Betroffen sind alle PC-Vertreiber, aber keine Anwender US-Richter ordnet weltweit die Vernichtung von DOS 6.0/6.2 an

17.06.1994

MUENCHEN (jm) - US-Gerichte gehen momentan mit Microsoft nicht gerade zimperlich um. Stac Electronics erwirkte eine einstweilige Verfuegung von groesstmoeglicher Tragweite: Die Gates-Company muss saemtliche Microsoft-Produkte, die Stac-Patentrechte verletzen, einziehen und zerstoeren. Hierzu gehoeren die DOS-Versionen 6.0 und 6.2 sowie der Windows NT Remote Access Server. Fatal fuer Microsoft ist die Reichweite des Rechtstitels: Er hat weltweit Gueltigkeit.

Somit erhaelt der US-Rechtsstreit zwischen David und Goliath auch in Deutschland grosse Brisanz. Entwarnung allerdings fuer alle PC- Anwender: Sie werden nicht von Justitias Bannstrahl getroffen. Denn ihre PCs, auf denen die inkriminierten Softwareprodukte moeglicherweise aufgespielt sind, wurden bereits ausgeliefert.

Seit der zweiten Juniwoche koennte allerdings die Rechtssituation bestehen, dass die beanstandeten Softwareprodukte weder allein noch als Hardware-Software-Kombination verkauft werden duerfen. Die von der deutschen Stac GmbH ausgegebene Deutung des Urteils jedenfalls ist klar: "Microsoft wurde verurteilt, alle noch im Fachhandel, bei Distributoren oder OEMs vorhandenen Produkte von DOS 6.0, 6.2 sowie des Windows NT Remote Access Servers aus dem Verkehr zu ziehen."

Damit liegt der Schwarze Peter zunaechst einmal bei allen PC- Haendlern, VARs, Kaufhausketten, Massenverkaeufern - kurz, bei allen Vertreibern von PC-Systemen. Microsoft reichte postwendend einen Emergency Appeal ein, dem stattgegeben wurde und der voruebergehend eine aufschiebende Wirkung entfaltet.

Eine Firma wie Dell tut sich da noch verhaeltnismaessig leicht: Sie nutzt praktisch ausschliesslich den Direktvertriebskanal. Die PC- Marketiers aus Langen konnten sich deshalb auch schnell auf die neue Situation einstellen: "Wir haben seit Anfang Juni nur noch DOS 6.21 auf unsere Rechner aufgespielt", bestaetigt Torsten Doerffeldt, Dells Produktverantwortlicher fuer PC-Systeme.

Microsoft hat PC-Lieferanten in der BRD nicht informiert

Diese DOS-Version, die keinen Stacker-Komprimierungscode mehr enthaelt, vertreibt Microsoft in den USA seit Ende Februar 1994. Die Gates-Company reagierte damit auf ein Urteil, das in dem Rechtsstreit Stac Electronics gegen Microsoft im Februar 1994 ergangen war. Darin stellte Richter Edward Rafeedie vom Federal District Court in Los Angeles fest, Microsoft habe sich widerrechtlich Technologiepatente der Stac-Kompressionssoftware "Doublespace" unter anderem in seinen DOS-Versionen 6.0 und 6.2 zu eigen gemacht.

Aus dem Schneider sind zudem die beiden PC-Unternehmen IBM und Compaq: Sie haben rechtzeitig Lizenzierungsvereinbarungen mit Stac Electronics abgeschlossen. Beide duerfen deshalb die beanstandeten Softwareprodukte - obwohl sie Stac-Technologie nutzen - auf ihren PCs ausliefern.

Microsoft hat PC-Lieferanten in der Bundesrepublik offensichtlich noch nicht von der Rechtssituation informiert. Dazu Janet Spacey- Rennings, Sprecherin beim deutschen PC-Spitzenreiter Vobis: "Wir hatten diesbezueglich keinen Kontakt zu Microsoft." ALR- Geschaeftsfuehrer Michael Whittington ist ebenfalls noch nicht informiert: "Wir werden aber so lange unsere Kontingente vertreiben, bis wir von unserem amerikanischen Headquarter andere Anweisungen bekommen."

Walter Roessler, Leiter der SNI-PC-Division in Augsburg, ist wie seine Kollegen ahnungslos: "Wir werden das aber von unserer Rechtsabteilung pruefen lassen."

Eine Folge aus dem Rechtsstreit Microsoft gegen Stac gibt es schon: "Wegen der ausserordentlichen finanziellen Belastung, die durch den Patentrechtsstreit mit Microsoft" entstanden ist, muss die Stac GmbH in Muenchen ab 1. Juli 1994 ihr Buero schliessen. Die Betreuung des deutschen Marktes wird von der Europazentrale in England uebernommen.