf Prozesseffizienz und deren Messung unternommen.

"Mittels Data Mining kam die Bank Betrügern auf die Spur"

Denken die Banken jetzt um?

Marcus Dill: Das Interesse an BI wächst ganz eindeutig. Das liegt auch daran, dass nicht mehr alleine regulatorische Aspekte wie Basel II einen Einstieg nahe liegen, sondern ökonomisches Kalkül. Die positiven Effekte von intelligenten Analysen auf den Return-On-Investment im Finance-Bereich sind schlechterdings nicht zu übersehen.

Können Sie dafür ein Beispiel geben?

Marcus Dill: Ja, wir hatten in unserem Hause gerade mit einem recht interessanten Fall zu tun. Es ging um Betrugserkennung im Umfeld Leasing und Finanzierung von Automobilen. Mit den in der Branche üblichen halbautomatischen Prüfverfahren wären Auffälligkeiten in der schier unüberschaubaren Masse von Verträgen untergegangen. Mittels einer Data Mining-Analyse kam die betroffene Bank einer ganzen Reihe von Betrügern auf die Spur und konnte so erhebliche Betrugsverluste vermeiden. Die Kosten dafür waren vergleichsweise gering - nicht einmal der Wert eines einzigen Oberklassefahrzeugs.

Ihre Studie stellt auch fest, dass sich neben mächtigen Suiten auch MS Excel hartnäckig als Reporting Tool hält. Inwieweit ist das ein Problem?

Marcus Dill: Excel ist aus Anwendersicht ein fast geniales Tool. Dass die Anwender gerne mit diesem Werkzeug arbeiten, ist angesichts der gebotenen Flexibilität auch allzu verständlich. Neben der hohen Fehlerquote bei manuellen Eingaben liegt der Nachteil aus Unternehmenssicht allerdings darin, dass Daten und Analyselogik verstreut auf einer Vielzahl einzelner Rechner liegen. Das verursacht hohe Kosten bei der Integration und viele Inkonsistenzen zwischen den einzelnen "Analyseinseln". Das manuelle Zusammenführen von Daten führt zu erheblichen Zeitverlusten. Nicht wenige Unternehmen brauchen auf diese Weise viele Tage und Wochen, bis sie ihr Monatsreporting erstellt haben, das ihnen eine solide BI-Infrastruktur in 1-2 Tagen auswerfen würde.

Sollen die Unternehmen also versuchen, ihren Mitarbeitern den Spaß an der Arbeit mit Excel auszutreiben?

Marcus Dill: Nicht zwangsläufig. Am Front-End muss auf die Flexibilität keineswegs verzichtet werden. Es gibt ja BI-Lösungen, die Excel als Oberflächentool integrieren. Entscheidend ist nur, dass nicht in jeder Abteilung das Rad neu erfunden wird, sondern Daten und daraus abgeleitete Kennzahlen möglichst zentral und für alle Bereiche verwendbar vorgehalten werden. Dies senkt nicht nur die Kosten für Analysen, sondern reduziert auch das Begriffswirrwar, das in vielen Unternehmen heute noch herrscht. Nicht selten existieren in derselben Firma - oder sogar derselben Abteilung - zahlreiche Definitionen von Kennzahlen wie "Umsatz". Oder aber gleiche Sachverhalte werden mit verschiedenen Synonymen belegt. Eine sinnvolle Strategie bezüglich Excel hängt ansonsten natürlich auch von den Bedürfnissen der unterschiedlichen Gruppen im Unternehmen ab. Ein Controller z.B. wird immer sein Excel haben wollen, um auf der Basis von Daten Rechnungen und Simulationen durchzuführen. Nur sollte sichergestellt sein, dass er diese Datenbasis aus einem zentralen BI-System mit Qualitätssicherung zieht.